Japan und Südkorea 2013
Tokio I
31.07.2013 Ich glaube, ich habe 12 stunden nonstop geschlafen. Das habe ich dann wohl gebraucht. Ich frühstücke für ca. 13 EUR western-style in einem der Hotel-Restaurants. Es gibt ein set-menue bestehend aus Rührei, Croissant, Toast, Würstchen, Butter + Marmelade, Joghurt, grünem Salat (?) und Kürbissuppe (???) + O-Saft und Kaffee/Tee. Salat und Kürbissuppe um 07.00 Uhr morgens sind jetzt nicht so meine Favoriten, die lasse ich dann mal stehen. Mir kommt so der Verdacht, dass ich essens-technisch ein Problem bekommen werde, aber egal.
Punkt 07.50 Uhr erscheint in der Lobby die Tussi von Sunrise-Tours, mit denen ich heute vormittag auf organisierte Stadtrundfahrt gehe. Das habe ich so gebucht, weil ich eine erste Orientierung in der Millionen-Metropole Tokio haben wollte, ohne dabei allein zu sein. (Kann man sich original schenken, wäre absolut nicht nötig gewesen). Aber weiss man ja vorher nicht.
Erster Programmpunkt ist der Tokyo Tower, der erste Fernsehturm Tokios, gebaut nach dem Vorbild des Pariser Eiffelturms 1958. Er ist 333 m hoch und es gibt 2 Aussichtsplattformen. Diejenige, die ich besuche, ist auf 150 m Höhe und bietet einen recht netten Rundumblick auf Tokio. Allerdings ist es diesig und smog-verhangen und so gibt es keine klare Sicht. Aber einen ersten Eindruck von den Hochhaus-Schluchten Tokios bekommt man trotzdem.
Japaner lieben Automaten, was dieser hier auf der Aussichtsplattform ausspuckt, weiß ich allerdings gar nicht.
Eines sei mal gleich gesagt: Sommer ist die absolut schlechteste Reisezeit für Japan. Es herrscht eine Affenhitze bei hoher Luftfeuchtigkeit und klare Luft ist eine Seltenheit. Temperaturen von bis zu 35 Grad sind an der Tagesordnung und man begibt sich alltäglich in eine Hitzeschlacht, was einem manchmal ganz schön auf den Zeiger gehen kann und mir auf dieser Reise auch den einen oder anderen Fluch entlockt.
Zweiter Stopp ist am riesigen Gelände des Kaiserpalastes im Zentrum Tokios. Viel bekommt man davon allerdings nicht zu sehen. Den ein oder anderen Wachturm, die absolut earthquake-proof Palastmauer, den umgebenden Wassergraben und die Nijubashi-Brücke. Außerdem viele sehr gepflegte Kiefern und Pinien. Und die Khoi´s im Wassergraben. Etwas enttäuschend. Aber man muss dazu wissen, dass das japanische Kaiserhaus die abgeschotteteste Monarchie der Welt ist. Der Tenno und seine Familie sind alles andere, als volksnah. Was von der japanischen Gesellschaft auch mittlerweile mit Unverständnis quittiert wird, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß ist.
Der Bus fährt unsere kleine Truppe weiter nach Asakusa, wo sich der wichtigste und älteste Tempel Tokios - der Sensoji-Tempel, befindet. Auf dem Tempelgelände befindet sich auch die Nakamise Shopping street, heute ein quirliger Souvenirmarkt. Der Tempel wird auch Asakusa Kannon Tempel genannt, weil sich in der Haupthalle die goldene Statue der Göttin der Gnade - Kannon - befindet. Der japanische Kamerahersteller Canon ist übrigens danach benannt ! Den ausufernden Erklärungen unserer weiblichen Tourguide habe ich im übrigen nicht besonders gut zugehört und mich auch relativ schnell abgesetzt, weil ich lieber alleine unterwegs bin.
Tokyo sky tree - heute der höchste Fernsehturm Japans und mit 643 m Höhe nach dem Burj Khalifa in Dubai das zweithöchste Gebäude der Welt. Auch hier kann man auf eine Aussichtsplattform.
