The eye of the tiger - Indien 2010/2011
Von Vijaywada nach Hampi
2010-12-04: Vijayawada
Nachdem ich ausgeschlafen und frisch geduscht an die Hotel-Reception komme kann meine Wäsche, die eigentlich gestern schon hätte fertig sein sollen doch noch aufgefunden werden. Die Hälfte davon ist zwar noch feucht, riecht aber wieder richtig gut. Von den 1'000 Rs, die ich für ein Zimmer das 600 Rs teure Zimmer bezahlen musste will mir der Typ hinter dem Tresen nur noch 300 Rs zurückgeben mit der Begründung zusätzlicher Steuern. Mir ist das Zimmer jedoch so schon viel zu teuer und diskutiere deshalb recht energisch - und letztlich auch erfolgreich.
Nachdem ich meinen Rucksack im Cloakroom am Bahnhof deponiert habe geht's zurück in die Stadt, die meiste Zeit verbringe ich heute irgendwo im Internet. Dazwischen geht's immer wieder raus auf die Strassen, wo ich durch die verschiedenen Küchen und Süssigkeitenstände schlemme.
Kurz vor sieben geht's dann mit dem Nachtzug weiter nach Hospet. Diesmal in einem 2AC Wagen. Die Klimaanlage ist hier noch einen Tick kälter eingestellt und mit meiner Sitz- bzw. Schlafplatznummer 2 habe ich auch den Supertreffer gezogen. Es ist zwar das obere Bett, auf dem ich normalerweise meine langen Haxen ungestört bis in den Gang strecken kann, diesmal befindet sich aber genau da die Tür zum nächsten Wagen, die mir dann auch ca. 20x die ganze Nacht an die Füsse schlägt. Ausserdem ist direkt über dem Platz auch der einzige Auslass der Klimaanlage, der nicht zugemacht werden kann. Ich schlafe also mit allem was ich anzuziehen habe (die Wolldecke brauche ich schliesslich als Unterlage auf der harten Matratze) wie in einem Biwak auf einer Bergtour. Davor bekomme ich aber noch ein leckeres Indisches Nachtessen von der Familie, die im gleichen Abteil mitfährt. Die Eltern sind beide Bahnangestellte, die mit ihrer Tochter, die etwa gleich alt ist wie ich unterwegs ins Wochenende ist. Wir unterhalten uns gut, nachdem sie gleich festhält, dass sie mit mir redet wie mit einem Bruder - ist also nichts zu wollen bei ihr Gleichzeitig telefoniert ihr Vater kurz, aber recht lautstark wie alle Inder am Handy. Ander nächsten Station steigt ein junger Mann zu, der Bruder meiner Sitznachbarin. Er bringt für alle - auch für mich - Nachtessen, das der Vater zuvor am Telefon bestellt hat. Wieder einmal eine spontane, nette Begegnung wie sie wohl bei einer Pauschalreise kaum zustandekommen würde.
2010-12-05: Hampi
Nachdem ich an den unzähligen Rikschafahrern, die auch frühmorgens schon am Bahnhof auf neue Touristen lauern, vorbei bin geht's zu Fuss zum Busbahnhof. Eine Strecke, die einem die Rikschafahrer für 10 Rs anbieten kann man getrost in ein paar Minuten zu Fuss bewältigen - auch mit Vollpackung. Die Typen sind aber wirklich hatnäckig. Sogar am Busbahnhof selber reden sie noch unaufhörlich auf einen ein, obwohl sie wissen, dass sie für die Fahrt etwa 10x mehr verlangen als das Busticket kostet. Der eine, der mich dann sogar gratis nach Hampi fahren wollte, wollte dann aber auch schnell nichts mehr von mir wissen, als ich ihm vorschwindelte, schon ein Hotel zu haben in Hampi.
Im gleichen Bus fährt dann auch Quinn aus Kalifornien mit. Kaum haben wir in Hampi die ruhigere Seite des Flusses erreicht treffen wir Adam aus Belgien, mit dem wir gleich Ross aus Schottland wecken gehen. Die drei haben sich vor ein paar Tagen an der Westküste kennengelernt und sind alle gleich erstaunt, sich hier wieder sehen. Adam empfiehlt uns auch gleich das Guesthouse auf der anderen Seite des Hügels in dem er selber wohnt: Babas Space Café. Der Name ist hier Programm, das stellen wir gleich fest, als wir Baba sehen. Dazu aber später noch mehr. Die Zimmer befinden in der einfachen Lehm- Kuhmist -Hütte mit dem Palmblatt-Dach gleich neben dem Café. Sie haben nichts als ein einfaches Bett mit einer ziemlich dünnen Matratze zu bieten - und ganz viel Ruhe natürlich. Das Moskitonetz ist schnell aufgehängt und so kann es zurückgehen ins Dorf für einen Chai und einen Snack im Shesh-Besh, bevor wir wieder durch die Felsen Richtung Babas gehen, wo auch erste Kletterversuche gestartet werden. Die Landschaft hier ist einfach phantastisch - ich habe noch nie so etwas gesehen. Das Nachtessen wird von Babas Tochter frisch zubereitet und schmeckt sehr gut. Es ist ein bunter Querschnitt durch die indische Küche. Nach dem Essen gibts eine Runde "Old Monk" ein indischer Rum für alle. Baba kifft was das Zeug hält während er uns sein Schicksal des letzten halben Jahres erzählt. Er berichtet traurig von den Unfall bei dem er seinen Sohn, zwei Tage später seine Frau und ein paar Tage später seine Frau verloren hat. Sohn und Frau seinen mit Kerosin aus den Kochern überschüttet mit schweren Verbrennungen im Spital gestorben und seine Mutter danach an einem Herzinfarkt als sie davon erfahren habe.
