Ein Segelsommer auf der Adria
5. Zurück in Kroatien: Werkstattgeschichten: Was lange währt ...
Leuchtturm bei Mali Losinj. Als Cleo diesen Punkt umrundet hat, ist sie schon ganz nah ihrer Heimat.
Der Marinero mit dem orangefarbenen Poloshirt nimmt unsere Achterleine entgegen:
"Is this Cleo?" fragt er, als er die Mooringleine übergibt.
Ja, sie ist es. Wir freuen uns. Hier ist Cleo zu Hause, hier wird ihr geholfen werden. Sie wurde vom ersten Marinero nach über drei Monaten Abwesenheit prompt wiedererkannt. Obwohl der übergroße Namensschriftzug am Heck durch das dort angebundene Gummiboot vollständig bedeckt ist.
Wir fühlen uns dementsprechend sofort wohl und richtig hier. Es ist schon nach fünfzehn Uhr, das Werkstattbüro hat bereits geschlossen. Wir waren vormittags noch in einer Ankerbucht an der Westseite von Losinj zum Baden. Nun ist es eben später. Doch das macht nichts, Hauptsache wir fühlen uns und unser Schiff gut aufgehoben hier.
Noch.
Doch lieber Leser, ich will Dir noch nicht den Spaß verderben, also bleiben wir dabei: wir fühlen uns uneingeschränkt wohl.
Am nächsten Morgen melde ich Cleo in der Werkstatt an. Ich erfahre, was ich längst wusste: es ist momentan sehr viel Arbeit für die Werkstatt und die Mechaniker. Es ist Hochsaison.
Am Mittag kommt Duschko, der Mechaniker. Ich habe ihn angesprochen, als ich ihn am Steg vorbeilaufen sah.
"Hält mich das Brett wirklich?" fragt er vorsichtig und tastet sachte mit einem Fuß auf unsere Gangway-Planke.
"Ja klar, ich wiege fünfundneunzig Kilo und das Brett ist noch nie zerbrochen." beruhige ich ihn. Nun ja, die fünfundneunzig habe ich schon lange nicht mehr. Fünf Kilo sind mir auf unserer Segeltour abhanden gekommen. Zu wenig Bewegung an Bord, da verabschieden sich insbesondere die Muskeln so nach und nach.
"Ich wiege über einhundert Kilo!" wendet Duschko ein, hat aber trotzdem den ersten Schritt bereits gewagt und hangelt sich jetzt schnell zur Heckreling.
Wir verschwinden beide im Salon, ich öffne die Niedergangstreppe und erkläre dem Mechaniker, was der Motor so tut.
"Vermutlich ist der Wärmetauscher undicht." schließe ich meine kurze Schilderung. "Ich starte den Motor mal kurz."
"Nicht nötig, das ist ganz sicher der Wärmetauscher." resümiert Duschko aus meiner Erzählung und erklärt, dass er es jetzt nicht sofort machen kann. Heute ist Donnerstag. Vielleicht Samstag? - Er müsse erst noch sehen, was der Chef dazu sagt.
Hmh.
Marina Mali Losinj: Gewirr aus Kränen und Werkstatthallen. Wenn wir hier nicht geholfen bekommen ...
Am Freitag werde ich von der Büroangestellten über das Marinagelände zur Suche von Duschko geschickt. Ich will wissen, was nun entschieden ist, ob wir von Bord können oder ob jeden Augenblick ein Mechaniker auftauchen wird. Ich finde Duschko nicht. Keiner der anderen will wissen, wo er gerade ist.
Am Samstag kommt er auch nicht, niemand von der Werkstatt ist da. Und Sonntag natürlich auch nicht.
Am Montag laufe ich ihm wieder nach, bis er endlich kommt. Er baut heute Nachmittag den Wärmetauscher aus. Nach zwanzig Minuten Schwitzen und Stöhnen und Fluchen gibt er es auf. Das Teil hat sich verklemmt.
Am Dienstag Morgen kommt er erneut. Und mit ihm Robby, ein Freund von unserem Vercharterer, der zumindest mal nach dem Rechten schauen will. Robby und Duschko kennen sich. Gemeinsam bekommen sie den Wärmetauscher heraus, Robby hat Ahnung von der Materie. Das merken wir sofort. Dann ist Robby weg. Er hat andere Arbeit, gehört auch nicht der Werkstatt oder der Marina an. Leider.
Duschko kommt am Mittwoch gegen elf Uhr. Es ist wiederum ein Tag vergangen. Er hat einen gebrauchten Ersatzwärmetauscher dabei. Der ist ganz offensichtlich zwei Nummern zu groß und niemals von einem Volvo Penta 2020. Er tut ganz verdutzt. Hält das dicke Teil dennoch an die viel zu kleine Öffnung unseres Motors und überlegt, wie es reinpassen könnte. Ich dreh' mich weg. Das kann sich ja keiner ansehen! Er verabschiedet sich wieder, kommt jedoch schon kurz vor ein Uhr zurück. Und hat nun mittels Druckprüfung festgestellt, dass unserer Wärmetauscher überhaupt nicht defekt ist. Ob ich denn das mit dem auslaufenden Wasser richtig gesehen hätte.