Etwas schlecht zu sehen, aber ganz links ist das Headquarter der Asahi-Bierbrauerei. Das Gebäude in Form eines Glases Bier (goldene Fassade + weiße "Schaumkrone" obendrauf) + Skulptur von Philippe Starck auf dem Dach in der Mitte
Was das für eine Truppe war, konnte uns auch unser Tourguide nicht erklären. Hätte vom Gesangsverein bis Betriebsausflug alles sein können...
Ich habe es in der unmittelbaren Umgebung des Tempels sogar noch geschafft, in einer der ausgewiesenen Raucherzonen eine zu rauchen und in einem 7-eleven-store Wasser zu kaufen und mal testweise einen Geldautomaten auszuprobieren. Letzteres nur aus Neugier, denn Geld brauchte ich eigentlich nicht. EC-Karte funktionierte einwandfrei mit englischer Benutzerführung des Automaten.
Die halbtägige Stadtrundfahrt endete an Tokios Hauptbahnhof. Unsere Tourguide befragte jeden von uns, wohin wir wollten und erklärte, wie wir dahin kommen würden. Ich wollte in Ginza weitermachen, was gleich hinter dem Bahnhof anfängt und so brauchte ich keine langen Erklärungen.
Was ich allerdings sofort in der Tasche haben wollte, war eine Karte für die Nutzung des gesamten Tokioter ÖPNV. Ich hatte ja wirklich gut vorgearbeitet und wusste, dass ich eine sogenannte Suica Card brauchte. Tokios öffentliches Nahverkehrssystem ist einzigartig, flächendeckend, äußerst effizient, benutzerfreundlich und selbst für Ausländer idiotensicher. Allerdings gilt es zu unterscheiden: Es gibt unterschiedliche Betreiber der U-Bahnlinien, dann noch private Bahnlinien, dazu noch die von JR betriebene Yamanote-loop-line. Um ohne Stress die Yamanote + beide U-Bahnlinien nutzen zu können und nicht dauernd Tickets kaufen zu müssen, gibt es die Suica Card. Eine pre-paid-Karte, die auch wiederaufladbar ist. Sie kostet 2500 Yen beim Ersterwerb (enthalten sind 500 Yen Kaution, die man sich bei Rückgabe der Karte wiederholen kann). Ich lief in den Tokioter Hauptbahnhof hinein, baute mich vor einem Ticketautomaten auf, holte tief Luft und wollte loslegen. "Can i help you ?" Ungefragt klebte ein älterer japanischer Mann an mir dran und wollte mir unbedingt behilflich sein ! Hammernett. Er drückte also für mich die entsprechenden Tasten am Ticketautomaten und schwupps hatte ich meine Suica Card. Das war also noch viel problemloser, als jemals gedacht !
Ginza. Es ist das Luxuseinkaufsviertel Japans. Alle namhaften Mode-Designer haben hier ihre sündhaft teuren Läden. An Kaufen braucht man hier nicht ernsthaft zu denken, nur gucken ! Wo sich das Reingehen echt mal lohnt: Sony Building (um mal die neuesten High-Tech-Entwicklungen zu sehen) und Shiseido (für die Damen, um make-up mal anders auszuprobieren, nämlich auch high-tech-mäßig). Bei Shiseido sollte man z.B. einfach mal einen Lippenstift ausprobieren wollen. Dafür muss man sich nicht wirklich den gewünschten Lippenstift auf die Lippen schmieren (viel zu unhygienisch für Japanerinnen), nein. Das Gesicht wird gescannt und am Bildschirm kann man sich jede beliebige Lippenstiftfarbe virtuell auf die Lippen beamen. Was gefällt, wird gekauft, oder auch eben nicht. "Arrigato gosaimasu". Vielen Dank ! Habe ich getestet und gehe wieder, ohne einen einzigen Yen ausgegeben zu haben.
Kabuki Theater Ginza - Kabuki Theaterstücke sind stundenlange, traditionelle Aufführungen aus der Edo-Zeit, gespielt ausschliesslich von Männern. Praktisch unverständlich für Westler. Eintrittskarten relativ schwierig zu bekommen und auch teuer. Außerdem will man sich das gar nicht antun ! Es soll aber spezielle Touri-Tickets geben, die einem das "sneaken" für 15 Minuten erlauben, nur um mal kurz einen Eindruck zu bekommen. Muss ich echt nicht haben.
