Kirgistan - Kasachstan
Die ganze Welt der Frische - Tokmok
Die ganze Welt der Frische - Tokmok
Am Morgen geht es wieder schnell. Kaum dass wir auf der kleinen Sammelstelle von Cholpon-Ata auftauchen, sitzen wir auch schon im startbereiten Minibus. Ziel ist Tokmok. Nicht der Stadt, sondern einer besonderen Sehenswürdigkeit wegen, die in unmittelbarer Nähe liegt. Aber erst mal hinkommen, denn die Fahrt ist länger als erhofft. Bei einem kurzen Halt kommen wir mit einer Englischlehrerin ins Gespräch. Sie betreibt einen kleinen Laden und sagt, dass "wir Kirgisen" nicht genug Geld hätten, um große Reisen zu machen, dafür hätten sie gute Nachbarn und fühlten einen großen Zusammenhalt. So weit bringen wir es in Europa wohl nicht und auch in Kirgistan wird sich sicher bald einiges daran ändern. In Tokmok bringt uns ein Taxifahrer zu einem kleinen Hotel mit einem großen Zimmer und einem großen Bad. Die Stadt ist, wie nicht anders zu erwarten, weitläufig angelegt, entsprechend lang sind wieder die Wege. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich auf dieser Reise schon um die Mittagszeit Hunger bekomme. Das Restaurant, das wir aufsuchen, ist dann ein regelrechter Glücksfall. Nicht weit ist ein Vergnügungspark. Das würde uns an sich kaum interessieren, wäre da nicht ein Riesenrad, na ja, ein kleines zumindest. Wir sind die einzigen Besucher weit und breit und ehe wir die Gondel des Riesenrads besteigen, müssen wir vier Tickets lösen, weil eben vier darin Platz haben und wir nur zu zweit sind. Dann macht das Rad seine einzige Umdrehung. Von ganz oben sieht man nichts, was einen aufmerken ließe, nur das Grau der Häuser, die üppigen Baumkronen und in der Ferne die Berge. Der Basar, nicht eben klein, ist an diesem Montag zum Teil verwaist. Mein Pech ist, dass ich dort dringend die Toilette aufsuchen muss. Sie kostet sogar 7 Som und rangiert von allen Toiletten, die ich jemals auf Reisen aufgesucht habe, mit Sicherheit unter den Top Five der ekligsten. Nur daher sei sie hier erwähnt. Alles in allem ist es ein belangloser Tag in einer ebenfalls etwas belanglosen Stadt. Die Reise aber verschluckt ihn mühelos. Der folgende Morgen beginnt viel versprechend. Mit einem Minibus zu einem Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert, dem Burana-Turm. In den 70er Jahren ist er aufwendig restauriert worden, ehemals war er der herausragende Mittelpunkt einer alten Zitadelle. An dieser Stelle sei angefügt, dass Kirgistan kaum über historische Baudenkmäler verfügt, dieser Turm, der wie der Stumpf eines Minaretts aussieht, also besondere Aufmerksamkeit verdient. Über sehr schmale und steile Stufen steigt man auf seine Plattform hinauf und muss oben erst einmal tief Luft holen. Man blickt dann auf ein Feld mit balbals, Grabsteinen in der Form von Köpfen, Gesichtern, die jüngsten aus dem 6. Jahrhundert. Zum Museum gibt es insofern eine Geschichte, als wir zunächst vorhatten in einem Dorf in der Nähe zu übernachten. Die einzige uns durch den Guide bekannte Unterkunft gehört der Direktorin des Museums. Ich hatte sie am Vortag angerufen, fand aber, dass ihr Preis ziemlich überzogen war, weshalb wir beschlossen hatten darauf zu verzichten und anschließend nach Tokmok zurückzukehren. Das Museum nun besteht aus zwei schmalen Räumen. Man sieht ihm an, dass es nur über geringe Mittel verfügt. Andererseits sind die wenigen und oft auch wenig aussagekräftigen Exponate derart lieblos präsentiert, dass da wohl eine Chance vergeben wird. (Ich wäre hier gerne Museumsdirektor.) Wir gehen zurück zur Straße, um ein Auto anhalten zu können, das in Richtung Kegeti fährt, wo - ich wage es kaum auszusprechen - ein Wasserfall sein soll. Der erste Wagen, der hält, fährt in die entgegengesetzte Richtung und hält nur deshalb, weil die Frau, die drin sitzt, eine Ahnung hat, wer wir sein könnten. Es ist die Museumsdirektorin. Ihr Sohn nimmt uns, nachdem er seine Mutter zu ihrem Arbeitsplatz gebracht hat, ins nächste Dorf mit, von da an jedoch wird es, vorsichtig gesagt, schwierig. Unter anderem stellt sich heraus, dass der Wasserfall doch ein größeres Stück noch entfernt liegt. Den überhöhten Preis eines Taxifahrers lehnen wir ab und landen mit ihm lediglich in einem Dorf, wo wir uns erst einmal eine große Flasche kaltes Cola hinter die Binde gießen. Der Wasserfall fällt auch dieses Mal wieder aus - zu weit, zu umständlich. Genau hier vor dem Lebensmittelladen, sagen uns freundlich bemühte Leute, hielte der Minibus nach Tokmok. Aber es kommt erst mal keiner. Stattdessen kommt etwas Unerwartetes. Ein in Deutschland ausrangierter Kleintransporter für Tiefkühlkost steht plötzlich vor uns. "Die ganze Welt der Frische" steht da zu lesen. Wir machen den Fahrer kurz darauf aufmerksam, seine Frau drückt jedem von uns ein Eis am Stiel in die Hand. Der Fahrer eines kleinen Lkw's schenkt Karin eine Honigmelone, einfach so. Schließlich doch noch der Bus nach Tokmok. An der Frontscheibe hat er wie üblich ein Schild angebracht, auf dem die Orte stehen, die er anfährt, und da lese ich - natürlich in kyrillischen Buchstaben -, einer heißt Rot Front, ein anderer Thälmann. In Tokmok, wo wir noch einmal über den Basar schlendern, hat dieser Tag weiter nichts mehr zu bieten und im Nachhinein kann man feststellen, dass wir Stadt und Burana-Turm auch an einem einzigen Tag hätten besichtigen können. Wir trösten uns mit einem schönen Abendessen, einer wunderbaren Honigmelone, den besten Tomaten der Welt und einem Brot, das gerade aus dem Ofen gekommen ist.
Aufbruch: | 12.07.2014 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 08.08.2014 |
Kasachstan