Kirgistan - Kasachstan
Ein Reisetagebuch aus Filz - Bischkek (2)
"Reisetagebuch" heißt dieses kleine Objekt der deutschen Künstlerin Andrea Uhlmann im Museum für Schöne Künste in Bischkek.
Ein Reisetagebuch aus Filz - Bischkek (2)
Eine Stunde dauert die Fahrt zurück nach Bischkek, dem Ausgangs- und Endpunkt der Reise. Wieder passieren wir zwei "deutsche" Orte. Der eine ist nach dem Philosophen (Immanuel) Kant benannt, der andere nach (Rosa) Luxemburg. Wir wohnen erneut im Umai Hotel. Die Maßstäbe haben sich nach knapp vier Wochen etwas verändert und Bischkek erscheint uns bei dieser zweiten Begegnung ein wenig anders, wenn man will, gediegener. Das dortige Kunstmuseum ist überraschend weitläufig. Vorwiegend sind es Gemälde und Skulpturen aus der Sowjetzeit, die vorgeführt werden. Doch gleich neben dem Eingang findet eine Sonderausstellung statt mit Objekten aus Filz und Wolle. Eine Handvoll deutscher Künstler ist daran beteiligt, das spezielle Thema heißt Reisen. Dass ich ein Werk namens Reisetagebuch favorisiere, ist reiner Zufall. Eine weitere Sonderschau zeigt Fotos einer Expedition ins Hochgebirge zu den Schneeleoparden, eine dritte Plakate, die sich mit einem einzigen Thema beschäftigen: Korruption. Was die zahlreichen Gemälde betrifft, reichen sie vom farbenfrohen Sozialistischen Realismus bis zu bescheidenen Kopien der europäischen Moderne. Man muss sie nicht gesehen haben, dennoch haben sie einen, sagen wir, historischen Unterhaltungswert. Danach nochmals der Osch-Basar. Karin hatte die Schälchen und Stäbchen vom letzten Mal in die Tasche gepackt und es ist klar, dass wir wieder die freundliche Dame aufsuchen, die uns zuletzt so großzügig mit ihren Salaten verköstigt hatte. Auch dieses Mal futtern wir uns durch. Weil wir ihr zuvor 300 Som bezahlt haben, gut 4 ½ Euro, schaufelt sie uns am Ende noch drei große Tüten voll zum Mitnehmen. Karin kauft Mischgewürze und Nüsse ein, zum Verschenken. Der Gewürzkrämer klebt auf jedes Tütchen die Namen drauf, sagt, er stamme aus Luxemburg. Mit einer Sekunde Verspätung begreife ich. Später eine andere Wiederbegegnung, die mit dem Bierzapfer im kleinen Kiosk namens »Oktoberfest«. Er spricht mich gleich mit meinem Namen an. Im Garten des Hotels ist bei unserer Rückkunft noch etwas Betrieb. Die griechisch-römischen Ringer hatten wir weiter im Kopf, fragen auch Mike, den Hotelbesitzer, noch einmal danach. Inzwischen wird aber klar, dass die Saison erst wieder im September beginnt, zu spät für uns, um etwas davon miterleben zu können. Wir sind jetzt der Abreise sehr nah, irgendwie scheint das auf unsere Schlafenszeit abzufärben: Dieses Mal geht unser Licht erst nach elf Uhr aus. Und so spät, nämlich um acht, sind wir auch lange nicht mehr aufgestanden. Der Frühstückstisch deckt sich heute Morgen mit den angeschleppten Salaten quasi von selbst. Wir nutzen unseren letzten Tag für einen Exkurs ins Historische Museum. Ausländer müssen hier einen deutlich höheren Eintrittspreis zahlen als Einheimische, auf seine Art ist es sehenswert. Im ersten Stockwerk ist das Thema die Sowjetisierung des Landes. Verschiedene Ensembles mit großen Bronzestatuen beherrschen den Raum. Sie erzählen vom heldenhaften Leben, im Zentrum steht meist ein entschlossen blickender Lenin, der die Richtung weist. Seit 1990 dürfte sich hier nichts (wohl auch gedanklich) verändert haben. Viele Fotos geben jedoch ansatzweise Einblicke in den kulturellen und den Arbeitsalltag der Menschen zu jener Zeit. Im Stockwerk darüber versucht man die gesamte Geschichte des Landes zu dokumentieren. Da die meisten der Texte nur auf Russisch geschrieben sind, fällt es schwer die Details zu verstehen. Auch hier geben Fotos noch die besten Aufschlüsse. Die ältesten, von europäischen Forschern aufgenommen, stammen aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Als ich diese Zeilen schreibe und auf Karin warte, der ich beim Gang durch Museen meistens ein Stück voraus bin (weil sie sich mehr Zeit nimmt), erscheint sie einfach nicht mehr. Ich klappe mein Heft zu, durcheile noch einmal die oberen beiden Stockwerke, aber sie ist verschwunden. Erst als ich hinuntergehe ins Foyer entdecke ich sie wieder. Sie hatte sich dort schon nach mir erkundigt und Leute gefragt, ob ich das Gebäude eventuell verlassen hätte. Wo denkt sie hin. Eine kurze Erinnerung an das birmanische Mandalay kommt auf, als Karin plötzlich mit einer Rikscha verschwunden war. Aber das ist eine völlig andere Geschichte. Das Essen bei einem Chinesen ist hervorragend, Karins Gericht besteht zu gleichen Teilen aus Fleisch und Chilischoten, ein Riesenberg. Im Panfilov-Park gesellt sich eine junge Frau zu uns. Sie will, sagt sie, ihr Englisch ein wenig auffrischen und wir reden übers Reisen. Ich lasse mir ihren Namen übersetzen: Anmutiger Mond. Später im Hotel begegnen wir drei jungen Österreichern. Sie nehmen mit ihrem Fiat-Kleinwagen an der internationalen in London gestarteten »Mongol Rallye« teil und erzählen uns ihre On-the-road-Abenteuer, denen wir aufmerksam lauschen - eine weite Reise gleichsam nur aus dem Auto heraus erlebt. Nun ist es schon nach Mitternacht, als wir zu Bett gehen. Am Morgen bleibt uns lediglich noch ein kleiner Spaziergang in der Gegend unseres Hotels. Folgt das Taxi zum weit entfernt liegenden Flughafen. Ein paar kirgisische Som sind noch übrig geblieben, sie auszugeben ist dort nicht schwer.
Aufbruch: | 12.07.2014 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 08.08.2014 |
Kasachstan