2010-12-06: Hampi
Nach einer trotz der harten Unterlage sehr erholsamen Nacht wird der Tag mit Chai eingeläutet. Nach dem Frühstück gibts statt einer Dusche aus dem Eimer in der kleinen Kabine hinter Babas Haus ein erfrischendes Bad im Fluss, bevor es zu den beiden grossen Steinen auf der anderen Seite von Babas Cafe geht. Hier hat der (für mich zwar nicht) bekannte Kletterer Chris Sharma einige Videoclips gedreht. Weiter gehts dann wieder in die Felsen Richtung Hampi. Mit der Hilfe - und den Kletterschuhen - von Ross gelingt es mir auch den immerhin fast fünf Meter hohen Felsbrocken zu erklimmen und da oben über die anderen Felsblöcke auf Erkundungstour zu gehen. Die Schlange (eine Kobra?), die Ross zuvor beim Abstieg gesehen hat ist bereits weit weg. Zwischen den Felsen treffen wir auf weitere Kletterer bzw. deren Bewunderer. Abends treffen wir uns alle wieder im Blue Eye Guesthouse zur angekündigten grossen BBQ-Party - ausser uns ist zwar sonst niemand da - es wird aber trotzdem ein langer und gemütlicher Abend. Zurück zu Baba gehts dann um den Hügel mit dem Töffli, das Adam für ein paar Tage gemietet hat.
Hier logiert man in der Ruhe der Natur, isst wunderbar und den Space-Ausflug gibts auf Wunsch dazu.
Ganz rechts: Baba höchstpersönlich.
2010-12-07: Hampi
Heute war Ausschlafen angesagt. Danach folgt ein weiterer entspannter Tag wie er typisch ist für Hampi. Auch heute treffen wir wieder neue Leute überall bei den Kletterfelsen.
Tägliches Umschichten des geernteten Reises damit es gut trocknet.
Eine Pause ist da immer willkommen.
Wäsche waschen ist hier noch ein richtiger Knochenjob!
Ich weiss, das ist es ja zu Hause auch - bitte nicht böse sein, Mami.
Sophie und Baldwin aus Belgien. Sind schon einige Zeit unterwegs und inzwischen schon in Kuala Lumpur.
Unzählige Kletterübungen in den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden. Zu finden im lokalen Guidebuch oder an den weissen Magnesiumflecken an den Felsen.
2010-12-08: Hampi
Heute gings früh aus den Federn! Adam und ich sind zum Hanuman-Tempel hochgelaufen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Babas Guesthouse liegt schon fast am Fuss des Anjanadri-Hügels, von wo aus nur noch die ca 700 Stufen bis zum Tempel zu erklimmen sind. Der Sonnenuntergang hat sich dann allerdings etwas geziert und hat sich hinter einer fast geschlossenen Wolkendecke versteckt. Eswar aber trotzdem der Beginn eines wunderschönen Tages. Die Wolkendecke ist Richtung Westen weitergezogen und hat einem strahlend blauen Himmel Platz gemacht. Die Affen, die natürlich zu Hanuman (Gott mit vier Armen und Gesicht eines Affen) gehören sind sich sehr Wohl ihres Status bewusst und entsprechend frech. Bananen, die einem überall auf dem Weg nach oben angeboten wurden waren recht schnell weg. Und auch ein Fotoapparat ist recht interessant und man kann ja mal am Objektiv ziehen und schauen, ob man das Teil mitnehmen kann.
Um sieben waren wir bereits zurück bei Baba zum Frühstück. Auch Baba selber ist schon auf und genehmigt sich bereits sein Frühstück - er qualmt bereits was das Zeug hält - ist halt ein Space-Café
Nachmittags ziehen wir um, etwas näher ans Geschehen, wieder auf die andere Seite des Hügels nach Hampi. Bleiben allerdings immer noch auf der etwas relaxteren Seite des Flusses in Virupapur Gaddi. Zum Sonnenuntergang gehts wieder in die Boulders.
