Ein Segelsommer auf der Adria

Reisezeit: Mai - September 2009  |  von Thomas Lippert

5. Zurück in Kroatien: Im Wechselbad der Gefühle

Nach schönen zweieinhalb Tagen in der Okluklje-Bucht treibt es uns weiter Richtung Norden. Es ist nur ein kurzer Schlag geplant: von Okuklje auf Mljet nach Trstenik auf der langgezogenen Halbinsel Peljesac. Dort gibt es laut Hafenhandbuch von 2008 (Nautik Verlag) eine etwa 100 Meter Lange Mole, an der keine Fähren mehr verkehren. Sollte kein Platz mehr sein werden wir fünf Seemeilen weiter nach Orebic, ebenfalls auf Peljesac, fahren.

Gleich nach dem Frühstück, im bereits sonnigen Cockpit unter dem bei der noch tiefstehenden Sonne nur wenig schattenspendenden Bimini, machen wir klar zum Aufbruch. Einige Möwen auf morgendlicher Futtersuche fliegen derweil kreischend über dem stillen Wasser der Bucht. Eine unserer zwei benutzten Moorings (das ist purer Luxus!) werfe ich schon mal los, wickle das Stromkabel auf und verstaue es in der Backskiste und ziehe unsere Gangway ein. Ein bisschen muss ich immer grinsen, wenn wir das Wort Gangway für unser etwa 25 Zentimeter breites und zwei Meter fünfzig langes Holzbrett benutzen, durch dessen einem Ende zwei Löcher mit eingeknoteten Tampen zur Fixierung an der Achterreling gebohrt sind. Diese Gangway (da ist das Wort wieder, es hat doch irgendwie etwas von Haute Couture und High Society, hihi) binde ich hochkant weiter vorn steuerbordseitig an die Reling. Bevor wir die letzte Mooring und die Achterleinen loswerfen starte ich den Motor: Rat . tat . tat .. tat ... tat ..... Das versuche ich gleich noch einmal in der Hoffnung, mich lediglich verhört und verfühlt zu haben: Rat . tat .... . Claudia schießt von unten den Niedergang hoch: "Oh Gott, schon wieder ein Stromproblem?!"

Ich: "Sch...[zensiert], das kann nicht sein, wir haben doch volle zwei Tage am verd...[zensiert], drec...[zensiert] Stromnetz gehangen. Die verfl...[zensiert] Batterien müssen doch randvoll mit dem besch...[zensiert] Strom sein. So ein verfl...[zensiert] Mi...[zensiert].". - Gangway mit eher weniger Freude wieder angebaut, Kabel mit hängenden Mundwinkeln erneut angeschlossen: Rat . tat .... . Durchatmen und am Kopf kratzen. "Es ist kein Kabel lose oder abgerissen" brumme ich mit dem Kopf tief in der Backskiste, wo unser Ladegerät angebracht ist, hervor. Mit Claudia teste ich jetzt mehrere Varianten mit Strom/ohne Strom, halte auch einmal ganz fachmännisch unseren Strommesser an die Batterien. Er zeigt nichts an. Klar, seine eigene Batterie ist leer. Das Gerät hätte ich nach seiner letzten Benutzung in Vrboska auf OFF stellen sollen. Nach allen möglichen Tüftelungen springt der Motor dann doch endlich wieder an. Wahrscheinlich haben sich die Batterien in den letzten fünfzehn Minuten Stromzufuhr überzeugen lassen? Wir verlassen also diese herrliche Bucht, in der wir eine wirkliche schöne erholsame Zeit hatten. Es ist Bora, wir können einen am Wind Kurs fahren und dabei leicht kreuzen. Den Motor lasse ich sicherheitshalber mitlaufen. Denn würde er sich andernfalls für das Anlegemanöver in Trstenik erneut starten lassen? - In Trstenik gibt es laut Hafenhandbuch einen Bootsmechaniker, was erst recht für dieses nächste Zwischenziel spricht.

Irgendwann auf der Fahrt im , wir haben das mühselige Kreuzen längst aufgegeben, das Segel gestrichen und streben nun im direkten Kurs auf die Bucht Zaton Žuljana zu, in dessen nordwestlicher Ecke unserer Zielort Trstenik liegt, ruft Claudia: "Rückenflosse!!!"

