Solo durch Jamaika

Reisezeit: Oktober / November 2007  |  von Stefan O.

Ganja am Stiel

03. Novemver 2007

Ich stehe um sieben Uhr auf. In der Nacht hat es wieder mal geschifft und ich mache mir ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen, heute hier weg zu kommen. Trotzdem packe ich meine Klamotten zusammen und überlege mir einen alternativen Plan: Da heute Samstag ist, könnte ich mir abends ja mal das Nachtleben von New Kingston geben. Oder, allen Warnungen zum Trotz, mal die drei Kilometer nach Downtown runter laufen. Nach dem dritten Spliff bin ich sowieso unsterblich. Am Vormittag könnte ich mal das Bob Marley Museum besuchen. Morgen würde ich dann weiter nach Port Antonio ziehen und Treasure Beach erst mal auslassen.

Ich habe meinen Plan B noch nicht ganz zu Ende gesponnen, da klopft es an meiner Zimmertür. Draußen steht Jimmy mit einem breiten Grinsen im Gesicht, welches mir zu verstehen gibt: Heute kann es los gehen. Er rückt seine Mütze zurecht und fragt: "are you ready?". Seine Frau hat er auch gleich mitgenommen, sie wartet unten im Auto. Eine solche Fahrt hat man schließlich nicht alle Tage.

Jimmy is ready

Jimmy is ready

Raus aus Kingston

Raus aus Kingston

Unterwegs fahren wir an seinem Haus vorbei. Nicht schlecht, die Hütte. Aus Kingston raus kommt man um diese Uhrzeit noch relativ schnell. Dann geht's über die Landstraße auf die A1. "Highway!", sagt Jimmy stolz und es macht ihm sichtlich Spaß, sein Taxi darüber zu jagen. Tatsächlich ist diese gut ausgebaute, aber mautpflichtige Strecke durchaus vergleichbar mit europäischen Autobahnen.

Zirka anderthalb Stunden nach der Abfahrt erreichen wir Mandeville, die Heimatstadt seiner Frau, wie ich erfahre. Danach wird es etwas abenteuerlich. Die Straßen werden schmaler, die Schlaglöcher tiefer. Die Beschilderung ist spärlich und Jimmy muss einige Passanten nach dem Weg fragen; das ist nicht so seine Ecke hier. Er wisse nun, warum der Listenpreis für diese Strecke bei 230,- US$ liegt, flucht er. Wir fragen uns durch bis Treasure Beach und von dort weiter zum Irie Rest.

Überfahrt nach Treasure Beach

Überfahrt nach Treasure Beach

Dort angekommen sehe ich drei Gestalten vor dem Tor herum lungern. Ich will Jimmy die Kohle für die Überfahrt geben, doch er zieht mich hinter seinen Wagen und mahnt mich an, mit dem Stapel Tausender etwas dezenter herumzufuchteln. Kaum ist Jimmys Auto aus dem Sichtfeld, da hält mir einer der drei Gestalten einen netten Strauß Ganja unter die Nase. Alter was geht denn hier ab? Hier kriegst du die frische Ernte gleich am Stiel präsentiert...

Eine nette Jamaikanerin tritt aus der Menge hervor und begrüßt mich mit Handschlag. "Aha, die hat hier also was zu sagen", denk ich mir und kurze Zeit später erfahre ich ihren Namen. Sie heißt Pauline und ist Housekeeperin und Köchin im Irie Rest. Sie schmeißt hier den Laden, wenn der Besitzer Lennie gerade nicht da ist. Pauline macht mich mit dem Irie Rest vertraut und zeigt mir die Zimmer. Ich kann mir eines aussuchen, denn zurzeit bin ich der einzige Gast hier. Wie viele Nächte ich denn bleiben möchte, will sie wissen. Ich sage mal so zirka fünf und zahle erst mal bis Freitag.

Keine Ahnung, was man so mit seiner Freizeit hier anfangen kann. Die drei Jungs von vorhin sitzen auf der Terrasse. Ich geselle mich dazu und kaufe kurz darauf den Strauß Ganja für 120 J$. Natürlich soll ich vorher probieren, was ich kaufen will. Wird man eigentlich irgendwann mal klar auf dieser Insel?

Diese Stille hier ist mir unheimlich und für einen Augenblick wünsche ich mich zurück nach Kingston, in die Anonymität der Großstadt. Die Jungs merken mir die Hektik an, die in mir steckt, versuchen mich runter zu holen. "Was kann man denn hier so anstellen?", frage ich Delroy, einen der Jungs. Er führt mich runter zum Strand. Es gäbe hier eine Strandbar, lässt er mich wissen. Cool! Genau so etwas brauche ich jetzt, ya mon! Die Strandbar ist eine einfache aber sehr gemütliche Holzhütte am nur wenige Meter entfernten Strand. Wobei der Strand eigentlich gar kein Strand ist, sondern der "Hafen" der Fischer. Hier liegen die Fischerboote auf Holzbohlen, abgestützt durch ein paar Balken und von den ölenden Motoren ist der Sand stellenweise schwarz eingefärbt.

Strand bei Treasure Beach

Strand bei Treasure Beach

Ich verspüre ein wenig Durst nach Red Stripe. Schnell finde ich heraus, dass man hier seine Kohle nicht aus der fetten Potte holt, sondern in kleinen Scheinchen aus der Hosentasche zieht. Auch lässt man hier seine Kippenschachtel nicht einfach auf dem Tisch liegen, sonst ist sie ratz fatz leer geschlaucht. Zigaretten kann man hier überall einzeln kaufen. Delroy ist hier der größte Schlaucher im Dorf, lassen mich die Einheimischen wissen.

Drei Stunden später: Ich bin gut angehauen, Delroy auch. Er verträgt das Bier, ich das Ganja nicht. Inzwischen haben wir den Laden leer gesoffen. Auf deutschen Durst sind die hier scheinbar nicht eingestellt. Ich habe mich bei Pauline zum Essen angemeldet. Dinner gibt es hier nur auf Anfrage. Pünktlich um sechs stehe ich im Irie Rest auf der Matte, mit einem Mordshunger. Es gibt Hühnchen mit Reis. Eine Wohltat nach all diesem Ami-Fraß in Miami.

Kurz drauf verschwinde ich in meinem Zimmer, packe meinen Kram aus und falle tot und stoned aber zufrieden in mein sehr gemütliches Bett.

© Stefan O., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein beruflicher Aufenthalt in Florida brachte mich auf die Idee, meinen diesjährigen Urlaub jenseits des Atlantiks zu verbringen, da ich mit den USA aber nicht viel anfangen kann, suchte ich mir ein Ziel, an dem ich mich mit Sicherheit wohl fühlen würde.
Details:
Aufbruch: 31.10.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.11.2007
Reiseziele: Jamaika
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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