Japan und Südkorea 2013
Das Kyoto-Protokoll
09.08.2013: Auch für Kyoto hatte ich vorab eine halbtägige Stadtrundfahrt reserviert und auch hier wäre so etwas absolut nicht nötig gewesen, aber gut. Gebucht und bezahlt, also her damit !
Treffpunkt ist in einem nahegelegenen anderen Hotel und die Gruppe besteht nur aus einer 4-köpfigen Familie aus Barcelona und mir + Guide, natürlich. Wir besuchen zunächst das Nijo-Schloss, welches ich absolut faszinierend finde ! Ohne Führung bzw. wenigstens audio-guide durchzulaufen, bringt meiner Meinung nach nicht viel, zuvieles ist erklärungsbedürftig. Das Schloss war keineswegs kaiserlich, sondern Wohnsitz der Shogune. Fertiggestellt wurde der Bau auf dem 275.000 qm großen Gelände 1626. Die Anlage besteht aus 23 Gebäuden und Toren. Allein das Hauptgebäude, der Ninomaru-Palast verfügt über 33 Räume mit einer Größe von 800 Tatami-Matten. Tatami ist bis in die heutige Zeit das Flächenmaß in Japan für qm/Wohnfläche. 1 Tatami = ca. 1,64 qm. Das Ganze ist also riesig und sehr leer, daher sind auch die Erklärungen so wichtig, was in den einzelnen Räumen, Sälen und Hallen so stattgefunden hat, früher. Hauptbaumaterial des Nijo Schlosses: Japanisches Zypressenholz. Unser Guide ist in der Lage, sehr fesselnd Geschichten rund ums Nijo Schloss zu erzählen. Z.B. die Funktion der (lustiges Wort) Mushakakushi-no-ma. Der Shogun war offenbar jederzeit bedroht von Feinden und Spionen, daher gab es verborgene Gänge neben den Versammlungsräumen, in denen bewaffnete Wächter parat saßen und heimlich zuschauten, während der Shogun seine Audienzen abhielt. Wie ein Sondereinsatz-Kommando wären sie sofort aus den Kulissen gesprungen, im Falle eines Angriffs auf den Shogun. Interessant auch die akustische Spionageabwehr. Ohne Schuhe wandert man durch die Gebäude und hört es bei jedem Schritt auf den hölzernen Böden quietschen. Und das liegt nicht an den uralten Holzdielen, sondern ist aufwändig durch eine spezielle Bodenarchitektur aus Nägeln und Hohlräumen absichtlich so geschaffen worden. Hätte sich ein feindlicher Spion in der Nacht anschleichen wollen, so hätten ihn seine quietschenden Schritte sofort verraten ! In manchen Räumen sind auch lebensgroße Puppen in der damals üblichen Kleidung ausgestellt. Männliche Besucher mussten z.B. viel zu lange Hosen/Mäntel tragen, die ihnen bei einem plötzlichen Angriff sehr hinderlich gewesen wären. Die Damen des Schlosses trugen Kurzschwerter immer bei sich, nicht zur Selbstverteidigung, sondern für den Harakiri-Selbstmord im Falle einer Geiselnahme. Anhand all dieser Geschichten erkennt man, wie völlig fremd die japanische Kultur vergangener Jahrhunderte für uns so ist. Und weil sich das Land erst so extrem spät dem Westen öffnete, sind seltsame Traditionen und Verhaltensweisen erhalten geblieben. Exotisches Japan !
Ein absolutes Highlight Kyotos ist der Kinkakuji Tempel (auch goldener Pavillion genannt). Ursprünglich war es eine Wohn-Villa, erbaut in 1394, erst nach dem Tod seines 1. Eigentümers wurde es zu einem Zen-Tempel. Irgendein irrer Mönchsnovize brannte das Gebäude 1950 nieder, 5 Jahre später hat man es wieder aufgebaut. Kinkakuji ist definitiv eines der Top-Wahrzeichen Japans und somit sehr gut besucht. Das Teil ist aber auch hammerschön ! Eine Besichtigung des Inneren gibt es nicht, aber man ist auch gut genug beschäftigt, von außen die perfekte Fotoansicht zu scannen.
auf dem Rückweg vom Kinkakuji ins Zentrum von Kyoto, erfahren wir vom Guide, dass es in dieser Stadt nicht nur ein Viertel für Geishas gibt. Das berühmteste ist natürlich Gion. Aber es gibt auch noch 2 andere, weniger bekannte. Erkennbar an den typischen Laternen vor den Teehäusern. Wir durchfahren so ein Viertel, aber Fotos sind nicht zu erhaschen. 90 % der Besucher Kyotos sind sicherlich auf der Foto-Hatz nach Geishas, ich natürlich auch, sollte es sich ergeben. In dem weniger bekannten Geisha-Viertel, das wir durchqueren, bietet sich ein zwar ungewöhnlicher, aber nichtsdestotrotz interessanter Anblick: Ein japanischer Leichenwagen !