Der verschmutzte Krümmer
Bitte? - Na klar hab ich das richtig gesehen! Warum er sich den Motor, als er noch nicht auseinandergebaut war, denn nicht selbst angesehen hat, als ich ihn vorführen wollte. Ich bin platt. Klar, jetzt bin ich für die nutzlos verschwendete Zeit verantwortlich? - Wäre ich selbst Fachmann, dann hätte ich doch keinen Duschko gebraucht!
Er baut den Wärmetauscher also wieder ein, ich starte den Motor und befinde, dass nun fast kein Wasser mehr aus dem Auslauf hinten am Schiff kommt. Das kann nicht gesund sein!
Jetzt schraubt er den Krümmer ab. In diesem Teil werden bei dem Schiffsmotor das kühlende, durchlaufende Salzwasser und die Abgase aus dem Hubraum gemischt. Deswegen sieht man bei Schiffen selten eine Abgas-Rauchentwicklung. Er bläst dann den Krümmer mit seinem Mund kurz durch und befindet, dass der total dicht ist.
"Was wird nun, haben Sie solch ein Ersatzteil auf Lager. Oder können Sie es bestellen? Oder Reinigen?" möchte ich wissen.
"Reinigen, reinigen" äfft mich Duschko nach. "Ich muss Chef sprechen."
"Ja, sprechen Sie mit ihrem Chef. Wir wollen übrigens wieder weg hier von Mali Losinj."
"Wieso, ist kein Urlaub mehr da?" fragt mich Duschko.
Ich bin platt. Eine ähnliche Geschichte hatte mir Thomas von der Red Lagoon bereits erzählt. Nur ist es ihm in Zadar passiert. Dass Urlaub unsere teuerste und nicht ganz so unwichtige Zeit im Jahr ist, das versteht hier im Lande anscheinend kaum einer.
Er verschwindet kurz vor zwei Uhr von unserem Schiff. Und ward den ganzen Tag nicht mehr gesehen.
Am nächsten Morgen reicht es selbst Claudia. Sie ist auch resoluter und energischer als ich. Sie läuft ins Büro des Werkstattchefs. Er ist nicht da, das Büro ist abgeschlossen. Sie läuft ins Büro der Marina um nach ihm zu fragen. Dort ist er auch nicht. Sie läuft in das benachbarte Restaurant. Dort findet sie ihn am Tisch sitzend mit einem anderen, ihr unbekannten Mann. Und befragt ihn nach dem Fortschritt der Reparaturarbeiten an unserem Motor.
"Wir haben keinen passenden Wärmtauscher." antwortet er.
"Um den geht es doch gar nicht mehr, sondern um ein anderes Teil!"
Er werde sich darum kümmern, ist seine Antwort, die mir Claudia dann überbringt.
Wieder passiert nichts. Gegen elf laufe ich in die Werkstatt, finde Duschko und zwei andere an der Werkbank.
"Dobar dan!" ist meine Einleitung (Guten Tag).
Nichts, Duschko schaut auffällig in eine andere Richtung.
"Dobar dan!" ist meine Wiederholung der Einleitung.
Niemand sagt etwas, bis Duschko, sichtlich erregt antwortet:
"Dobra vece!" (Guten Abend).
Was soll das? Plötzlich greift sich Duschko das gestern ausgebaute Teil, welches er auf Anhieb auf der mir unbegreiflich "gegliederten" Werkbank findet und stürzt damit auf mich zu.
"Sie waren im Büro von Chef!" keucht er.
War ich zwar nicht, sondern Claudia. Aber es scheint ihn völlig aufgeregt zu haben.
"Teil ist kaputt, geht nicht mehr."
"Ich weiß. Das wussten wir beide doch schon gestern Mtag." entgegne ich. "Doch irgendwie muss der Motor doch wieder laufen. Deswegen bin ich doch hier." Das Ziel seiner und meiner Bemühungen hat Duschko meines Erachtens nicht begriffen. Der Motor soll laufen, nicht unsere kostbare Urlaubszeit davonlaufen.
Er drückt mir grimmig den Krümmer in die Hand und sagt: "Geh zu Chef. Geh zu Chef."
Das mache ich jetzt auch sofort und stürme ebenfalls erbost aus diesem Affenstall hinaus, über das Marinagelände in Richtung Werkstattbüro. Dort sitzt der Chef an seinem vollbepackten Schreibtisch und telefoniert. Irgendwann legt er auf, denke ich. Dann haue ich ihm das Gusseisenteil auf seinen wüsten Schreibtisch, nehme ich mir wütend vor. Es warten vor dem Büro noch zwei Männer auf ein Gespräch mit dem Chef. Sie schauen mich etwas vorsichtig an. Ich habe nichts gesagt, doch sie müssen gespürt haben, das ich koche. Ich siede.
