Patagonien - Weite mit dem Rad erfahren

Reisezeit: Januar - März 2011  |  von Jörn Tietje

Pampa - so weit das Auge reicht

Am Sonntagmorgen verlasse ich El Chalten Richtung Osten. Die Berge sind Wolken verhangen und so bleibe ich nicht einmal an dem Mirador stehen, von dem man den wohl spektakulaersten Blick auf den Monte Fitz Roy und seine Nachbarn bei Sonnenaufgang hat.
Kaum hat man den Ort verlassen, ist man in der endlosen Weite der Pampa. Erst noch von Bergen umrahmt und mit dem Lago Viedma zur Rechten, dann nur noch leere Landschaft. Ich habe es so gewollt - der Titel dieser Reise ist ja auch ein Teil des Programms. Ich habe starken Rueckenwind und ueber etwa 140 km funkelnagelneuen Asphalt. Dann biege ich aber von der Ruta 40 ab auf die Nationalstrasse 288. Das bedeutet Schotter, aber der Rueckenwind bleibt mir erhalten. Und er wird immer staerker. Der Windmesser verraet Basiswind der Staerke 7 mit Sturmboen der Staerke 8.
In Tres Lagos, dem einzigen Ort unterwegs, habe ich bei der Polizei noch einmal Wasser mitgenommen und so kann ich gelassen der Nacht entgegenfahren. Etwas anderes bleibt hier ohnhin nicht zu tun. Es gibt nur ein Problem: Bei dem Wind kann ich das Zelt nicht ohne Schutz in der Weite aufbauen! Und Schutz gibt es hier nicht. Es dauert lange, bis sich ein paar Dornenbuesche am Strassenrand zeigen, hinter die ich mich verkrieche. Der Dung von Pferden und Schafen verraet, dass ich nicht der einzige bin, der diese seltene Deckung nutzt. 223 km hat mich der Wind geschoben! Tagesrekord! und davon auch noch ein ziemlich grosser Teil auf schlechtem Schotter. Elf Stunden im Sattel und ich fuehle mich gut. Es ist unglaublich, welche beruhigende Wirkung diese Landschaft ausuebt, wenn man genug Wasser und Lebensmittel dabei hat und nicht gegen den Wind kaempfen muss. Hier auf diesem Teil der Querung hin zur Atlantikkueste gibt es nicht einmal die sonst ueblichen Zaeune, die sonst die Strassen saeumen. Es ist mir ein Raetsel, wie die Eigentuemer in dieser Weite die Schafe wiederfinden, die das Grau der Landschaft annehmen.

Am naechsten Morgen hat der Wind nachgelassen und ich kann das Zelt in Ruhe abbauen. Was dann kommt, habe ich aber noch nicht erlebt! Der Wind findet mich wieder und schiebt mich vor sich her. 8 - 9 Windstaerken! Jede andere Windrichtung als direkt von hinten wuerde das Fahren unmoeglich machen! 10 km bewege ich die Pedalen nicht eine einzige Umdrehung und werde mit 30 - 45 km/h geschoben! Auf Schotter! Selbst kleine Anstiege verringern die Geschwindigkeit auf immer noch flotte 20 km/h. Trotz aller Konzentration und trotz Bremsens zerreisst es mir dann doch den hinteren Schlauch. Also wieder Schutz hinter einem Dornenbusch suchen und flicken. Der Wind hat sich ausgetobt und bei Sonnenschein geht es etwas langsamer voran. Voellig ueberraschend gerate ich in eine 74 km lange Baustelle. Neben der alten Strassen wird eine neue Trasse in die Landschaft gebaut in einer Breite, als solle hier eine sechsstreifige Autobahn entstehen. Dabei fahren hier so wenige Fahrzeuge, dass man sie in der Stunde an den Fingern einer Hand abzaehlen kann. 40 km vor Puerto Piedra Buena ist die Strasse fertig und ich fahre wieder auf Asphalt den Rest der Tagesetappe. Nach nur zwei Tagen bin ich an der Ruta 3 angekommen. Und der Ort ist auch noch eine positive Ueberraschung. Ich finde zudem noch einen Supermarkt, der mich nach den Einkaufsmoeglichkeiten der letzten Wochen quasi in ein Schlaraffenland versetzt - frisches Obst und Gemuese, Backwaren und, und, und in bester Qualitaet und reicher Auswahl.
Am naechsten Morgen fahre ich dann auf der Ruta 3 in Richtung Norden - immer geradeaus. Es ist unglaublich, wie lange man einen LKW sieht, bis er irgendwann hinter dem Horizont verschwindet. Der Wind bleibt hilfreich, nur der Verkehr ist laestig bis gefaehrlich, insbesondere, wenn sich die wenigen Fahrzeuge auf meiner Hoehe begegnen oder ueberholen. Und wenn ein LKW entgegenkommt, hat man das Gefuehl, gegen eine Wand zu fahren.

Am Ende des Tages habe ich 500 km Pampa in drei Tagen hinter mich gebracht und bin in Puerto San Julian angekommen. Ich stehe vor der Entscheidung, weiter durch diese Landschaft zu fahren, ober einen Bus zu nehmen. Bis nach Puerto Madryn, wo ich auf die Peninsula Valdéz abbiegen will, sind es ca. 800 km. Wenn es gut laeuft fuenf Tage, wenn's schlecht laeuft zehn oder mehr. Ich entscheide mich fuer den Bus. Ich habe noch vier Wochen und will nicht einen grossen Teil damit verbringen durch eine immer gleiche Landschaft ohne Abwechselung zu fahren. Der Fahrradtransport ist ein Problem. Die Busse sind voll und damit ist kein Platz im Gepaeckabteil. Erst nachts um 03.00 Uhr bekomme ich einen Bus, der mit in 12 Stunden in das heisse, sonnige und von Badeurlaubern bevoelkerte Puerto Madryn bringt. Die Entscheidung war richtig - 800 km und immer dieselbe Landschaft und dieselbe spaerliche Vegetation! Unglaublich! Von hier sind es noch 100 km auf die Halbinsel Valdéz, wo ich mich ein paar Tage mit der Tierwelt befassen werde. Und da ein Ende der Pampa abzusehen ist, habe ich auch schon fuer den naechsten Mittwoch von hier Fluege nach Iguazu gebucht - dieses Land ist selbst fuer die komfortablen Ueberlandbusse zu gross. Die Fahrt wuerde bestimmt drei Tage dauern.
Die Bilder zu diesem Bericht werde ich nachliefern, da das Hochladen hier endlos dauert. Ich bin dann mal wieder in der Pampa!

© Jörn Tietje, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Acht Wochen mit dem Rad durch Chile und Argentinien liegen nach 13 Monaten Urlaubsabstinenz vor mir. Ab Puerto Montt folge ich der Carreterra Austral Richtung Süden bis zu ihrem Ende in Villa O'Higgins. Von dort geht es durch die Weiten Argentiniens zur Peninsula Valdéz am Atlantik. Wenn die Zeit reicht, stehen die Wasserfälle von Iguazu auf der (Wunsch-)Reiseliste, bevor ich von Buenos Aires die Rückreise antreten werde. Ich lade euch herzlich ein, mich hier auf meiner Tour zu begleiten!
Details:
Aufbruch: 16.01.2011
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 15.03.2011
Reiseziele: Chile
Argentinien
Der Autor
 
Jörn Tietje berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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