Patagonien - Weite mit dem Rad erfahren
Auf der Carreterra Autral angekommen
Am Sonntagmorgen stehe ich nun puenktlich am Faehranleger - nein, es ist kein Platz frei, ich muss warten. Das geht so bis die Faehre mit Lastwagen und Pkw gefuellt ist. Erst als ich mein Fahrrad auf die Rampe schiebe, bekomme ich vom Zahlmeister des Schiffs die Auskunft, dass es kein Problem ist, mitzufahren - und trotzdem: im Buero gibts keine Fahrkarte fuer mich. Aber es geht auch ohne, bezahlt wird spaeter an Bord!
Nach dem Regen am Vortag verabschiede ich mich von Hornopirén bei schoenstem Wetter, der Morgennebel lichtet sich und gibt im Sonnenschein ein herrliches Panorama frei.
Im Gespraech mit Fabio und Nicole vergehen die sechs Stunden Ueberfahrt nach Geleta Gonzalo wie im Flug. Hier beginnt der Parque Pumalin. Es ist ein privater Park des Nordamerikanischen Multimillionaers Tompkins, der so gross ist, dass er Chile teilt: er reicht von der Kueste bis an die argentinische Grenze. Ein sehr gepflegtes Hobby - spontan sagt Nicole beim Betreten des Cafés am Faehranleger: "This is not Chile!" Und in der Tat unterscheidet sich nicht nur das Café von allem anderen, was ich bisher gesehen hatte. Auch im Park sind die Campingplaetze und Wanderwege sehr gut angelegt und sauber - und dazu ohne Eintritt! Eine Wanderung zu einer Gruppe gigantischer Alercen, Baeme, die bis zu 4000 Jahre alt werden koennen und zu zwei Wasserfaellen sind meine Ausfluege abseits der Carreterra Austral, die mitten durch den Park fuehrt. Ich sehe und erlebe, was ich vor zwei Jahren verpasst habe, als der Park wegen des Vulkanausbruchs gesperrt war.
Die Carreterra Austral ist so etwas wie die A 7 in Deutschland (nur wesentlich laenger) als Nord-Sued-Verbindung im chilenischen Teil Patagoniens - eine Lebensader, die aber nicht durchgaengig befahrbar ist und auf der sich in einigen Abschnitten vielleicht 50 Fahrzeuge am Tag bewegen - aber nur in der Saison. Ueberwiegend besteht sie aus Schotter, der gerade an den steilen Anstiegen aufgewuehlt ist und einem (fast) alles abverlangt.
Nicht durchgaengig befahrbar meint eigentlich, dass man gelegentlich eine Faehre benutzen muss. Allerdings jenseits von 17% auf losem Schotter geht nur noch schieben!
Auf meinem Weg durch den Parque Pumalin komme ich auch an dem Vulcano Chaiten vorbei, der bis vor knapp drei Jahren noch Monte Chaiten hiess, weil niemand wusste, dass sich hier ein schlafender Vulkan verbarg, der dann Teile des Parks und den Ort Chaiten verwuestete. Bilder hierzu koennt ihr in meinem damaligen Bericht sehen, als die ersten Bewohner in die Stadt aurueckkehrten. Menschen gibt es inzwischen deutlich mehr als vor zwei Jahren in Chaiten, auch sind die Strassen weitgehend wieder frei geraemt vom Schlamm und der Vulkanasche - es bleibt aber auch noch viel zu tun und viele ehemalige Bewohner haben ihr Eigentum offenkundig aufgegeben.
Der Vulcano Chaiten und sein zerstoererisches Werk - noch immer steigen Rauchwolken aus dem Krater auf.
Licht und Schatten auf der Strecke
Seit ich in Galeto Gonzalo angekommen bin, ist das Wetter perfekt, machmal schon zu gut, denn die Hitze bei strahlend blauem Himmel macht mir zu schaffen und die zum Teil langen und steilen Berge bei ueber 30 Grad zu fahren, ist nicht immer ein Vergnuegen. Dafuer sind die Landschaft und die Sicht grandios und ich erkenne, was ich vor zwei Jahren alles verpasst habe, als die Berge in den Wolken versteckt waren. So darf es gern die naechsten 900 km bis Villa O`Higgins bleiben!
Aber kommen wir nun zu den Gefahren und Risiken hier in Chile, vor denen ich nur eindringlich warnen kann. Verbinden moechte ich diese Warnung mit einem kleinen Grundkurs in Spanisch fuer potenzielle Chilereisende. Beide Problembereiche sind tierischer Art. Da sind zum einen die Coliguachos (sprich: Koliguawatschos) - read and repeat: Coliguachos! Stechfliegen! Ca. 2-3 cm gross und immer da, wenn die Sonne scheint. Sie umschwirren einen mit lautem Gesumme lassen sich nieder und stechen zu - nicht schwerzhaft, hinterlassen keine juckenden Entzuendungen, tauchen aber teilweise zu Hunderten auf und rauben einem den Nerv - besonders dann, wenn man ihnen hilflos ausgeliefert ist, z. B. beim Fotografieren oder bei einer Panne. Dabei dachte ich, ich haette sie bei meiner ersten Reise ausgerottet, die Restbestaende haben aber die Zeit genutzt und sich massenhaft vermehrt. Die Zahl der Erschlagenen duerfte hoch dreistellig sein...
Die andere Plage sind die Hunde! Womit wir bei Teil 2 des Spanischkurses waeren: Kiltro (gesprochen wie geschrieben) - read and repeat: Kiltro! Es sind die streunenden Hunde in den Ortschaften, die keinen Besitzer haben und ebenfalls massenhaft auftreten. Radfahrer und Hunde sind ohnehin zwei Paar Schuhe, die nicht zusammen passen. Aber nicht nur, dass man von ihnen verfolgt und angebellt wird - das ginge ja noch! Ihre naechtlichen Unterhaltungen quer durch den Ort, in erster Linie so in der Zeit von 03 - 04.00 Uhr, rauben einem den Schlaf. Und wenn es nur einen einzigen Hund in der Naehe es Campingplatzes gibt, dann klaefft er um diese Zeit wahrscheinlich aus Einsamtkeit. Gegen Hundebisse habe ich mich gegen Tollwut impfen lassen, gegen das Gebell hilft nicht mal Oropax!
Genug gejammert. Ich bin gerade in dem kleinen Ort La Junta und habe eine Mittagspause fuer diesen Bericht genutzt. Jetzt liegen noch 47 km bis zum naechsten Ort vor mir und draussen scheint die Sonne. Ich bin dann mal wieder auf Achse...
Aufbruch: | 16.01.2011 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 15.03.2011 |
Argentinien