Wo Afrika Am Schönsten Ist
Großstadtleben
Lusaka, Sambia, 12.bis 16.06.2009
Gäbe es die goldene Anstecknadel des Fremdenverkehrsamtes in Lusaka für Langzeittouristen in dieser Stadt, ich wäre ein heißer Anwärter. Lusaka ist eher eine Transit-City. Fast alle Wege führen über diese Stadt und manche Touristen bleiben, um sich z.B. Visa für die Nachbarländer zu besorgen. Ich brauche die nicht, plane aber trotzdem ein paar Tage ein. Ich finde es eine gute Idee, zwischen zwei der absoluten Highlights, die Afrika zu bieten hat, einer Safari und den Viktoriafällen, mal etwas Pause zu machen, zu relaxen, etwas länger zu schlafen, eher ziellos durch die Straßen und über die Märkte streifen, in Cafes herumsitzen, Leute angucken, abends gut zu essen und etwas lokale Musik zu hören und, wenn möglich, auch zu sehen. Kurzum, der Kunst des Müßiggangs zu frönen. Wann hat man sonst schon mal Gelegenheit dazu? Und das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben, stellt sich auch nicht ein. Bedeutende Sehenswürdigkeiten, die man unbedingt besichtigt haben muss, besitzt Lusaka nicht.
Ich wohne verkehrstechnisch einigermaßen günstig und standesgemäß, im ältesten Hotel der Stadt, vormals ein Grand Hotel, heute recht betagt, höchstens Durchschnitt, daher aber für mich bezahlbar und direkt an der Cairo Road, der ersten Straße Lusakas überhaupt und nun Hauptverkehrsader im Zentrum, die parallel zur Bahnlinie verläuft und die Stadt von Nord nach Süd durchschneidet.
Hier finden sich, oft untergebracht in heruntergekommenen sozialistischen Hochhausbauten, das Hauptpostamt, Geschäfte, Büros, Supermärkte, Restaurants und Fast-Food-Center, Banken und Wechselstuben.
Kleine Episode am Rande: mit Staunen nehme ich die dortigen Wechselkurse zur Kenntnis. Die Differenz zwischen An- und Verkauf von Cash ist zwar überall fast gleich, für den Euro beträgt sie um die 200 ZMK (= sambische Kwacha). Aber die Höhe differiert beträchtlich. Die einen bieten 6800 / 7000, andere 6000 / 6200. Was heißt das? Man bekommt bei den ersteren für 1 Euro 6.800 Kwacha und braucht bei den letzteren nur 6.200 hinzugeben, um seinen Euro zurückzubekommen. Gebühren fallen nicht an. Bei der Transaktion könnte man also 600 ZMK als Gewinn einstreichen, also knapp 10% des eingesetzten Geldes. - Nein, selbst ausprobiert habe ich das nicht. Vielleicht gibt's einen Haken an der Sache. Wen es mal nach Lusaka verschlägt kann das ja testen und mir dann Bescheid geben.
Bei mir quasi um die Ecke, nach Westen hin, befinden sich die großen Straßenmärkte, in denen das gewohnte afrikanische Gewusel herrscht und die man herrlich durchstreifen kann. Zur anderen Seite, nach Osten, beginnt das Paradies für Autofahrer. Mit breiten, tadellos asphaltierten Avenuen, oft gesäumt von Bäumen. Fußgänger kamen bei der städtebaulichen Planung offenbar nicht vor. Die müssen alle Aufmerksamkeit darauf richten, sich auf den schmalen, holprigen Trampelpfaden am Straßenrand nicht die Haxen zu brechen. Aufpassen können sie allerdings auch, denn zu sehen gibt es hier - nichts. Außer vorwiegend hohen Mauern, hinter denen sich großflächig angelegte Ministerien, Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Unigebäude, Hauptsitze von großen Unternehmen und Hilfsorganisationen, Botschaften sowie die internationalen Hotelketten verbergen.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen, hier irgendetwas Interessantes zu entdecken gebe ich schließlich verschwitzt (ja, es ist immer noch Winter) und fußlahm auf und lasse mich per Taxi zu den eigentlichen Highlights Lusakas bringen, den Shopping Malls.
Ich wähle die beiden größten, neuesten und modernsten aus, Manda Hill und Arcades, die merkwürdigerweise fast in Blickweite zueinander liegen. Hier findet man neben einem großen Angebot an internationalen, aber vor allem südafrikanischen Ladenketten, Restaurants, Kinos, Internet-Cafes auch die Spezies, die man ansonsten weitgehend vergebens im Stadtbild Lusakas sucht: Weiße.
War ich auf den Märkten der einzige Weiße und selbst auf der geschäftigen Cairo Road einer von überraschend wenigen, ist in diesen Malls die Farbe Weiß fast dominierend. Geschäftsleute und deren Familien räumen die Regale von Shoprite leer und verfrachten alles in ihre geräumigen Geländewagen. Touristen stürmen die Internetcafes mit ihren superschnellen Verbindungen. Ohnehin schon elegant gekleidete schwarze Ladies kleiden sich in den schicken Modegeschäften neu ein, schwarze Jugendliche verbringen hier ihre Freizeit zwischen Schule und Heimfahrt.