Er legt den Hörer auf, ist fertig mit dem Gespräch. Ich frage nicht, ob ich an der Reihe bin, sondern stoße die Bürotür auf, hole mit dem Gusseisenteil aus und lasse es mit etwas weniger Schwung als beabsichtigt auf einen kleinen Stapel von Katalogen sausen. Das mit der Tischplatte hätte ich dann doch nicht gemacht. War ja auch nicht möglich, denn eng um die Tastatur seines PC's liegen Papiere und anderer Kram herum.
"Was soll der Mist?" frage ich ihn. "Haben wir jetzt einen Reparaturauftrag miteinander oder nicht?" will ich wissen.
Er bleibt ganz ruhig. Das ist ja zum kotzen, finde ich. Bleibt der glatt ganz gelassen in seinem Sch.. Sessel sitzen, schaut mich ruhig an und sagt:
"Das Teil haben wir nicht da, muss erst noch bestellt werden. Und heute ist Feiertag."
"Soso, Feiertag, erst noch bestellen. Seit gestern vierzehn Uhr weiß Duschko davon! Können Sie hier überhaupt Motoren reparieren oder was machen Sie hier eigentlich." - Jetzt gehe ich vielleicht etwas zu weit, doch irgendwo muss doch auch in dieser Werkstatt ein wenig Berufsehre herauszukitzeln sein.
Er bleibt weiterhin ruhig, erhebt sich und geht an mir vorbei zu den beiden anderen Wartenden. Er wendet sich ihnen zu und setzt an, mit ihnen zu sprechen. Ich glaub', ich seh' nicht recht. Stelle mich sofort dazwischen, und wiederhole meine Frage, ob diese Werkstatt denn überhaupt in der Lage ist, Motoren zu reparieren.
Seine stoische Ruhe kann ich nicht erschüttern. Der Mann schaut durch mich hindurch und schafft es, mit den beiden anderen zu reden, obwohl ich genau zwischen ihnen stehe.
Ich stapfe davon. Hier passiert sicher kaum mehr etwas für uns. Es ist Mittwoch und heute Abend oder Morgen früh erwarten wir unseren Vercharterer. Er wird sich darum kümmern. Ich renne hier offenbar nur Berufsstolz ein, wo keiner ist.
Am nächsten Morgen, acht Uhr dreißig schaue ich verschlafen aus unserem Niedergang heraus, als ich unseren Vercharterer heranlaufen sehe. Er hat bereits unseren Krümmer in der Hand, kommt geradewegs aus Richtung Werkstatt. Er ist nachts angekommen, und rührig wie er offenbar ist, schaltet und waltet er. Ich weiß: jetzt geht es voran mit der Reparatur.
Und so passiert es auch. Nach einem Gespräch mit ihm sagt er, dass er alles in die Hand nimmt. Und wir müssten nicht auf dem Schiff bleiben, können uns quasi frei nehmen. Kein Warten auf die so raren Handwerker mehr. Also nehmen wir uns frei und machen einen Ausflug mit dem PKW. Und schon kurz nach elf Uhr kommt eine SMS von ihm:
"Bin fertig."
Was hat er gemacht? - Er hat in Hamburg bei Volvo Penta angerufen, nach dem Krümmer gefragt, welches mit der Post mehrere Tage bis nach Mali Losinj brauchen würde. Doch die Volvo-Leute gaben ihn den entscheidenden Tipp: Den Krümmer mit heißem Wasser und Zitronensäure durchspülen. Das hat er dann zwei Stunden lang gemacht. Und er hat das Teil selbst wieder eingebaut. Und es hat geholfen. So viel Wasser, wie jetzt, kam selbst zum Start unseres Törns im Mai nicht aus unserer Dufour. Klasse.
Zur Ablenkung: Start einer jährlichen Segelregatta in Mali Losinj
Von wegen Servicewüste Deutschland!
Von wegen Servicewüste Deutschland! Das soll mir noch mal einer sagen, und wenn ich das selber bin! Dann gibt es gleich was auf die Finger, und wenn es meine eigenen sind! Denn in Deutschland bekommen wir alles in Ordnung gebracht. Vielleicht nicht immer mit dem breitesten Lächeln von Ohrläppchen zu Ohrläppchen. Jedoch nutzt ein Lächeln ohne etwas gemacht gar nichts. Und ein Nichtlächeln oder gar offen zur Schau gestellte Unfreundlichkeit und nichts gemacht nutzt noch sehr viel weniger. Und das habe ich in Deutschland noch nicht erlebt. Wirklich nicht.
Sonnenuntergang vom Stadthafen in Mali Losinj aus gesehen
Aufbruch: | 01.05.2009 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | 30.09.2009 |
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