Solo durch Jamaika

Reisezeit: Oktober / November 2007  |  von Stefan O.

Warten auf den Landrover

14. November 2007

Der Wecker klingelt um sechs Uhr. Ich muss noch packen, habe aber irgendwie keinen Bock. Ich fange einfach mal an. Zwischendurch, es ist schon acht Uhr, gehe ich mal vor die Tür, eine rauchen. Dort sitzt Patrick schon startklar auf der Terrasse. Ich packe weiter und gegen neun Uhr gebe ich bei Ms. Brown die Schlüssel ab.

Zunächst fahren wir mit dem Route-Taxi nach Annotto Bay, dort steht schon ein Minibus nach Kingston bereit. Der ist aber noch fast leer und so macht sich Patrick mal auf die Suche nach Alternativen. Er findet ein Route-Taxi und wir steigen ein. Ein Platz ist noch frei, als noch zwei dicke Mamas auf das Auto zugerollt kommen. Eine davon sitzt kurze Zeit später neben mir, das heißt eigentlich fast auf mir, und wird die nächste Stunde ohne Punkt und Komma quasseln. Die andere hat noch mal 'nen Zentner mehr und darf nach vorne. Zu sechst geht's dann nach Kingston zum Half-Way-Tree.

Dort angekommen muss ich erst mal meine Knochen sortieren. Dann suche ich mit Patrick den Bus nach Papine, von wo aus wir einen Landrover abfassen müssen. Patrick war zum letzten Mal vor drei Jahren hier und inzwischen wurde die Abfahrtsstelle verlegt, die Busse fahren nun direkt von der Hope Road weg.

In Papine warten wir dann auf den Landrover. Darauf warten wir allerdings dann auch noch die nächsten anderthalb Stunden. Eine Getränkeverkäuferin empfiehlt uns, mit einem Route-Taxi bis Mavis Bank zu fahren, da die Chancen dort höher seien, einen Landrover zu erwischen. Immerhin gibt es hier ein Route-Taxi in Form eines Kleinbusses, das über Mavis Bank bis Hagley Gap fährt. Dies ist aber noch nicht voll und so müssen wir noch eine weitere halbe Stunde warten.

Während dessen kommen zwei Schuljungs auf mich zu und interessieren sich für meinen Rucksack. So etwas haben die noch nie gesehen. Sie versuchen ihn zu zweit anzuheben, geben es aber bald auf. Wohin ich will, fragen sie. "Nach oben, in die Mountains", antworte ich. Sie fragen mich, ob ich ein Soldat bin, was angesichts meiner Haarpracht etwas verwegen klingen mag. Tatsächlich werden da oben aber ab und zu mal militärische Übungen abgehalten. Ob es dort Schlangen gibt, wollen sie noch von mir wissen. Patrick grinst, die Jungs haben wohl zum ersten Mal einen lebenden Touristen gesehen.

Irgendwann steigen wir in den Kleinbus, der sich auch bald darauf in Bewegung setzt. Keine 500 Meter weiter biegt er dann in einen Baumarkt ein. Hier wird noch mal fix das Dach mit irgendwelchen Platten und sonstigem Baugeraffel vollgepackt.

Das Taxi fährt durch eine traumhafte Landschaft in die Berge. Irgendwo steigen dann noch mal eben sieben Schulkinder zu. Es wird langsam etwas kühler; angenehm kühl, wie ich finde. Es ist schon erstaunlich, wie sich dieser vollgepackte Kleinbus so seinen Weg durch den Schlamm bahnt. Ein paar Mal habe ich geglaubt, er bleibt irgendwo stecken, doch der zieht sich, dank Allradantrieb und dem enormen Gewicht, immer wieder aus dem Modder.

In Hagley Gap steigen die Meisten aus, außer der Bauherr, dessen Baustoffe immer noch auf dem Dach des Kleinbusses lagern. Es stellt sich heraus, dass er die Telefonnummer von Jah-B hat, jenem Rastamann, bei dem wir unterkommen sollen. Moment mal, wie heißt der Mann? Jah-B ist kein Unbekannter, es handelt sich um genau den Jah-B, der es bis in den Lonely Planet geschafft hat. Er stand sogar auf meinem groben Reiseplan, doch ob ich ihn jemals ohne Patrick gefunden hätte...?

Hier geht's nur noch mit dem 4WD weiter

Hier geht's nur noch mit dem 4WD weiter

Wir fahren mit bis zur Baustelle. Dort ist nun endgültig Schluss für das Taxi. Während die Baustoffe abgeladen werden, genehmige ich mir mit Patrick ein Red Stripe aus dem Shop am Wegesrand. Patrick hat inzwischen Jah-B erreicht und ihn gebeten, uns hier abzuholen. Eine Bierlänge später hören wir den robusten Dieselmotor eines Landrovers, an dessen Steuer Jah-Bs jüngster Sohn sitzt. Patrick kriegt den Mund nicht zu. Jah-B Jr. war etwa 15 Jahre alt, als er ihn zum letzten Mal gesehen hat. Nun fährt er uns souverän in die Berge rauf und er beherrscht sein Fahrzeug, als hätte er nie etwas anderes gemacht in seinem Leben. Da der Beifahrersitz für meinen Rucksack herhalten muss, steigen wir auf die Pritsche. Bald stellen wir fest, dass die Fahrt im Stehen weniger schmerzhaft ist.

Jah-B's Place

Jah-B's Place

In Jah-B's Place, wie er sein Gästehaus nennt, treffen wir einen weiteren, den ältesten von insgesamt fünf Söhnen Jah-Bs. Er sitzt im Wohnzimmer vor einem kleinen Kofferradio, aus dem völlig übersteuert Dancehall-Musik krächzt. Ja, seit ein paar Jahren haben die hier oben sogar Strom und obwohl das Netz sehr labil ist, gehören Sorgen um die Restlaufzeit der Batterie seither der Vergangenheit an. Jah-B wohnt hier mit seinem Ältesten, während der Rest seiner Familie etwas weiter unten im Dorf wohnt. Deshalb baut er derzeit ein neues Gästehaus nebenan, der Rohbau steht bereits und lässt erahnen, dass sich künftige Gäste über eines von insgesamt vier separaten Zimmern mit eigener Küche und Bad freuen dürfen. Persönlich werde ich Jah-B heute allerdings nicht mehr kennen lernen.

Patrick zaubert aus dem Vorhandenen ein leckeres Dinner. Dann rauchen wir noch ein, zwei Spliffs und trinken Tee aus frischem Zitronengras. Mit ein paar Red Stripe auf der überdimensionalen Bank vor der Hütte, von der man einen herrlichen Ausblick auf die Ausläufer Kingstons genießen kann, verabschieden wir den Tag.

© Stefan O., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein beruflicher Aufenthalt in Florida brachte mich auf die Idee, meinen diesjährigen Urlaub jenseits des Atlantiks zu verbringen, da ich mit den USA aber nicht viel anfangen kann, suchte ich mir ein Ziel, an dem ich mich mit Sicherheit wohl fühlen würde.
Details:
Aufbruch: 31.10.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.11.2007
Reiseziele: Jamaika
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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