Ich muss übrigens meiner unlustigen Rezeptionistin vom ersten Abend Abbitte leisten. Mein Hotel erweist sich tatsächlich als weitgehend ausgebucht. Am Wochenende finden einige internationale Sportveranstaltungen in Lusaka statt und die Nationalmannschaften diverser Nachbarländer sind im Lusaka Hotel einquartiert. In meinem Stockwerk sind die Frauenmannschaften untergebracht, aus Sambia, Botswana, Simbabwe u.a. Sämtliche Betten wurden ausgeräumt und stattdessen die Zimmer mit Matratzen ausgelegt, so dass in den Doppelzimmern vier, fünf oder sechs Personen hausen.
Ich weißer Touri und über 100 schwarze Girls ... was der geneigte Leser vielleicht etwas vorschnell als Männertraum ansieht erweist sich in der Realität eher als Albtraum. Ich habe noch nie so unruhig gewohnt und geschlafen! Getuschel, Gelächter auf den Fluren, Türen schlagen die ganze Nacht hindurch. Die Vorbereitung auf wichtige Spiele habe ich mir immer anders vorgestellt.
Nur eine Nacht habe ich meine Ruhe. Der Strom fällt aus und es ist duster. Das ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Sambia hat wie so viele andere Staaten auch massive Elektrizitätsprobleme. Ständig wird in ganzen Stadtvierteln der Strom gekappt. Ungewöhnlich nur dass es solange dauert bis er wieder verfügbar ist. Dieses Mal erst am nächsten Vormittag.
Dieses Schicksal ereilt mich in einer der mittlerweile auf dem ganzen schwarzen Kontinent zu findenden, beliebten Sportbars. Auf dem Rückweg zum Hotel schimpft mein Taxifahrer wie ein Rohrspatz auf die unfähige Regierung, die zwar genug Strom produzieren lässt, diesen aber lieber nach Südafrika verkauft und sich das Geld in die eigenen Taschen stopft anstatt die Bevölkerung vernünftig zu versorgen. Im Nachhinein stellt sich übrigens heraus, dass es an diesem Abend eine Explosion in einem Kraftwerk gab und ganz Sambia einen halben Tag ohne Stromversorgung bleibt.
Tatsächlich steht es nicht zum Besten im Lande. Die Wirtschaftskrise ereilt auch Sambia. Die fallenden Rohstoffpreise treffen vor allem den Copperbelt im Norden mit voller Wucht. Die Kupferminen können nicht mehr rentabel arbeiten, werden geschlossen und die Arbeiter entlassen. Besonders bitter in einem Kontinent wie Afrika, wo an einer Arbeitskraft durchschnittlich 10 Personen hängen, die mit einem Lohn versorgt werden müssen.
Kürzlich haben sich die Regierungsmitglieder eine saftige Gehaltserhöhung gegönnt und damit die Bevölkerung weiter gegen sich aufgebracht. Massenstreiks waren die Folge. Derzeit streikt das gesamte Gesundheitswesen. Die Hospitäler bleiben geschlossen, Kranke, selbst schwere Fälle, werden nicht mehr behandelt.
In nicht allzu weiter Entfernung vom Hotel befindet sich ein kleiner Straßenmarkt, vor einer ziemlich protzigen, etwas zu groß geratenen Kirche, den ich eines Morgens aufsuche. In großen Lettern steht am Eingangsbereich der Kirche zu lesen: "Jesus Christ is the Lord". Ich wurde gewarnt, ja nicht auf das Kirchenareal zu gehen und in der Umgebung sehr vorsichtig zu sein. Schon seit längerem erzählt man sich dass die Lehren Gottes hier recht eigenwillig ausgelegt werden, dass nicht jeder, der in die Kirche hinein geht auch wieder herauskommt und besonders Fremden und Ausländern besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Vor Kurzem sollen zwei Nigerianer, nackt und in Ketten, in einem Nebenraum gefunden worden sein. Es heißt, dass die Voodoo-Zeremonie unmittelbar bevor stand ... Mein Interesse ist angesichts solcher Erzählungen natürlich schnell geweckt, aber obwohl ich aufreizend oft an der Kirche auf und ab gehe, niemand erscheint und winkt mich hinein.
Fotos wage ich aber trotzdem nicht zu machen, erst später beider Vorbeifahrt aus dem Bus.
Überhaupt ist das Fotografieren in einer Stadt wie Lusaka keine Freude. Nicht nur weil es wenig Fotogenes gibt. Ich mag noch so dezent vorgehen, immer gibt es jemanden, der etwas dagegen hat. Selbst wenn er gar nicht auf dem Foto ist. Natürlich interessiert sich auch wieder die Polizei für mich. Könnte ja sein, dass ich von El-Kaida engagiert wurde, um lohnende Anschlagsziele in der Stadt auszuspionieren und fotografisch festzuhalten. Aber man bleibt freundlich und selbst meine bereits zurecht gerückten Geldscheine können in der Hosentasche verbleiben.
Aufbruch: | 03.06.2009 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 22.06.2009 |
Sambia
Simbabwe