Snapshots of India
Im Kofferraum nach Jaipur
Der Morgen kam sehr schnell. Bereits um fünf Uhr saß ich auf der dunklen Strasse vor meinem Hotel und wartete auf den angekündigten Pickup Service. Nicht mal Kühe waren da. Die waren (wer hätte das gedacht?) in ihren Ställen und schliefen wahrscheinlich noch. Zwei Jungs aus Bangladesch gesellten sich zu mir. Wir warteten. Eineinhalb Stunden und viele Telefongespräche später brachte uns der Hotelmanager schließlich zum Abfahrtplatz. Er im Stechschritt voraus, wir mit Rucksack auf dem Buckel hinterher.
Old Delhi by night
Schnell noch einen dampfenden Chai zum Frühstück an der Schnellstrasse und dann rein in den Kofferraum eines Jeeps, der wohl schon länger auf uns wartete und bereits randvoll mit murrenden Indern war. Naja, so ein Kofferraum ist schon was feines und natürlich gab es dort auch einige Koffer und jetzt noch uns drei inklusive drei Rucksäcken. Ich verfluchte kurz den Verkäufer des Tickets und konzentrierte mich dann lieber darauf, nicht hinten rauszufallen, als der Jeep mit Vollgas losfuhr. Wenigstens wurde es uns nicht kalt, wir konnten uns zusammenkuscheln. Und die zwei Jungs aus Bangladesch waren sehr unterhaltsam als sie endlich mal wach waren. Genauso wie der Rest der Mannschaft, von denen ich im Laufe der Fahrt zalhreiche schlecht gestaltete Visitenkarten entgegennahm.
Die Fahrt dauerte fünf Stunden und führte auf einer gut ausgebauten Autobahn durch Rapsfelder. Ja, da hab ich gestaunt, so hatte ich mir Indien nicht vorgestellt. Nebel, Autobahn, Rapsfelder. Und draussen war es immer noch empfindlich kalt. Innen leider auch. Denn der junge Mann auf der Rückbank wollte sich einfach nicht davon überzeugen lassen, das Fenster geschlossen zu halten. Ständig kurbelte er es runter. Und zwar ganz runter. Unter wilden Protest der Mitfahrenden kurbelte er es anschliessend wieder hoch, um es drei Minuten später wieder runterzukurbeln. Das ging so lange, bis die Kurbel kaputt war. Blöderweise war die Scheibe gerade runtergekurbelt. Der Fahrer setzte seine Fahrt unbeirrt fort, wir im Kofferraum verwandelten uns langsam in Eisklötze und der Wagen neigte sich merklich zur Seite, während fünf Inder gleichzeitig an der Scheibe rumfummelten, bis das Problem endlich behoben war.
Pause im Rapsfeld...
...mit meinen beiden Begleitern aus Bangladesh.
Als wir schliesslich in Amber, einem Vorort von Jaipur ankamen, war von Nebel und Rapsfeldern nichts mehr übrig. Die Strasse war auch nicht mehr breit und leer sondern schmal und voll und die Sonne strahlte mit ihrer ganzen Kraft vom blauen Himmel auf die felsige Hügellandschaft. Kaum waren wir aus unserem Kofferraum gefallen, waren wir von Rikschafahrern umzingelt.
Ich verabschiedete mich von den Jungs und nahm dankbar ihre Einladung nach Bangladesch entgegen bevor ich mich in einen Verhandlungsmarathon mit den umstehenden Indern stürzte, den ich verlor und mich für einen viel zu hohen Preis die letzten Kilometer nach Jaipur fahren ließ.
Der Rikschafahrer war einer von der ganz lustigen Sorte. Dachte er jedenfalls. Nachdem er mir ein paar schmutzige Witze erzählt hatte, berichtete er von zahlreichen Liebesaffären mit Frauen aus Deutschland und da ich wohl nicht besonders überzeugt aussah, zählte er mir als Beweis zwei Duzend deutsche Städtenamen auf. Da mein Stirnrunzeln nicht verschwand, fuhr er fort mit zahlreichen Namen deutscher Politiker. Ich weiss auch nicht, von was genau er mich überzeugen wollte.
Jaipur sah auf den ersten Blick aus wie Delhi. Nur das Wetter war besser. Mörderischer Verkehr und Massen von Menschen, die sich dazwischen durchquetschen. Kaum blieben wir im Verkehr stecken, tauchten bettelnde Kinder aus dem Chaos auf. Mit traurigen, dunklen Augen sehen sie Dich an. Zupfen am Ärmel. Strecken ihre schmutzigen Hände nach Dir aus. Darauf kann man sich vorbereiten wie man will, es lässt einen nicht kalt. Man möchte helfen. Und kann doch nicht. Weil hinter diesem Schicksal so viele andere warten und man sich immer schlecht fühlt, egal ob man etwas gibt oder nicht. Man kann einfach nicht gerecht sein und allen helfen in einem so armen Land wie Indien...
Mein Fahrer ließ mich schliesslich widerwillig an dem Hotel meiner Wahl aussteigen. Er behauptete steif und fest, das Hotel sei ausgebucht und leider hatte er recht. Da stand ich nun im Staub und mein Chauffeur triumphierte. Ich beschloss auf eigene Faust eine andere Unterkunft zu finden und marschierte in die gefühlt richtige Richtung los, während mich der Fahrer verfolgte und auf mich einredete, ich solle doch wieder einsteigen. Alles würde gut werden und morgen zeigt er mir die Stadt (und verdient einen Haufen Geld durch die ganzen Kommissionen, die er kassiert).
Er blieb im Verkehr stecken. Und ich in einem Haufen Scheisse. Die Strasse zu meiner neuen Bleibe schien so eine Art öffentliche Latrine zu sein und es stank erbärmlich. Aber das Hotel war klasse, auch wenn der Boy (der sich gerne Chef nannte) mich am Ende übelst mit der Rechnung verarschte. Aber zunächst war ich froh, allen Rikschafahrern dieser Welt entkommen zu sein und ein Zimmer zu haben. Den restlichen Tag verbrachte ich in der wärmenden Sonne auf der schönen Dachterasse.
Aufbruch: | 21.01.2005 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 22.02.2005 |