Ein Segelsommer auf der Adria

Reisezeit: Mai - September 2009  |  von Thomas Lippert

7. Ende des Seeweges in Italien

Das Genuasegel ziehe ich jetzt zum Xten Mal wieder ein. Zum Xten Mal hatten wir versucht, mit Hilfe der Segel über den Golf von Triest zu kommen. Zum Xten Mal stellte ich fest, dass der Wind eher aus der Richtung kommt, wo wir hinwollen. Langes Aufkreuzen leisten wir uns heute nicht. Wir sind auf Kurs 300 Grad, das ist die Strecke der Bucht von Piran nach Grado in Italien. Dort hoffen wir auf Hilfe für unseres angeschlagenes Segelschiff.

Grado liegt in einer Lagune. Wir machen uns also auf seichtes Wasser in der Nähe der Küste und auch der Hafeneinfahrt gefasst. Unser Echolot funktioniert wegen dem Stromausfall an Bord nicht. Darauf können wir also nicht vertrauen und werden uns deshalb exakt an die Angaben in der Seekarte und dem Hafenhandbuch halten. Dies bedeutet einen kleinen Umweg, denn wir werden gemäß Anweisung im Hafenhandbuch erst die befeuerte Pricke anfahren, welche als Ansteuerungshilfe den meerseitigen Beginn der Fahrrinne markiert. Von dort aus gibt es Dalben, zwischen welchen wir bis in die Marina Porto San Vito geleitet werden.

Während wir langsam innerhalb der beidseitig des Fahrwassers befestigten Dalben fahren, erblicken wir rechter Hand den Sandstrand von Grado. Sandstrand, den gibt es in Kroatien nicht, bestenfalls Kiesstrand. Brechend voll ist dieser Sandstrand. Voll von Sand natürlich, doch auch voll von Badegästen. Es ist heiß, die Wasserfläche vor dem Strand ist ebenso voller halbnackter und ganznackter Oberkörper, die im Wasser plantschen. Von den Schwimmenden schauen nur die Köpfe aus dem Wasser, doch dieses Bild ist schon ziemlich weit vom Strand entfernt. Das Meer geht hier sehr langsam von der Plantsch- in die Schwimmzone über.

An der Einfahrt zur Marina legen wir längsseits am Schwimmsteg an, so wie es im Hafenhandbuch beschrieben ist. Denn wir müssen zuerst einen Liegeplatz zugewiesen bekommen. Von Gegenüber winkt der fahrradunterstützte Marinero, noch bevor wir die Leinen festmachen können. Gut, legen wir also sofort wieder ab. Das geht unerwarteter Weise gar nicht leicht, das Boot erscheint auffällig träge. Dieses Verhalten hatten wir noch nicht.

Marienstatue in der Einfahrt nach Grado: bis in die Lagune hat sie uns gut geführt

Marienstatue in der Einfahrt nach Grado: bis in die Lagune hat sie uns gut geführt

"Nicht einschlafen, Cleo" murmele ich und drehe das Gas gehörig auf. Langsam bewegt sich unsere Segeldame vom Steg weg. Ungewöhnlich zäh und langsam, als hänge sie an einer Gummischnur. Die Drehzahl lässt sich wie gewohnt erhöhen, das spüre ich. Auch wenn der Drehzahlmesser selbst seit dem Blitzeinschlag letzte Nacht ebenfalls nicht mehr funktioniert. Die Schraube ist also frei. Dann kann das nur heißen, dass der Kiel feststeckt: er schneidet sich mühsam seinen Weg durch den Schlick. Die Anweisung mit dem Anlegen am Schwimmsteg war für unser Kielboot also kein so guter Tipp.

Das Boot schwimmt sich letztlich frei und wir steuern rückwärts in die zugewiesene Box zwischen zwei Dalben. Der Marinero nimmt unsere Achterleinen entgegen und weist uns sofort darauf hin, dass wir unser Schiff mit den Vorleinen an den beiden Dalben festmachen müssen. Stimmt - das hatten wir bisher noch nicht, denn in Kroatien werden Murings für das Verzurren des Vorschiffs verwendet. Der Marinahelfer bleibt solange dabei, bis unsere Cleo schön ordentlich vertäut ist.

Grado: Strandspaziergang an der Costa Azzura

Grado: Strandspaziergang an der Costa Azzura

Die Marina begeistert uns vollends. Wir liegen absolut ruhig, auch über mehrere Tage. In der Nähe des Eingangs sind viele Grünpflanzen um einen Springbrunnen gruppiert, alles unter dem Schatten eines Hauses. Daneben stehen Sitzgelegenheiten aus Rattan. Wir fühlen uns fast wie nach Bali versetzt. Die sanitären Anlagen sind sehr ordentlich und sauber. Sogar das elektrische Licht geht beim Reingehen in die Räume automatisch an. Und das alles für nur vierzig Euro in der Hochsaison für unsere neun Meter dreißig lange Cleo. Nur ist relativ gemeint: natürlich sind vierzig Euro ein Haufen Geld für's Liegen in einer Marina. Doch verglichen mit den Preisen der meisten kroatischen Marinas ist es doch sehr günstig. Die letzte Marina in Kroatien, Vrsar, berechnete uns dreihundertdreiundvierzig Kuna die Nacht, das sind achtundvierzig Euro. In Mali Losinj war es dagegen recht günstig, wir bezahlten letztens ebenfalls nur vierzig Euro pro Nacht. Das dann allerdings neun Nächte lang wegen der langdauernden Reparatur. An die Marinapreise in Zadar (neunundfünfzig Euro bereits im Mai!), Korcula und ähnliche möchte ich gar nicht erst denken. Und es wird sich noch herausstellen, dass wir hier mit der Marina Porto San Vito eine der teuersten hier im Gebiet erwischt haben.

