Kirgistan - Kasachstan
Sonnengöttin und Sternenhimmel - Tamgaly
Sonnengöttin und Sternenhimmel - Tamgaly
Wir fahren weiter zu den Felszeichnungen in Tamgaly. Aber es ist ein mühsamer Weg dorthin und ein Tag mit zwei sehr unterschiedlichen Hälften. Dieser beginnt jedenfalls zäh. Der Busbahnhof in Almaty ist gewissermaßen eine Nummer zu groß für uns, weil dort nur Reisebusse stehen. Am Ende landen wir in einem Taxi nach Bischkek. Es geht aber erst los, als der Fahrer, um das Auto voll zu kriegen, noch zwei weitere Fahrgäste gefunden hat. Das ist nach mehr als einer Stunde der Fall. Weiter ist es schwierig diesem Fahrer klar zu machen, dass wir an einer bestimmten Abzweigung aussteigen wollen. Er muss sich erst bei Einheimischen erkundigen, um zu begreifen, was wir ihm dauernd auf der Landkarte zeigen. Nun schalten wir nach diesem Abzweig wieder auf Autostopp um und stehen kaum an der Straße, als jemand anhält, ein hilfsbereiter Mann in irgendeiner Uniform und er bringt uns zum nächsten Dorf. Nicht ganz, weil die Straße, auf der wir unterwegs sind, ein Stück daran vorbeiführt und wir noch weiter müssen. Die Sonne brennt und der einzige Unterstand ist - was hat die da zu suchen? - eine mit Glasscherben gepflasterte Bushaltestelle. Sie ist der einzige Schutz gegen die brennende Sonne und man kann immerhin auf zwei Eisenschienen sitzen. Unweit führt eine mehrspurige Bahnlinie vorüber. Die Anzahl der Güterzüge, die dort entlangfahren, überrascht uns. Jedes Mal zählen wir die Wagen mit (und immer sind es ein Haufen!), es ist das Einzige, was man hier tun kann, denn Autos in unsere Richtung verkehren nicht, ganz selten einmal welche in die entgegengesetzte. Wir sitzen also und warten, weil wir uns in Almaty nicht auf ein touristisches Unternehmen einlassen wollten mit Hinfahren, Führung, Zurückfahren. Wir wollten es lieber selbst in die Hand nehmen. Nun dies. Aber nach eineinhalb Stunden hält doch jemand - und will auch gleich Geld dafür, 1.000 Tenge, vier Euro. Am Ende habe ich sie ihm gerne gegeben, denn er bringt uns genau zu den maßgeblichen Leuten. Zuvor hält er kurz vor seinem Haus in dem Dorf Karabatschau an, einem Dorf, das ganz aus alten Blechteilen zusammengeschustert scheint. Dort steigt noch ein weiterer Mann zu uns und seinem kleinen Sohn ins Auto. Die Petroglyphen von Tamgaly gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. In der Nähe des Dorfes gibt es eine Art Parkverwaltung, dort werden wir freilich gleich weitergeschickt zum eigentlichen Ort des Geschehens, zu jenem weitläufigen Hügelareal mit seinen kleinen, tafelartigen Felsformationen. Zwei Männer nehmen uns in Empfang, ein dritter entpuppt sich als Führer zu den Zeichnungen, die teilweise mehr als dreitausend Jahre alt sind, zum Teil auch aus nachchristlicher Zeit und jeweils von Nomadenstämmen herrühren. Auf drei großen Tafeln am Eingang wird Näheres dazu gesagt, unter anderem dass man sich vor allerhand Skorpionen, Vipern und sonst welchem krabbelnden, kriechenden Ungemach in Acht nehmen soll. Unser Führer winkt ab, alles halb so schlimm. Bei den Felszeichnungen handelt es sich um eine größere Zahl von Tierdarstellungen, um Jagdszenen, Opferhandlungen, nicht zuletzt eine (immer auch wieder auf T-Shirts abgebildete) sonnenköpfige Göttin. Manche Felsplatten erinnern an Seiten aus einem Comicheft. Die Abbildungen sind alles andere als naturalistisch. Im Gegenteil, mit ihren unscharfen Konturen - vielleicht dem Zeichengerät geschuldet - wirken sie magisch und manieristisch. Erstaunlich ist sicher auch, dass verschiedene Zeitalter nebeneinander existieren. Die später kamen, haben die fünfzehnhundert Jahre früheren Zeichnungen nicht zerstört, sondern ergänzt. Auch alte, wiederum künstlerisch gestaltete Gräber sind zu sehen. Etwa eineinhalb Stunden dauert der Rundgang, dann kehren wir zu dem kleinen Häuschen zurück, wo unser Gepäck liegt und wo wir auch die Nacht verbringen werden. Neben Karins schmalem Bett hängt ein Polizeiknüppel an der Wand. Zwei Dixi-Klos stehen in der Nähe, man hat sie zu Plumpsklos umfunktioniert, was sonst. Die beiden Parkwächter sind äußerst leutselig. Sie haben bereits das Abendessen vorbereitet, zähes Schaffleisch mit Kartoffeln und Nudeln. Es schmeckt irgendwie gut und die Männer lassen den Wodka kreisen. Das führt fast zwangsläufig zu Verbrüderungen und Gruppenfotos. Vor allem der blau uniformierte Security-Mann - "security" steht in kyrillischen Buchstaben auf seinem Hemd - lacht viel über die eigenen Witze. Ein weiterer Besucher, wohl ein Nachbar aus dem Umkreis, ist ebenfalls an der Runde beteiligt. Er sitzt anschließend, als er nach Hause reitet, sichtlich schief auf seinem Pferd, aber das wird's schon richten. Einmal färbt der halbe Horizont sich dunkel. Was aussieht wie eine braune Woge, ist eine große Schaf- und Ziegenherde, ich bilde mir ein, die größte, die ich je gesehen habe. Bei Einbruch der Dunkelheit steigen die beiden Männer ins Auto und fahren wer weiß wohin, kommen aber nach einiger Zeit wieder, laden uns ein mitzufahren. Nein, wir wollen hier bleiben und, nachdem der Sichelmond untergegangen ist, einen Sternenhimmel betrachten, bei dem die Milchstraße zum Greifen nahe scheint, Sterne so zahlreich sind wie Staubkörner. Es ist geradewegs beglückend.
Aufbruch: | 12.07.2014 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 08.08.2014 |
Kasachstan