Kirgistan - Kasachstan

Reisezeit: Juli / August 2014  |  von Peter Kiefer

Zentralasien stand schon viele Jahre auf unserer Agenda, nun endlich hatte sich eine Gelegenheit ergeben. Es war eine recht bewegte Reise, auch im körperlichen Sinn, denn Kirgistan, das Hauptziel, ist ein fast durchweg gebirgiges Land. Spaziergänge wurden rasch zu Wanderungen, das Reiten auf Pferden spielte eine Rolle.

Von fern schon die Gletscher - Bischkek (1)

In Erwartung der Heimkehrenden. Siegesdenkmal in Bischkek.

In Erwartung der Heimkehrenden. Siegesdenkmal in Bischkek.

Von fern schon die Gletscher - Bischkek (1)

Was ist das für eine Stadt? Bischkek scheint, als Karin und ich es am frühen Morgen vom Flughafen kommend auf seiner menschenleeren Prachtstraße passieren, wie eine einzige Ansammlung von repräsentativen Gebäuden, gefälligen alten und hässlichen neuen, von Statuen, Grünanlagen, Parks und es drängt sich mir förmlich die Frage auf, wo denn die Menschen hier wohnen. Norbert war zuletzt als Soldat in Afghanistan stationiert, nun betreibt er hier diverse Geschäfte. An diesem Morgen ist er unser Chauffeur, unser Fremdenführer, der uns detailliert die wechselvolle Geschichte sämtlicher Orte, an denen wir vorüberkommen, erzählt und uns schließlich zu einem Hotel bringt, das ein wenig abseits in einer schmalen Straße liegt (und da wohnen dann selbstverständlich auch Leute). Zuvor halten wir noch an einer Bäckerei an und kaufen ein frisches Brot, es ist kreisrund mit einem kranzförmigen Rand und wird in einem Tandur-Ofen gebacken. Das Hotel, in das Norbert uns gelotst hat, besitzt einen Garten mit einer Bar und als Blickfang das hölzerne Skelett einer Jurte. Eine gute Viertelstunde braucht man zu Fuß in die Innenstadt, zum Chuy Prospekt, den wir zuvor entlanggefahren waren. Der erste Eindruck, den wir nach der Ankunft hatten, bestätigt sich nun selbst in kleineren Seitenstraßen: Bischkek ist eine grüne Stadt und in der Ferne leuchtet schon das Weiß der Gletscher des Tien-Schan-Gebirges. Als Ziel unserer ersten Stadterkundung wählen wir - ziemlich willkürlich - eine Lokalität mit Namen »Steinbräu«. Sie zu finden beschäftigt uns dann fast einen halben Tag. Zunächst spazieren wir durch den großen Panfilov-Park mit seinen zahlreichen Statuen, Büsten und Brunnen. Auf dem Weg durch weitere Stadtviertel geraten wir zeitweilig etwas durcheinander, weil unser Stadtplan die meisten Straßen gar nicht verzeichnet. Bischkek, dies dann der zweite Eindruck, ist aus einem Würfelbecher gekullert - hier eine größere Bank, ein nobler Laden, um die Ecke oder gleich daneben Brachland, simple Werkstätten, hässliche Wohnblocks. Das »Steinbräu« entdecken wir lange nicht. Wir fragen Leute nach der betreffenden Straße, sie deuten mal in diese, mal in jene Richtung, keiner scheint wirklich Bescheid zu wissen. Und als wir endlich davor stehen, nehmen wir noch den falschen Eingang. Dabei hat der Aufwand sich nicht gelohnt, selbst gutes Bier schmeckt ohne die nötige Atmosphäre etwas fade. Wir verlassen bald wieder den Ort, schlendern vorbei an der Großen Moschee, die nicht einmal sonderlich groß, zudem neu und wohl aus vorgefertigten blechernen Bauteilen zusammengesetzt ist. Noch bis zum Ende des Monats Juli dauert der Ramadan an, von dem man hier in der Stadt trotz der überwiegend muslimischen Bevölkerung kaum etwas spürt. Uns zieht es zu einem Chinesen. Schon am Eingang werden wir von gleich fünf jungen Kellnerinnen begrüßt. Mit Worten können wir uns kaum verständigen, zumal Karins Russisch nur noch als winziges Flämmchen lodert. Sie fragen abwechselnd nach unseren Wünschen, nicken unsicher und bringen dann immer das Richtige. Auf dem Platz des Sieges gleich nebenan beeindruckt das nach einer Jurte geformte Monument zum II. Weltkrieg mit der Statue einer jungen Frau, in deren Zügen Anmut und Entschlossenheit auf einnehmende Weise verschmelzen. Auf dem abendlichen Weg zurück zum Hotel stoßen wir schon wieder auf etwas Deutsches, wieder auf Bier und eine Bude, die sich »Oktoberfest« nennt. Dort füllt ein junger Mann für die Kunden verschiedene Sorten aus Fässern in Plastikflaschen ab, kirgisisches Bier, das freilich einen eher wässrigen Geschmack hat. An der Wand hängt ein Foto, es zeigt Gerhard Schröder auf Staatsbesuch im benachbarten Kasachstan, vor sich einen vollen Bierkrug. Noch am