Kirgistan - Kasachstan

Reisezeit: Juli / August 2014  |  von Peter Kiefer

Walnüsse, falsch etikettiert - Arslanbob

Dahinter kleine Geschichten.

Dahinter kleine Geschichten.

Walnüsse, falsch etikettiert - Arslanbob

Der Taxifahrer, der uns - noch einmal zusammen mit den Franzosen - früh am Morgen nach Jalal-Abad bringen soll, gibt mir nur widerwillig die Hand. Seine Unfreundlichkeit ist das krasse Gegenteil zum Überschwang des gestrigen Abends. Wieder eine steinige Piste durchs Gebirge. Der Verkehr ist spärlich und erregt höchstens dann etwas Aufmerksamkeit, wenn uns Transportvehikel begegnen, auf denen noch die deutschen Namen aufgemalt sind. Die Liste wird immer länger und reicht etwa von Herforder Pils bis Opernhaus Halle. Einmal nur wird die Landschaft wieder auffällig, als sich nämlich sanft gerundete Hänge zeigen, die aussehen, als würde man von oben auf eine grün bemalte Elefantenherde blicken. Der Taxifahrer bringt uns, wie sich schnell herausstellt, nicht einmal zum richtigen Busbahnhof. Um Anschluss zu erhalten, müssen wir drei Kilometer weiterfahren. Aber Laurence und Pierre, die die Stadt Osch ansteuern und von denen wir uns nun verabschieden, nehmen uns in ihrem Taxi mit zur nämlichen Haltestelle. In einem Minibus nach Bazar-Korgon, von da in einem Sammeltaxi weiter nach Arslanbob. Eine Mutter mit Töchtern und Enkel hat uns in diesen Wagen verfrachtet und sie bringt uns nun auch gleich im Homestay ihrer Nachbarin unter. Anfänglich gibt es noch ein paar Irritationen, weil sich das CBT einschaltet und uns eine andere Unterkunft anweisen möchte. Aber ich erhebe Einspruch und erkläre bleiben zu wollen. Dem Mann am anderen Ende der Leitung bleibt nichts übrig als nachzugeben. Was uns hier gefällt, ist eine mit Teppichen ausgelegte Terrasse, von der aus man einen weiten Blick aufs Gebirge und hinunter auf einen Teil der Stadt hat. Hier treffen wir auch ein schweizerisches Ehepaar mit ihrem aus Kirgistan adoptierten kleinen Sohn, mit denen wir uns unterhalten. Später sitzen wir, bis es dunkel geworden ist, draußen und lassen den bisherigen Verlauf der Reise ein wenig Revue passieren. Wir schlafen fast bis neun und brechen dann zu Fuß auf zu einem Wasserfall und dem mutmaßlich größten Walnusswald, den es gibt. Der Weg führt entlang einer steilen, staubigen, mit Schotter bedeckten und nicht enden wollenden Straße, die durchgehend von Wohnhäusern gesäumt wird. Die hier leben, praktizieren die langen Wege weniger sportlich als wir und lassen sich mit Pickup-Taxis kutschieren. Auffällig ist, dass viele der Häuser, die wir passieren neu oder aus Steinen, Lehm und Beton mit einfachen Mitteln gerade im Entstehen sind. Oft entdeckt man gepflegte und keineswegs ärmliche Anwesen. Die Karte, die ich mir noch am gestrigen Nachmittag im CBT-Office angesehen hatte, war einigermaßen nichts sagend und, was Entfernungen betrifft, die reinste Märchenstunde. Denn der Weg - daran haben wir uns in diesem Land freilich längst gewöhnt - zieht sich wieder einmal stark in die Länge. Wir versuchen eine bestimmte Abzweigung zu finden, geraten aber jedes Mal auf falsche Fährten. Leute, die wir fragen, deuten in unterschiedliche Richtungen. Nach mehr als zwei Stunden macht die Geröllpiste, der wir letztlich weiter gefolgt sind, endlich einen Knick und der Wald beginnt. Die Bäume haben ausladende Kronen. Ihre Früchte, die Walnüsse, entdeckt man auf dem Basar jedoch eher selten. Wir hatten gestern den Mann auf dem CBT-Büro danach gefragt und er erklärte, dass die Ernte, die von Familien betrieben wird, die sich den Wald in Parzellen aufteilen, in die Türkei ginge, wo die Nüsse nun als von türkischer Herkunft etikettiert würden. Und warum keine Verarbeitung im Land? An der, sagte der Mann, würde sich nur die Mafia bereichern. Vielleicht heißt das ja: die