Es ist Mittag geworden und ich bin in der Hitze inzwischen gar gekocht. Die nächste U-Bahnstation ist meine ! Völlig problemlos finde ich mich zurecht, bin wenig später in Shinjuku und stelle mich unter die eiskalte Dusche im Hotel. Boxen-Stop ! Hunger überfällt mich. Gott sei Dank, gibt es im EG des Hotels einen Pizza-Laden, wo ich mir selbige reinziehe. Für japanisches Essen und japanische Restaurants habe ich noch nicht den Nerv. Plan für den Nachmittag: Mit der JR Yamanote nach Harajuku und Shibuya. Nicht weit weg von Shinjuku.
Shinjuku ist hinsichtlich des täglichen Passagieraufkommens der größte Bahnhof der Welt. Ca. 3,5 Mio. Pendler werden tagtäglich durch diesen riesigen Bahnhof geschleust. Und dennoch: Ein Kinderspiel - orientierungstechnisch.
In Harajuku steige ich aus und mache mich zunächst auf den Weg zu einem bedeutenden Shinto-Schrein in Tokio, dem Meiji Schrein. Er befindet sich in einem wald- und parkartigen Gelände direkt hinter dem Bahnhof. Die hohen Bäume und das dichte Grün um einen herum verschlucken sofort alle Großstadtgeräusche und schon bald wandert man auf breiten Wegen durch den Yoyogi-Park und betritt das nationale Shinto-Heiligtum durch das größte Torii (Schreintor) des Landes. Die Meiji-Zeit von 1868 bis 1912 hat für die ganz enorme Umkrempelung des vorherigen Feudal-Staates Japan gesorgt und die Basis für den Abschuss des Landes in die moderne Zeit gesorgt. Bis 1868 war Japan total abgeschottet und von der restlichen Welt vollständig abgekoppelt. Regiert haben die Shogune und es gab die berühmten Samurai. Den Tenno hatte es immer gegeben, aber Macht hatte er nie. All das änderte sich mit dem Sturz des letzten Shoguns und der Inthronisierung des Tennos Matsuhito zum Kaiser der Meiji-Zeit. Der Shintoismus wurde Staatsreligion und das Land öffnete sich, uralte feudale Strukturen wurden abgeschafft. Der Meiji-Tenno ist der Großvater des heutigen Kaisers Akihito. Keinesfalls will ich jetzt weiterhin mit japanischer Geschichte nerven.
Während meines Besuches des Meiji-Schreines hatte ich auch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen und japanische Geschichte war mir sowas von egal ! Ich schwitzte nämlich mal wieder, wie ein Schwein. Die Klamotten klebten an mir. Selbst der ziemlich massive Schultergurt meiner Handtasche aus immerhin sehr festem kanadischen Leder war durchnass und verfärbte mir im Laufe der Reise alle T-Shirts. Ich lechzte nach irgendeiner Erfrischung - und das, obwohl ich im Schatten der Bäume wandelte und mir permanent Frischluft per Fächer zuwedelte.
Diese Quelle der Erfrischung gibt es in jedem japanischen Schrein/Tempel. Gott sei Dank ! Frisches Wasser, das man sich per Schöpfkelle über Hände und Arme gießen kann und auch trinken. Später auf der Reise gab es so schlimme Hitzeschlachten, dass ich mir hemmungslos das Wasser aus den Schöpfkellen direkt über den Kopf gegossen habe...
Auch das ist mitten in Tokio ! Wald, und nicht nur Bäume. Sondern auch Quellen, kleine Rinnsale, Miniwasserfälle und STILLE ! Dabei verlaufen die Bahnschienen keine 300 m entfernt.
Das ist alles symbolisch gemeint: Sake-Fässer zu Ehren der hier im Meiji-Schrein verehrten Seelen des Meiji-Tennos und seiner Kaiserin Shoken
gleich gegenüber: Weinfässer aus dem Burgund in Frankreich. Gestiftet von ganz vielen Bourgogne-Weingütern anlässlich der Öffnung Japans gen Westen
... und so macht man das. Aufschreiben, an das Gebetsgerüst anhängen und hoffen, dass das dann funktioniert.
Zurück an der Harajuku Station ist hier mein Programm aber längst nicht beendet. Ich mache einen kleinen Schlenker und bin auf der Omotesando, eine herrlich begrünte, schattige Allee, die zum Shoppen in edlen Geschäften einlädt und zum Verweilen in Strassen-Cafés. Niemals hätte ich vermutet, dass Tokio so eine Art Champs Elysée hat, eine echte Prachtstrasse à là Paris. Aber auch mit sowas wartet Tokio auf. Ist natürlich ekelhaft teuer, hier.