2010-12-09: Hampi
Von den Tempeln und Ruinen in Hampi habe ich bisher noch nicht viel gesehen. Das soll sich heute ändern. Mit den zwei Italienern Giorgio und Daniele gehts rüber zum Hampi Bazaar. Am Haupttempel vorbei - dafür müsste man ganze 2 Rs Eintritt bezahlen und 50 Rs für die Erlaubnis zu fotografieren - gehts zum Vittala-Tempel und weiteren Ruinen der Stadt aus dem 16. Jahrhundert. Hampi war damals die Hauptstadt eines der grössten Hindureiche und hatte einen Durchmesser von über 60 km.
Am späteren Nachmittag fahren Daniele und ich mit seiner Royal Enfield zu Babas um Chai zu trinken und den Sonnenuntergang anzuschauen.
Später gehts ins Blue Eye zum Nachtessen mit einigen Leuten, die wir in den letzten Tagen beim Klettern getroffen haben.
So wurden früher die Felsen in bearbeitbare Blöcke gespalten.
In die Löcher wurde trockenes Holz gekeilt, das danach gewässert wurde und den Stein durch die Ausdehnung gespalten hat.
2010-12-10: Hampi
Heute ist grosser Waschtag angesagt. Sowohl die Kleider als auch ich selber sollen wieder einmal etwas besser riechen. Fazit: Ich werde die Arbeit der Waschmaschine zu Hause in Zukunft mehr zu schätzen wissen. Während die Wäsche trocknet ergibt sich ein Gespräch mit dem Besitzer der Hütten in denen ich wohne. Hampi und das Gebiet darum herum sind im UNESCO-Verzeichnis der Weltkulturgüter. Das hat bestimmt seine Berechtigung und dass einige der Ruinen von Einheimischen besiedelt werden - das Polizeigebäude unter anderem - ist sicherlich eher ungewöhnlich. Dass aber die Lodges auf der anderen Flussseite vor den Felsen vertrieben werden leuchten weder dem Hotelier noch mir so richtig ein. Insbesondere, da viele Hütten wie die in der ich wohne sehr ökologisch gebaut sind. Die Wände sind aus Lehm mit Bambus- oder Palmblattverstärkungen und die Dächer ebenfalls aus Palmblättern gefertigt. Auch die sonstigen Emissionen sind wohl nicht ganz auf europäischem Standard, gegenüber anderswo in Indien aber fast vernachlässigbar. Wahrscheinlich gehts aber auch hier einmal mehr nur um (Schmier-) Geld und Macht.
Am Mittag gehe ich mit Daniele ins Shesh Besh, dort soll ich heute tatsächlich die Royal Enfield zum ausprobieren bekommen! Ich freue mich schon riesig. Die Royal Enfield Bullet ist das legendäre Motorrad, das schon die britische Armee in Indien benutzt und auch heute noch gebaut wird. Es ist ein wahrer Traktor und nicht kaputt zu kriegen. Das Original hat keine Elektronik und kann deshalb auch selbständig immer wieder repariert werden. Da es ursprünglich ein britisches Motorrad ist befindet sich alles auf der "falschen" Seite. Der Lenker ist zwar noch gleich wie bei den gewohnten Motorrädern, Kupplung links, Vorderbremse rechts. Unten fängt das Umdenken aber an. Die Bremse ist links, die Gänge werden mit dem rechten Fuss eingelegt, wobe der erste Gang oben und die Gänge 3 bis 4 unten liegen. Schon das starten ist ein Erlebnis. Erst muss der Strom für die Zündung durch einen Kick gemacht werden. Danach wird der Schalter umgelegt, der zweite Kick um den Motor zu starten muss recht langsam und gefühlvoll erfolgen. Wenn die Enfield dann mal läuft kommt ein Lächeln automatisch aufs Gesicht. Der nur 350 ccm grosse Einzylinder hat einen Sound wie eine dicke Harley - phantastisch! Zusammen mit Daniele geniesse ich die kleine Ausfahrt, die eigentlich mehr aus Fotos machen als aus Motorradfahren besteht - den indischen Strassen sei dank.
Nach einem guen Nachtessen im Blue Eye taucht plötzlich die Idee auf, ein Lagerfeuer unten am Fluss wäre bestimmt sehr gemütlich. Gesagt, getan kurz darauf flackert ein Feuerchen zwischen den Steinen und wir trinken noch den Rest Cola mit Old Monk.
Orion ist auch hier zu sehen. Allerdings das einzige Sternbild das ich gefunden habe.
Mit den Berichten bin ich etwas ins Hintertreffen geraten. Inzwischen ist Linda in Chennai angekommen und wir haben gemeinsam bereits das Indira Gandhi Wildlife Sanctuary besucht und sind nun schon in Madurai. Genaueres davon aber später.
Liebe Grüsse von uns beiden aus Madurai.
Aufbruch: | 14.11.2010 |
Dauer: | 9 Wochen |
Heimkehr: | 15.01.2011 |