Am Kyoto Kaiserpalast verlassen wir den klimatisierten Bus wieder. 12 Uhr mittags, high-noon, grauenhafteste Zeit für eine Besichtigung, die im Freien stattfinden wird, denn der Kaiserpalast von Kyoto ist kein Museum. Wenn der Tenno in Kyoto ist, wohnt er hier. Alarmstufe rot, also. Bereits im Bus haben wir Formulare ausgefüllt, Name, Herkunftsland usw. In glühender Mittagshitze dackeln wir dem Guide hinterher, der unsere Formulare bei der Palastverwaltung abgibt. Wir müssen Aufstellung nehmen, in geordneter Reihe und sortiert nach Tourgruppe, während unsere Daten geprüft werdenoder mein Verdacht: Die Palastwachen amüsieren sich jetzt sehr über die ganzen bescheuerten Ausländer, die dieses Areal besuchen wollen und dafür nun - zur Strafe - 10 Minuten in der gleißenden Sonne schmoren sollen. Und so schmoren wir wirklich, es ist brüllend-heiß. Eigentlich warte ich darauf, dass die erste Touristin aufgrund eines Hitzschlages zusammenklappt. Unter dem schattigen Palasttor stehen uns die Wächter gegenüber, luftig ventiliert. Warum lässt man uns in absolut ungesunder Hitze stehen, wenn der schützendstwerte Kaiser noch nicht einmal da ist ?
alles so ähnlich wie die Verbotene Stadt in Peking, aber viel, viel schlechter und kleiner und uninteressanter
Kaiserpalast in Kyoto ? Nee. Geh´mir weg. Das ist so interessant, wie ein angekauter Turnschuh. Und dafür die ganze Zeremonie beim Eintritt ? Not worth it. Man zerfliesst in der Sonne, langweilt sich und tritt sich Steinchen in die Schuhe. Die Halbtagestour ist hiermit beendet, ich kann vor meinem Hotel den Bus verlassen und mache erstmal Mittagspause, um die heißeste Zeit des Tages klimatisiert zu verbringen.
Am späten Nachmittag ziehe ich wieder los, hole mir ein Busticket und fahre nach Gion. In Kyoto gibt es auch eine U-Bahn, aber die ist nicht so praktisch wie die Busse. Das Bus-System ist recht einfach zu begreifen, im Bus gibt es auch wieder digitale, englische Anzeigen (und wenn nicht, auf jeden Fall Durchsagen auf englisch). Mit dem Busplan in der Hand, bekommt man es auf jeden Fall hin, an der richtigen Haltestelle auszusteigen. Wenngleich der Busplan aufgrund der vielen eingezeichneten Linien und Haltestellen auf den ersten Blick chaotisch erscheint. Investiert man ein paar ruhige Minuten in die Beschäftigung mit dem Plan, hat man das System verstanden und kann babyleicht in Kyoto Bus fahren.
Am frühen Abend soll man die beste Chance haben, eine Geisha oder eine Meiko zu spotten. Eine Meiko ist eine Azubi-Geisha. Schon irgendwie merkwürdig: Die Geishas sind so exotisch, dass die Touristen auf sie zu lauern scheinen, wie auf seltene, wilde Tiere. Selbst für Japaner ist es ein Erlebnis, eine echte Geisha zu Gesicht zu bekommen. Dabei sind es ganz normale Mädchen und Frauen, die einem zwar etwas altertümlichen, aber hochangesehen Beruf nachgehen: Unterhalterin im Bereich Tee-Zeremonie, klassischem japanischen Gesang, Musik, Tanz, Rezitation und Konversation. Geishas sind keine Prostituierte !!!!! Da sie jedoch eine Berufsbekleidung haben, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint und ihr Leben und ihre Tätigkeit so geheimnisumwoben ist, werden sie wie heilige Reliquien behandelt und angesehen. Einen Geisha-Abend kann man nicht einfach so buchen. Man muss schon in der Szene bekannt sein und nur auf Einladung eines Insiders können Neulinge dazukommen. Ein Geisha-Abend in einem klassischen japanischen Teehaus oder Restaurant kann tausende Euro teuer sein.
Die Fassaden in Gion wirken total abweisend. Heruntergelassene Bambusrollos, geschlossene Schiebetüren.
viele japanische Touristen lassen sich in speziellen Kostümverleihen à là Geisha verkleiden (für teures Geld), um schicke Fotos machen zu können.
Echte Geishas und Meikos verlassen nahezu niemals ihre Unterkünfte in Berufskleidung, weil sie dann gnadenlos zum Foto-Abschuss freigegeben wären. Deswegen einzige Chance frühabends, wenn einige von ihnen schnellstmöglich zu den Teehäusern huschen.
vielleicht ist eine der in Jeans und T-Shirt herumwandernden Japanerinnen eine Meiko oder Geisha, man weiß es nicht. In vollem Ornat verlassen sie jedenfalls möglichst niemals ihr Ochaya, ihre Unterkunft. Und wenn, gibt es sicherlich viele versteckte Gänge in den Hinterhöfen, über die sie ihr Ziel unentdeckt erreichen können.
Für mich reichts jedenfalls heute wieder. Bus zum Bahnhof, schnell was zu essen gekauft und ab ins Hotel, bzw. Nachbarhotel zum emails schreiben.
Aufbruch: | 29.07.2013 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 16.08.2013 |
Südkorea