Regierenden. Am Wegesrand sitzen zwei junge Frauen und ein Mann, sie kommen aus Frankreich, der Schweiz und Belgien und sie erklären uns, wie wir zu jenem Wasserfall gelangen, es sei auch ganz einfach. Dass es dann doch kompliziert, am Ende sogar unmöglich wird, liegt an Karins wachem Blick. Die Drei hatten davon gesprochen, an der zweiten größeren Abzweigung nach rechts zu gehen. Die zweite, die Karin nun entdeckt, erschließt sich freilich erst beim zweiten Mal Hinsehen. Aber es ist eine und deshalb nehmen wir sie und geraten - diesmal ganz wörtlich zu nehmen - wieder auf einen Abweg. Selbiger wird immer steiler und schmaler. Der Wald lichtet sich allmählich und der Pfad verengt sich weiter. Meine an den Fersen offenen Sandalen erweisen sich als das falsche Schuhwerk und genau wie Karin muss ich Acht geben, dass ich auf dem Geröll nicht aus- und zu Tal rutsche. Was den Wasserfall angeht: Aus einiger Entfernung können wir ihn rauschen hören, damit müssen wir uns begnügen. Endlich - da haben wir den Abstieg fast schon geschafft - ein kleiner Fluss, an dem wir kurz rasten und die Beine ins Wasser hängen lassen können. Nicht viel später biegen wir wieder auf die löchrige Endlosstraße und da liegt in einem kleinen Abzweig auch schon unsere Unterkunft, an der wir fast vorbeilaufen. Das nicht mehr weit entfernte Zentrum des Ortes ist über eine kleine Brücke mit dem eigentlichen Basar verbunden, auf dem wir Käsebällchen aus Schafsmilch kosten, die fast so hart sind wie Bonbons, oder getrocknete Äpfel, die millimeterdünn ausgewalzt sind und sich wie Wachstuchdecken auseinanderfalten lassen. Arslanbob ist eine sichtlich muslimische Stadt, die uns sogar ein kaltes Bier nach der langen Wanderung zu verwehren scheint. Doch schon am gestrigen Tag hatten wir gehört, wo es eins gibt. An dem Platz mit den Überlandtaxis ist ein Gebäude, das unübersehbar aus Sowjetzeiten herrührt. Dort muss man ein paar Stufen hinab in einen Keller gehen. Ein dicker Herr und ein kleiner Junge sitzen da und verkaufen Getränke, in erster Linie Bier und Wodka, und die (muslimische) Kundschaft strömt reichlich. Ein Taptschan in einem Teehaus ist hier keine Folklore, man sitzt mit gekreuzten Beinen auf den bunten Teppichen oder Decken. Das Brot wird ein paar Schritte weiter ständig frisch gebacken. Als wir uns später in unserem Homestay noch ein Schaschlik zubereiten lassen wollen, zeigt der Koch keinerlei Interesse. Vielleicht weil noch immer Ramadan ist. Allerdings sei auch festgestellt, dass die Wirtsleute uns gegenüber wenig Aufmerksamkeit zeigen. Wäre nicht die Terrasse mit ihrer schönen Aussicht, würden wir den Ort rasch wieder vergessen. Auf einen nochmaligen Gang hinunter ins Basarviertel haben wir nach zehn Stunden Herumwanderns keine Lust mehr. So schlecht war dieser Tag freilich nicht, auch wenn wir jenen Wasserfall nicht erreicht haben, unter dem sich übrigens Höhlen befinden, in die jung verheiratete Frauen gehen, weil sie glauben, dass dort ein Zauber wirksam ist, der die weibliche Fruchtbarkeit steigert. Für uns kommen andere Früchte ins Spiel, sie sind in einen Energieriegel verpackt, das ist heute unser Abendbrot.

Faltungen.

Faltungen.

© Peter Kiefer, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zentralasien stand schon viele Jahre auf unserer Agenda, nun endlich hatte sich eine Gelegenheit ergeben. Es war eine recht bewegte Reise, auch im körperlichen Sinn, denn Kirgistan, das Hauptziel, ist ein fast durchweg gebirgiges Land. Spaziergänge wurden rasch zu Wanderungen, das Reiten auf Pferden spielte eine Rolle.
Details:
Aufbruch: 12.07.2014
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 08.08.2014
Reiseziele: Kirgisistan
Kasachstan
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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