Morgen hatte Mike, der englische Hotelbesitzer, uns von einer anderen Art Bier zu kosten gegeben. Es heißt Kymys und ist das Nationalgetränk. Auf den kirgisischen Münzen - Som heißt die Währung - ist ein traditionelles Gefäß zu dessen Herstellung abgebildet. Kymys ist leicht fermentierte Stutenmilch und erinnert im Geschmack etwa an Kefir. Wieder im Hotel angelangt, ist der Tag für uns noch lange nicht zu Ende, denn heute folgt die Nacht der Nächte, das Weltmeisterschaftsfinale gegen Argentinien. Beim Anpfiff ist es ein Uhr am Morgen. Die junge Frau des Hotelbesitzers, deren Name ins Deutsche übersetzt Sanfte Blume des Tages bedeutet, leistet uns an der Gartenbar das ganze Spiel über Gesellschaft. Sie war als Au-pair-Mädchen ein Jahr lang in Stuttgart, ihr Deutsch ist tadellos. Die Übertragung besorgt im hiesigen Satellitennetz ein polnischer(!) Sender. Das Spiel geht in die Verlängerung, ehe das entscheidende Tor fällt. Bis dahin habe ich meine Nerven schon mit vier Gläsern Wodka (normalerweise trinke ich kaum Schnaps) zu beruhigen versucht. Dann ist es zu Hause gerade mal Mitternacht, hier in Bischkek schon vier Uhr am Morgen, als endlich der Pokal in den Himmel von Rio gereckt wird. Ich bin putzmunter. Zum Glück vergesse ich das schnell wieder, als ich im Bett liege. Gegen zehn weckt Karin mich zum Frühstück, danach schlafen wir bis eins einfach weiter. Folgt ein Taxi zum Osch-Basar, dem zentralen Markt der Stadt. Er ist bunt (nicht zuletzt durch das viele aus China importierte Plastik) und äußerst verzweigt. Wir verlieren bald die Orientierung. Karin war zuvor an einem der Stände hängen geblieben, wo frische Salate verkauft werden. Die Lust davon zu kosten bringt sie auf den Gedanken zwei Glasschälchen und zwei Paar Essstäbchen zu kaufen, mit denen wir zu dem bewussten Stand zurücklaufen wollen. Aber wir finden nicht mehr zurück. Irgendwie wird eine Marktfrau, die gutes Englisch spricht (sie war einmal Lehrerin, erzählt sie uns), auf unsere Verlegenheit aufmerksam. Sie geht voraus und bringt uns in die gesuchte Halle zurück. Die Salate-Frau füllt dort mit den angemachten Gemüsen und Innereien unsere Schalen. Eine Bezahlung dafür lehnt sie hinterher ab. Es entwickeln sich noch weitere kleine Begegnungen. Manche, meist Jüngere, sprechen ein paar Wörter Deutsch, sie haben die Sprache in der Schule gelernt, das Meiste aber bald wieder vergessen. Eine Seite des Marktes liegt an dem schier endlosen Chuy Prospekt, den wir nun ein großes Stück zu Fuß hinunterwandern. Warum es Karin zwischendurch in einen Souvenirladen zieht, weiß ich nicht. Immerhin entwickelt sich eine angeregte Unterhaltung und ich entdecke dort in einer Ecke neben anderen Portraitgemälden eines von Väterchen Stalin. Die Motten haben Löcher in die Leinwand gefressen und man kann es für 200 Dollar kaufen. Zum Abendessen sitzen wir auf einem Taptschan, einer kleinen mit Teppichen oder Decken ausgelegten Empore, auf der meist ein niedriger Tisch aufgebracht ist. Daran hockt man dann im Schneidersitz. Das Kymys, das ich zu meinem Schaschlik trinke, gleich ein halber Liter, löst bald darauf eine Säureattacke in meinem Magen aus und der weitere Fußweg besteht zeitweise nur noch aus der Suche nach einer Toilette. Ebenso nach einem für unsere Karte geeigneten Bankautomaten. Dies entwickelt sich zu einer verschärften Trainingseinheit, weil wir einen weiten Weg machen, der, wie sich dann herausstellt, nicht weit genug ist, weshalb wir ihn gleich ein zweites Mal machen müssen. Bergab dann ein Taxi. Es muss einen Umweg in Kauf nehmen, denn ein nahe liegender Abschnitt der Chuy mit ihren anliegenden Grünflächen gehört am Abend den Familien, Paaren und Pärchen und ist deshalb für den Autoverkehr gesperrt. Der Taxifahrer fordert, als wir anlangen, einen völlig überzogenen Preis, zieht mich, als ich aussteigen will, wenn auch vergebens am Hemd, weil ihm 100 Som nicht reichen. Sanfte Blume des Tages serviert uns im Garten zum Trost noch ein Absackerbier.

Ein Bäcker am Tandur-Ofen.

Ein Bäcker am Tandur-Ofen.

© Peter Kiefer, 2014
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 12.07.2014
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 08.08.2014
Reiseziele: Kirgisistan
Kasachstan
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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