Sie springt mit den Füssen auf die Cockpitbank, stößt sich in der Hast den Kopf am Gestänge des Biminis, merkt es noch nicht einmal sondern deutet wie ein Kind, das erstmals im Leben einem geschmückten Christbaum gegenübersteht, mit offenem Mund auf das Wasser und einige Schaumkronen darin. Da ich ja allwissend bin [Smiley] , reagiere ich etwas träge. Denn ich weiß: hier gibt's doch keine Delphine. Woher ich das weiß? - Das weiß ich nicht... Doch dann tauchen nahe unserem Boot zwei Rückenflossen auf, das kann ich nicht leugnen. Und noch eine. Claudia klatscht in die Hände, stößt Freudenlaute aus, hüpft hoch, stößt sich wieder am Bimini und merkt es wieder nicht. Sie hastet jetzt nach vorn, zum Vorschiff. Und sitzt da wie ein Kind, mal hierhin und dann wieder dahin deutend. Zwischendurch ständig in die Hände klatschend. Ein Delphin schwimmt, ständig die Seite wechselnd, vor unserem Bug. Ich gebe Gas, der Delphin soll Spaß haben, länger dort bleiben. Selten habe ich Claudia so aus dem Häuschen gesehen. Sie dreht sich zwischendurch immer wieder mit strahlenden Augen zu mir da hinten (auf den billigen Plätzen ...) um und ruft "Hast Du das gesehen, jaaaa," Und "Juchhuuu, da ist wieder einer" und "Da, er kommt zurück" kreischt sie. So geht es die ganze Zeit. Cleo hat lange schon ihren Kurs verlassen und jagt im Zickzack hinter den geschickten Schwimmern her. Claudia beobachtet die Delphine bei ihren Manövern und freut sich. Ich beobachte Claudia bei ihren Händeklatschen und Freudenausrufen und freue mich. Und ich denke, dass auch die Delphine ihre Freude haben.

Claudia freut sich singend und klatschend über die vielen Delfine. Ich bekomme die Kerle kaum vor die Linse oder nur völlig verwackelt. Doch bald merke ich, dass die Freude von Claudia ein viel lohnenswerteres Fotomotiv darstellt.

Claudia freut sich singend und klatschend über die vielen Delfine. Ich bekomme die Kerle kaum vor die Linse oder nur völlig verwackelt. Doch bald merke ich, dass die Freude von Claudia ein viel lohnenswerteres Fotomotiv darstellt.

Warum reagieren wir Menschen so positiv auf diese geschickten und stets lächelnden Bewohner der Meere? Das ist ein Phänomen für mich, nicht rational erklärbar. Wann habe ich Claudia schon mal so laut wegen Tieren Kreischen gehört? Ja doch. - Vor längerer Zeit brachte unser Kater Zeus eine lebende Maus ins Wohnzimmer geschleppt, die er zu seiner und unserer Freude lustig an den Wänden entlang huschen ließ. Genau damals stieß Claudia einen ähnlichen Kreischlaut aus, dessen Dezibel sicher denen von heute nicht nachstanden. Und sie sprang seinerzeit auch blitzschnell aufs Sofa, so wie heute auf die Cockpitbank. Ich komme dem Tier-Freude-Phänomen offensichtlich immer näher. Also Delphine und Mäuse ...

Anfahrt auf den Ort Trstenik auf der Halbinsel Peljesac. Das Foto entstand kurz bevor unser Motor streikte, bevor unsere Laune in den Keller sank und wir uns noch fröhlich auf den Abend am Hafen freuten.

Anfahrt auf den Ort Trstenik auf der Halbinsel Peljesac. Das Foto entstand kurz bevor unser Motor streikte, bevor unsere Laune in den Keller sank und wir uns noch fröhlich auf den Abend am Hafen freuten.

Wir befinden uns inzwischen vor dem kleinen, leuchtturmbebauten Insel Lirica, die uns den Eingang in die breite Bucht anzeigt. Der Motor läuft prima, wir machen fünf Knoten Fahrt und werden nach knapp drei Seemeilen, also etwa vierzig Minuten, in den Hafen von Trstenik einlaufen. Doch Cleo hat anderes vor. Ohne ersichtlichen Grund nimmt sie das Gas zurück, der Diesel nagelt jetzt etwa auf Standgasniveau. Mittlerweile haben wir das Vorsegel in etwas gerefften Zustand wieder gesetzt, denn als wir aus dem Windschatten von Mljet heraus waren - so ist zumindest meine Erklärung, bekamen wir Maestral, den Westwind, und können wieder schön unseren Wunschkurs segeln. Durch den Wind sind wir nicht auf den Motor angewiesen und können gemächlich Richtung Hafen schippern.

Ich reffe noch etwas mehr, um das Schiff in seiner Fahrt zu drosseln und Zeit zu haben, nach dem Motor zu sehen. Der läuft jetzt im Standgas und Leerlauf. Nur nicht beanspruchen und auch nicht ausgehen lassen - vielleicht können wir ihn beim Anlegemanöver einsetzen.