Eine Werkstatt ist ebenfalls vorhanden. Ich schlendere einfach mal so über das Werksgelände dieses Betriebes. Sieht alles top akkurat, aufgeräumt und sauber aus, obwohl die Schiffshandwerker an allen Ecken gerade fleißig zu Gange sind. Da wird sich unserer Vercharterer freuen, denn der will sich selbst um die Sache mit der Schiffsreparatur kümmern. So haben wir es vereinbart, denn der Blitzschaden soll korrekt repariert werden. Alles muss genauestens geprüft werden. Der Vercharterer weiß zu berichten, dass eine Woche zuvor ein Blitzeinschlag bei einem in Illovik liegendem Schiff unter anderem die Rumpf-Kiel-Verbindung beschädigt hatte.

So. Und jetzt ist die Zeit für eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die im Grunde bereits vom Blitz getroffen wurde. Sollen wir Cleo's Elektrik notdürftig flicken lassen, um mit dem Schiff schnell weiterziehen zu können? Was ist noch defekt, was nicht sofort sichtbar ist, uns nach unseren bisherigen Erfahrungen letztlich aber doch wieder einholen wird?

Das Schiff wird also länger auf dem Trockenen bleiben. Die ganze Palette: Gutachter, Versicherung, Reparatur, Abnahme, ...

Für uns bedeutet das: Segelreise beendet.

Cleo auf dem Trockendock in der Marina Porto San Vito

Cleo auf dem Trockendock in der Marina Porto San Vito

Und hat die Armbanduhr unter der zerbrochenen Leuchte über Claudia's Koje nicht auch ein deutliches Signal gegeben? Drei Minuten vor zwölf! Oder bin ich da zu abergläubisch?

Was würde denn um zwölf passieren, nach diesen "drei Minuten"? Nach all den Defekten, insbesondere mit dem Motor auf See, mit dem Anker, nach all den damit einhergehenden Schrecks, Unwohlfühlen und was weiß ich. Bis jetzt, das steht fest, wollen wir weitersegeln, immer weitersegeln. Es ist so schön!

Doch sollten wir den Bogen auch nicht überspannen. Wir wollen das diesjährige Super-Segeln so schön in Erinnerung behalten, wie es wirklich war. Und nicht von einer Serie von Defekten, die möglicherweise jetzt erst recht in Cleo stecken, uns alles verhageln lassen. Cleo sollte sich erst mal richtig "auskurieren". Und wir freuen uns schon auf den nächsten Segelurlaub im kommenden Jahr. Etwas kleiner zwar als dieses Jahr, das ist klar. Aber wieder mit Freude.

Und so machen wir es: unsere noch offenen Ziele in Slowenien und Italien werden wir mit dem PKW besuchen. Der steht jetzt noch in Mali Losinj, doch unser Vercharterer kommt von dort mit unserem Auto zu uns nach Grado, so dass wir wieder mobil sind.

Doch etwas fällt jetzt ins Wasser, worauf ich mich schon so gefreut hatte. Es sind die Ziele Pula mit den römischen Hinterlassenschaften wie dem berühmten Amphitheater. Und die nahe bei Pula gelegenen Brioni-Inseln mit dem Nationalpark. Das hätten wir laut Plan A bereits nach unserer Abfahrt von Mali Losinj Anfang August gemacht. Doch schnell stellten wir fest, dass die Gegend jetzt Hochsaison hat. Viele Italiener kommen übers Meer und verbringen ihren Urlaub in Kroatien, besonders auch in Istrien. Auf unserer Rückfahrt mit Cleo von Slowenien und Italien im September ist es dort anders, ruhiger. Diese Zeit wollten wir nutzen für Pula und Brioni. Doch diese Rückfahrt wird es nun nicht mehr geben.

Somit heben wir uns also mindestens ein großes kroatisches Ziel für eine spätere Reise auf.

© Thomas Lippert, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Über vier Monate im und am Meer unterwegs mit allem, was man sich wünschen kann: nette Menschen, wunderschöne Orte, gigantische Landschaften, herrliches Wetter... Und auch mit Einigem, was sich keiner wünscht: Segelschaden, Probleme mit dem Motor und schließlich einem Blitzschlag am Ankerplatz, der unseren Törn vorzeitig beendete. Auch die Vorbereitungen zu dieser Reise - Probleme mit dem Job, der Wohnung und anderen Dingen - werden thematisiert.
Details:
Aufbruch: 01.05.2009
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 30.09.2009
Reiseziele: Kroatien
Bosnien und Herzegowina
Montenegro
Italien
Slowenien
Der Autor
 
Thomas Lippert berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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