Snapshots of India
Sonntag in Delhi
Immernoch kalt. Immernoch nass. Ich setzte mich in ein Restaurant an der Main Bazar Road und gönnte mir zum Frühstück einen Masala Dosa. Bald gesellten sich einige andere Reisende zu mir und gespannt beobachteten wir den Strom der Passanten, von denen immer mal wieder einer in das knietiefe Schlammloch trat, dass sich durch den Regen genau vor dem Eingang des Restaurants gebildet hatte. Bevorzugt Touristen. Turnschuhe wurden ruiniert. Badeschlappen gingen verloren. Und der Vormittag verging recht amüsant.
Dieser freundliche junge Mann weiss, wohin er treten muss.
Gegen Mittag war endlich Schluss mit Regen. Passend zum Wochentag kam die Sonne heraus und ließ die Stadt dampfen und stinken. Ich entschloss mich, Delhi zu erkunden und spazierte erneut Richtung Railway Station. Diesmal überquerte ich todesmutig die Hauptstrasse und bemerkte erst, als ich lebend auf der anderen Seite ankam, dass der Verkehr im Vergleich zu gestern so gut wie nicht vorhanden war. Die Strasse war für indische Verhältnisse leer. Autofreier Sonntag!
Per Geisterbahn ging es zum Red Fort. Also per Fahrrad-Rikscha. Wir rasten von Hindernis zu Hindernis durch Delhi und knickten jeweils im aller-aller-allerletzten Moment scharf ab, um aufs nächste Hindernis zuzurasen. Mein Herz! Bergab beschleunigte der Fahrer, bis er fast vom Rad fiel. Bergauf quälte er sich, bis seine dünnen Beine drohten abzubrechen. Sein Herz!
Das rote Fort hatte geschlossen. Vielleicht weil autofreier Sonntag war. Dafür gab es einen fetten Markt, wo es haufenweise bunte Kleidung, Plastikschnickschnack und Heiligenbildchen gab. Daneben gab es Straßenstände, an denen ich mein kulinarisches Wissen ausbaute: Da gab es hervorragende Pakoras (mit Gemüse und Kartoffeln gefüllte, frittierte Teigtaschen), Samosas (wie Pakoras, nur dreieckig statt rund) und zum Nachtisch eine Palette an Süßigkeiten, die sehr klebrig und bunt waren und ihrem Namen alle Ehre machten. Indische Zahnärzte müssen viel zu tun haben.
Die matschigen Strassen verwandelten sich langsam zu Lehmwegen auf denen ich im Laufe des Nachmittags einige "Sehenswürdigkeiten" erreichte, die mich allerdings weniger beeindruckten als die Wege dorthin. Positiv wie negativ.
Denn die Gegenden abseits der Touristenattraktionen waren oft sehr bedrückend. An dicht befahrenen Strassen hausten Massen von Menschen auf dem Bürgersteig, in Lumpen gekleidete Gestalten schliefen auf Verkehrsinseln und in schmutzigen Winkeln unter bebenden Autobahnbrücken. Es war unheimlich, wie schnell sich das Bild der Stadt veränderte, sobald man die Hauptstrassen verließ. Nur wenige Schritte trennten die geschäftigen Strassen von einer elenden Welt aus Müll, Wellblech und zerlumpten Gestalten unter einer Glocke aus beißendem Qualm, vom verbrannten Plastik der Feuer, an dem sie sich wärmten.
Der schöne Connaught Place
Das hier wird mal die Metro von Delhi
Und hierher geht man, wenn man krank ist.
Gegen Abend war der Regen wieder da und ich verzog mich in ein kleines Internetcafe.
Ein paar vergilbte Computer aus dem letzten Jahrhundert tuckerten hier in einem klitzekleinen Raum friedlich vor sich hin. Ich zwängte mich hinter einen der Bildschirme und versuchte auf der Tastatur ohne Buchstaben eine E-Mail zu schreiben. Das scheiterte, denn das Netz brach beim Abschicken der Mail zusammen. Statt sich meiner Beschwerde anzunehmen schlug der freundliche Chef vor, mir lieber ein Busticket nach Agra zu verkaufen. Daraufhin lud er mich in sein "Büro" im oberen Stockwerk ein, wo wir beide mit viel Glück hineinpassten und er es irgendwie schaffte eine riesige Indienkarte zwischen uns zu entfalten.
Es war ein bisschen wie beim kleinen Hobbit zu Hause. Der Regen trommelte gemütlich gegen das kleine Fenster, ich wusste nicht so recht wohin mit meinen Beinen und mein Gegenüber erzählte mir lange Geschichten über sein geliebtes Land. Meine bis dahin noch sehr ungenaue Reiseroute nahm langsam Formen an und ich entschied mich - sehr zum Entsetzen meines Gesprächspartners - Agra und somit den Taj Mahal nicht zu besuchen, sondern gleich Richtung Rajasthan zu reisen. Wüste. Burgen. Stolze Menschen.
Nach zwei sehr informativen und unterhaltsamen Stunden buchte ich eine Fahrt nach Jaipur. Und die begann am nächsten Morgen.
Da sitzt man gemütlich bei einem Tee und dann sowas!
Aufbruch: | 21.01.2005 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 22.02.2005 |