Im Hafen von Trstenik ist an der Mole viel Platz. Genauer gesagt: es ist überhaupt kein Schiff da. Nur hinten, im Flachwasser dümpeln ein paar Fischerboote. Wir gehen längsseits, was mit unseren kaputten im Standgas Motor noch gut machbar ist.

Blick vom Ankerplatz. An den Hängen wird die bekannte Weinsorte Dingac angebaut

Blick vom Ankerplatz. An den Hängen wird die bekannte Weinsorte Dingac angebaut

Schon kommt der Hafenmeister in Shorts und weißen T-Shirt herangeeilt, den rechten Arm mit nach links und rechts wiegendem Zeigefinger erhoben. "No, No, No, No!" hören wir ihn bis zu uns heran brüllen. Wir lassen uns nicht beirren und verzurren die Leinen von Cleo erst mal an den Pollern. Inzwischen an unserem Boot angekommen senkt sich der verneinende Zeigefinger des Hafenmeisters in Richtung der Schlinge um den Poller, ohne seine ablehnende Gestik zu unterbrechen.

"Go away, here is no place for you!"

"Our engine is defect!" erklärt Claudia.

"This is your problem and not one of me. Go away!"

"What's up? Why we cannot stay here?" möchte ich nun wissen.

"Go away! Many big ships with many passengers will come. Go away!"

"So with our damaged engine - could we stay there?" ist meine Frage und ich deute auf das Ende des langen Kais hin.

"No."

"And a little bit more at the right side?"

"OK, you can go there backwards with your own anchor."

Toller Verhandlungserfolg, befinde ich! - Seit Makarska habe ich allerdings immer noch Respekt vor Ankermanövern im Hafenbecken. Wir ziehen Cleo an den Leinen zu dem angewiesen Platz. Um nicht wieder mein gutes Ankergeschirr einzubüßen, hole ich den kleineren Zweitanker ohne Kette aus der Backskiste und gehe damit vor zum Bug. Das sieht der streng beobachtende Meister des Hafens, kommt herbeigelaufen - wieder seinen Finger in der uns bereits bekannten Pose nach oben gerichtet - und ruft:

"Go away, leave the harbour! - You cannot stay here, Go away. Go there to the bay and stay on your anchor."

Der Ton ließ keine Diskussion mehr zu. Wir sollen also den Hafen verlassen und uns vor Anker legen. Der kleinere Anker flößt ihm wohl nicht genug Vertrauen ein.

"OK, is here a mechanic for engines in the village?" - Mein Hafenführer von 2008 nannte sogar einen beim Namen und auch mit Telefonnummer. In dem kleinen Nest müsste der Hafenmeister den doch locker kennen.

Der große Meister des Hafens hebt die Schultern and lässt hören: "Maybe."

Was ich jetzt, mittlerweile auch wütend, hören lasse, schreibe ich hier lieber nicht auf. Der Adressat für meine Schimpfworte hat es wahrscheinlich nicht verstanden, weil ich es in Deutsch sagte. Und das war richtig "Deutsch gesprochen", wie man so schön sagt.

Und so steuern wir unser angeschlagenes Schiff Richtung Strand, vor dem wir den Anker werfen. Auch wenn Claudia das überhaupt nicht verstehen kann. Vor Anker liegen, mit angeschlagenen Motor, gibt ihr kein sicheres Gefühl. Hoffentlich läuft der Motor wenigstens etwas, falls der Anker in der Nacht nicht halten sollte.

Zwei Boote in der Bucht

Zwei Boote in der Bucht

Der Hafen und Bucht von Trstenik auf der Halbinsel Peljesac

Der Hafen und Bucht von Trstenik auf der Halbinsel Peljesac

© Thomas Lippert, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Über vier Monate im und am Meer unterwegs mit allem, was man sich wünschen kann: nette Menschen, wunderschöne Orte, gigantische Landschaften, herrliches Wetter... Und auch mit Einigem, was sich keiner wünscht: Segelschaden, Probleme mit dem Motor und schließlich einem Blitzschlag am Ankerplatz, der unseren Törn vorzeitig beendete. Auch die Vorbereitungen zu dieser Reise - Probleme mit dem Job, der Wohnung und anderen Dingen - werden thematisiert.
Details:
Aufbruch: 01.05.2009
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 30.09.2009
Reiseziele: Kroatien
Bosnien und Herzegowina
Montenegro
Italien
Slowenien
Der Autor
 
Thomas Lippert berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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