Snapshots of India
Jeder Blick ein Foto
Der alte Flughafen empfing uns mit einer unheimlich niedrigen Decke. Irgendwie waren die Farben auf grau-gelb reduziert. Wir strömten zur Passkontrolle und mit einem saftigen Stempel weiter zum Gepäckband. Auf einer klapprigen Absperrung frühstückten dort einige Flughafenmitarbeiter aus dampfenden Töpfen, daneben stopfte man herausquellenden Kabelsalat in die niedrige Decke und ein Stück weiter wurde eifrig das Gepäck vom Ende des Bandes gefischt, um es dort zu stapeln, wo ein paar Kollegen gerade ein Nickerchen hielten.
Ein freundlicher Franzose schlug vor, sich ein Prepaid-Taxi nach Old Delhi zu teilen. Das war eine ausgezeichnete Idee, denn ich hatte ich gar keine Ahnung, wie es nun weitergehen sollte. Also schnell Geld gewechselt und eingetaucht in eine Wand aus Indern, die am Ausgang standen und uns den Blick aufs restliche Land versperrten.
Exit
Tausend Augenpaare in dunklen Gesichtern schauten uns entgegen, eingehüllt in bunte Gewänder, Turbane tanzten über dem Meer von Köpfen und Hände griffen nach uns während wir uns einen Weg bahnten. Fremde Wörter formten sich aus dem Gemurmel und unbekannte Gerüche umwehten meine Nase während wir endlich die bedrückende Decke des Flughafens hinter uns ließen und sich der wolkenverhangene Himmel zeigte, aus dem wir gerade gekommen waren.
Ich schwamm hinter dem Franzosen her, der wild handelnd diverse Gruppen von Leuten ansteuerte und mich schließlich zu einem der vielen Minibusse schob, in dem ich mich wenig später eingeklemmt zwischen Rucksäcken und Franzosen wieder fand, während sich unser Chauffeur wüst hupend einen Weg vom Parkplatz bahnte.
Exodus
Endlich auf der Strasse Richtung Delhi. Über uns graue Wolken, um uns indischer Alltag auf der Autobahn: Überall Kühe. Neben der Strasse. Auf dem Mittelstreifen. Auf der Strasse. Gemütlich kauend und durch den Strom aus Fußgängern, Fahrrädern, Rikschas, Mopeds, Autos, Bussen und Lastwagen trottend, die sich trotz der zwei markierten Spuren gleichzeitig in fünf Reihen überholten und dabei haarscharf am ganzen Elend dieses Landes vorbeirasten. An Slums, Hütten und Verschlägen, die wahllos über das dürre Land gewürfelt sind, an gesichtslosen Wohnblocks aus dessen glaslosen Fenstern Wäsche wie in Fetzen hängt. Alles grau-braun wie die Luft, einer Wolke aus Abgasen, Rauch und einem Geruch aus allem zusammen inklusive der öffentlichen Toilette, die überall ist. Dazwischen spielende Kinder auf dampfenden Müllhaufen, Frauen, die vor ihren notdürftig zusammen gezimmerten Wellblechhütten ihre Ziege melken, Männer, die mit riesigen Säcken auf dem Buckel irgendwas aufsammeln, Bettler, die in zerlumpten Kleidern die Hände nach dem Verkehr ausstrecken und überall kleine Feuerchen, an denen sich in Decken gehüllte Gestalten wärmen.
Jeder Blick war wie ein unglaubliches Foto, dass man betrachtet und an dessen Flut von Eindrücken und Details man schier ertrinkt und sich nicht satt sehen kann. Eine Stunde lang dauerte die Fahrt, eine Stunde mit einer Millionen Bildern und zwei Millionen Wörtern, die mein Franzose, der offensichtlich schon öfters hier war, über mich ergoss. Ich verstand eigentlich gar nichts.
Aufbruch: | 21.01.2005 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 22.02.2005 |