Patagonien - Weite mit dem Rad erfahren
Der Start in Puerto Montt
Selten war eine Anreise so problemlos, wie auf dieser Reise! In Hamburg in Rekordzeit eingecheckt (von der Ankunft am Flughafen bis zum Gepaeck aufgeben max. 10 Min.) und das alles nach dem Fielmann-Motto - keine Pfennig dazu gezahlt. Man sagt sonst, auf hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand - bei Air France scheint man auch nicht weit davon entfernt zu sein, weil die Preisangaben fuer den Fahrradtransport vorher zwischen 55 und 300 Euro schwankten. Auf der Langstrecke von Paris nach Santigo nahm der Mensch gewordene Haegar der Schreckliche neben mir Platz - uebergewichtig, platzraubend und mit unangenehmen Koerpergeruch! Herzlichen Glueckwunsch. Aber irgendwie hatte eine Stewardess kurz nach dem Start ein Erbarmen mit mir und setzte einen anderen Gast neben mich, der auf seinen gebuchten Fensterplatz bestand - gerade noch mal gut gegangen. Zwischenlandung in Santigo, Gepaeck erneut einchecken weiter nach Puerto Montt. Dort nehme ich alles puenktlich, vollstaendig und heil in Empfang. Vor dem Flughafen dann das Uebliche - Fahrrad zusammenschrauben und alles in die Packtaschen verstauen.
Was Air France und LAN Chile nicht geschafft habe, erledige ich diesmal selbst, naemlich mein Fahrrad beim Montieren zu beschaedigen. Zu viel Krafttraining muss nicht immer Vorteile haben - das Fingerspitzengefuehl leidet und so reisse ich der alten Weisheit folgend "Nach Fest kommt Ab" die Schnellspannachse des Vorderrades ab. Basis-Spanisch und Zeichensprache setzten eine Taxifahrer in Bewegung, mir ein Ersatzteil zu besorgen. Er ist knapp eine Stunde beschaeftigt und als ich fast fertig bin, kommt er mit dem richtigen Teil zurueck. Der Spass hat mich einschliesslich Ersatzteil, Fahrt und Trinkgeld 10.000 Pesos gekostet - ca. 15 Euro. Alles wird gut.
Ich fahre die 20 Kilometer vom Flugplatz in die Stadt, suche mir ein Zimmer in einem Hostal und abends sitze ich am Hafen und esse pazifischen Fisch!
Puerto Montt ist wirklich kein Ort, der einem zum Verweilen einlaedt. Auch auf den zweiten Blick nach zwei Jahren kann ich dieser Stadt nichts abgewinnen. Umso aergerlicher ist es, dass in der Nacht stuermische Winde aufkommen und am Morgen auch noch Starkregen dazu kommt. Also verlaengere ich und bleibe eine zweite Nacht.
Am Mittwoch ist es dann so weit, dass ich die Stadt auf der Panamericana, die hier als Autobahn ausgebaut ist, in Richtung Norden verlasse. Ich moechte den Lago Llanquihue umrunden - eigentlich nur wegen des Vulcano Osorno, der einer der schoensten von Chile sein soll und den ich vor zwei Jahren nur vom Bus aus gesehen habe. Aber wie in einer Burka verschleiert sich der Vulkan mit Wolken und entzieht sich so den Blicken des radelnden Touristen. Nur einmal kann ich einen Blick auf die Spitze des Vulkans erhaschen - ein sehr schwacher Trost.
Abends auf dem Campingplatz direkt am See ist dann internationaler Radfahrertreff. Nicht weniger als 12 Radreisende haben sich hier versammelt - Chilenen, Deutsche, ein Franzose, eine Mexikanerin und ein Brasilianer. Und wieder einmal gehoere ich mit meinen zwei Monaten Zeit zu den Kurzreisenden.
Die Gegend um Puerto Montt ist sehr stark von deutschen Aussiedlern gepraegt. Zeugnis hierfuer ist nicht nur das Denkmal fuer die deutschen Einwanderer am Hafen von Puerto Montt, sondern auch die Orte am Lago Llanquihue sind sehr stark deutsch gepraegt. Baustil der Haeuser, die Namen, deutsche Vereine und Feuerwehr und vieles mehr. Und auch ein deutscher Kuchenladen, an dem ich natuerlich nicht vorbei komme...
Das deutsche Wort Kuchen hat tatsaechlich Eingang in das chilenische Spanisch gefunden. Aber hier werden in einer unglaublichen Auswahl von einem deutschstaemmigen Baecker Torten feilgeboten.
Ich verabschiede mich ein bisschen enttaeuscht vom Lago Llanquihue, hat er mir doch nicht die Aussichten gebracht, die ich erhofft hatte. So sind nur ca. 2000 Hoehenmeter zusammengekommen und die Beine gewoehnen sich so langsam an die Anstrengungen. Mein Weg fuehrt mich jetzt fast 100 km an einem Fjord entlang, dessen Namen ich nicht in Erfahrung bringen konnte. Die Schotterstrasse ist schwer zu fahren, weil es nicht besonders hoch geht, aber immer wieder fordern mich kurze und giftige Anstiege. Dafuer muessen die Landschaft und die Strasse ein Traum sein - jedenfalls wenn nach den Eindruecken, die ich bei truebem Wetter und tief haengenden Wolken bekomme. Die letzten 20 km vor der Rampa Puelche sind spektakulaer. Hier ist die Strasse foermlich in den Fels gehauen und ueppiges Gruen wuchtert an den Berghaengen. Aber gerade dieser Abschnitt ist total verregnet und an der Rampa Puelche baue ich mein Zelt bei stroemenden Regen auf und auch heute Morgen regnet es noch immer und so kommt das Zelt mit viel Wasser in die Packtaschen. Nie zuvor habe ich so intensiv betriebenen Aquakultur gesehen, wie in diesem Fjord. Ein Wasserfarm folgt der naechsten beidseits der Ufer. Es werden Fisch und Muscheln gezuechtet. Es ist zu befuerchten, dass die Wasserqualitaet dadurch stark leidet, zumal die chilenischen Fischzuechter nicht fuer ihren sparsamen Umgang mit Antibiotika bekannt sind. Andererseits erspart der regelmaessige Genuss dieser Produkte wahrscheinlich die Einnahme anderer Medikamente...
Heute habe ich Hornopirén erreicht. Da die Nationalstrasse 7, die Carreterra Austral, auf der ich mich jetzt Richtung Sueden bis zu ihrem Ende bewege, keine durchgaengige Landverbindung im chilenischen Teil Patagoniens darstellt, obwohl es ueber grosse Strecken die einzige Strasse ist, muss ich von hier eine Faehre nehmen. Bei meiner Ankunft war fuer die Fahrt morgen kein Platz mehr vorhanden - ausgebucht. So stehe ich auf der Warteliste und werde rechtzeitig am Anleger stehen, um mit Glueck noch einen Platz zu ergattern. Ansonsten verbringe ich hier eine weiteren Tag. Die Beine werde es danken, der Ort laedt allerdings nicht dazu ein, laenger als noetig zu bleiben. Ihr koennt mir ja mal die Daumen druecken.
Auch wenn ich viel ueber Regen geschrieben habe, den obligatorischen Sonnebrand am Anfang einer jeden Reise habe ich mir auch schon weggeholt, denn ueberwiegend waren die Bedingungen zum Rad fahren gut
Aufbruch: | 16.01.2011 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 15.03.2011 |
Argentinien