2 mal links abbiegen und schon hat man ein ganz anderes shopping-Viertel vor der Nase: Takeshita-dori. Wer mit weiblichen Teenagern nach Tokio reisen und die nervigen Töchter loswerden möchte, gebe ihnen genau hier eine geladene Kreditkarte in die Hand und hole sie 2 Tage später wieder ab ! Ihre 12-bis 19-jährigen Töchter werden Ihnen ewig dankbar sein ! Vielleicht werden Sie sie allerdings auch nicht wiedererkennen. Innerhalb von 2 Tagen auf der Takeshita dürften sie sich in tätowierte, gepiercte, vollständig bemalte, leicht-bekleidete Lolitas verwandelt haben. Keine Sorge - zu essen kriegen die Mädels schon etwas. Good old friend Mc D. ist ja da. Hauptsache, die Fingernägel sind gemäß dem neuesten Trend verlängert, gegelt, lackiert und mit haufenweise Strass-Steinchen besprenkelt. Das Handy mit deutschem Vertrag müssen Sie natürlich vorher wegnehmen, denn für roaming sind haarsträubende Gebühren fällig.
Diesen Laden durfte ich noch nicht einmal fotografieren ! Ich wurde weggescheucht, und zwar sehr unhöflich !
Nur eine Station weiter liegt Shibuya. Ein gigantisches shopping-Paradies. Außerdem ist die Straßenkreuzung vor Shibuya Station schon eine Sehenswürdigkeit für sich: Die belebteste Straßenkreuzung der Welt. Man nehme den Hachiko-Ausgang aus dem Bahnhof. Grober Fehler, der mir hier passiert ist: Eigentlich wollte ich unbedingt ein Foto der Hachiko-Statue und was ist ? Ich vergesse es ! Das ganze Bling bling des Bahnhofsvorplatzes à là Times Square oder Piccadilly Circus lenkt mich so ab, dass ich Hachiko komplett vergesse. Hachiko war ein sehr treuer Hund, der sein Herrchen täglich bis Shibuya begleitete und wartete, bis er von seiner Arbeit wieder da war. Selbst nachdem Herrchen gestorben war, kam Hachiko jeden Tag hierher und wartete. Die Geschichte ist sogar hollywood-verfilmt worden (mit Richard Gere in der Hauptrolle - als Herrchen, nicht als Hund...) und trotzdem vergesse ich Hachiko total. Ich konzentriere mich auf das Geschehen an der Kreuzung. Ich glaube, es sind 8 Zebrastreifen, die aus allen Richtungen den Weg für Fußgänger über die Kreuzung bahnen. Die Menschen stehen sich wie Schlachtformationen aus dem Mittelalter überall gegenüber, in Massen. Gleichzeitig schalten alle Fußgängerampeln auf grün und alle laufen los, treffen sich in der Mitte und erstaunlicherweise sortieren sich alle fast rempelfrei umeinander herum und gelangen auf die gegenüberliegende Straßenseite. Es gibt einen strategisch sehr gut gelegenen Starbuck´s, um aus erhöhter Perspektive gute Fotos schießen zu können, nur ist diese Starbuck´s-Filiale eine der umsatzstärksten der Welt und zu jeder Zeit absolut gerammelt voll. Keine Chance auf einen wie-auch-immer-gearteten Kaffee dort ! Also fotografiere ich vom Straßen-Level aus.
Natürlich mache ich hier in Shibuya auch einen Kaufhaus- und shopping-check. Einfach mal hinein in die japanische shopping-Welt, aber gekauft habe ich letzten Endes nichts. Und da es ein langer, aufregender Tag war, mache ich mich vom Acker. Fahre in mein Hotel zurück, genieße die eiskalte Dusche und gehe sehr früh schlafen. Mein Essen hole ich mir zuvor im Food-Untergeschoss eines Kaufhauses in Shinjuku. Ich mache einen auf self-catering nach westlichem Geschmack: Brot, Käse, Obst und Joghurt.
Aufbruch: | 29.07.2013 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 16.08.2013 |
Südkorea