Weser-Elbe-Dreieck - ungefährlicher als das Bermudadreieck
Stade - Hansestadt und Schwedenfestung
Im Prospekt von Stade begrüßt man uns mit den Worten:
"Beinahe jeder Schritt durch das jung gebliebene modene Stade ist ein Eintauchen in die Vergangenheit. Dabei hat der heutige besucher den großen Vorteil, die Stadt in einem Zusatnd zu erleben, den unsere Vorfahren sich lange Zeit nur in ihrer Fantasie ausmalen konnten: sauber, wohl duftendund in einem baulich excellenten Zustand."
Als wir schließlich die Stadt betreten ist alles aufgewühlt - der Fischmarkt wird umgebaut - tiefe Löcher, Baumaschinen und Kräne vermiesen das Stadtbild um den alten Kran..
Die erste schriftliche Erwähnung eines befestigten Handelsplatzes "Stethu" - also Stade - führt zurück ins Jahr 994 n. Chr., als dänische Wikinger eben diese an einem kleinen Fluss, der Schwinge, gelegene Siedlung überfielen. Ein Stadtmodell im Rathaus und auch ein Blick auf den heutigen Stadtgrundriss machen dies deutlich.
Wir haben eine Broschüre mit den architektonischen Besonderheiten der Stadt bei uns - im Verlaufe des Rundganges zeigt sich jedoch, dass in den ca. 15 Jahren seit Erscheinen dieser Broschüre vieles verändert wurde.
Wir beginnen unseren Stadtrundgang wegen der sehenswerten Bürgerhäuser in der Bungenstrasse, in der mit der nr. 20/22 zwei wohl schon vor 1600 erbute Giebelhäuser mit kräftigen Vorkragungen und Halbsonnen an den Fußstreben stehen.
In der Bäckerstrasse zeigt das mit der Traufenseite zur Straße gewandte Rernaissance-Haus (Nr. 1/3) von 1590 ebenfalls geschnitzte Halbsonnen. Alle 26 weisen reichhaltige und unterschiedliche Formen auf.
Das Haus Nr. 21 soll nach unseren Unterlagen eines der ältesten der Stadt sein und noch die drei alten geschnitzten Figuren der Konsolen mit David, Petrus und Martin zeigen. Doch genau diese verschwunden! Ein älterer Herr erzählt uns, das sie wegen Geldmangels vom Besitzer nicht mehr restauriert werden konnten.
In einer Querstrasse steht das sog. Hahnentor, das 1658 mit einem eingeschossiges Fachwerk überbaut wurde. Es gilt als ein Wahrzeichen der Stadt.
Durch die Neue Str. es dann zur Hökerstr., die als Einkaufsstrasse Fußgängerzone ist. Die Nr. 17 wurde Anfang des 18.Jahrhunderts als Giebelhaus errichtet. Der Spruch an der Giebelschwelle 'Nec herba nec Malagma curat, sed sermo tuus, Domine, qui sana omni' belehrt uns eigentlich, dass wir gar nicht in die dortige Apotheke gehen müßten.
Vom alten, kurz vor 1279 erbauten gotischen Rathaus ist der sehenswerte Keller, jetzt Restaurant, erhalten geblieben. Das jetzige Rathaus wurde ab 1667 im flämischen Stil unter Leitung Bremer Maurermeister erbaut. Sehenswert sind die vom Stader Zimmerer Andreas Henne ausgeführten Schnitzarbeiten im Inneren. Das Portal zeigt das große schwedische Königswappen, klein darunter das Stader Stadtwappen, links davon die allegorische Figur der Wahrheit, rechts die Gerechtigkeit. Alle überragt Merkur, der Gott des Handels.
Mit ihrem achteckigen barocken Turm prägt die St. Cosmae-Kirche - zusammen mit dem Rathaus und St. Wilhadi - bis heute das Bild Stades. Wie seit Jahrhunderten ragt sie mit ihren rund 62 m über die Dächer der Altstadt. St. Cosmae heißt eigentlich Ss. Cosmae et Damiani nach den syrischen Zwillingsbrüdern aus dem 3. Jh. Weil sie die Menschen als christliche Ärzte unentgeltlich behandelten, mussten sie den Märtyrertod sterben.
Urkundlich 1132 erstmals erwähnt soll die Stader Kirche im 9. oder 10. Jh. einen romanischen Vorgängerbau gehabt haben. Doch inzwischen hat die einstige Ratskapelle der Stader Grafen viele Umbauten erlebt Die heutige Gestalt als Backsteingotikbau stammt aus dem 13. Jh., als man hier einen einschiffigen Saalbau errichtete, der bald mit zwei kurzen Kreuzarmen, einem langgestreckten Altarraum, einer Vierung und einem achteckigen Vierungsturm versehen wurde.
St Cosmae verlor beim großen Stadtbrand von 1659 fast die gesamte Inneneinrichtung. Fünf Turmglocken mussten neu gegossen werden. Nur ein Kronleuchter und der Gertruden-Flügelaltar (um 1500) stammen aus der Zeit vor dem Feuer. Wer sich einen Moment Zeit nimmt, hat vielleicht das Glück den außergewöhnlichen Klangen der berühmten Barockorgel (1675) des Glückstädter Orgelbauers Berendt Huß zu lauschen. Dessen hochbegabter Geselle und jüngerer Vetter war Arp Schnitger. Er vollendete die Orgel (1688), was seinen Ruf als einer der berühmtesten Orgelbauer des Nordens begründete. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der figurenreiche barocke Hauptaltar (1674-77) des Hamburger Bildhauers Christian Precht die Barockkanzel und der von Figuren getragene Taufstein.
Wer einen urwerpessJidTen Bfcck bis zur EJbe genießen möchte, vielleicht begleitet vom Klang einer der zwölf Glocken, sollte den Turm besteigen: Karten
Zurück in der Hökerstr. steht dort mit der Nr. 29 das vielleicht älteste Bürgerhaus Stades. Das dreigeschossige Giebelhaus mit zweigeschossigem Erker zeigt vielfältige Ziegelornamentik. Man datiert es nach der letzten Restaurierung in das 14/15. Jahrhundert.
Eine erste erzbischöfliche Wilhadi-Kirche ist wohl nicht vor dem 11. Jahrhundert angelegt worden. Der heutige - wenig attraktive
Bau zeigt eine gotische Hallenkirche des 13./14. Jahrhunderts.
Wilhadi-Kirche - der mächtige, quadratische Westturm (13. Jh.) ist trotz des gewaltigen Granitfundaments und seiner drei Meter dicken Wände über die Jahrhunderte auseinander gewichen, so dass er oben breiter ist als am Sockel und einen leichten, aber statisch unbedenklichen Südwestüberhang zeigt. Das brachte ihm den Beinamen .schiefer Turm von Stade" ein.
Erinnerungen an mein Baugeschichtsseminar zur Backsteingotik werden wach, als ich einen Tisch mit den diversen Backsteinformen entdecke.
Der Rückweg führt uns zum St.-Johannis-Kloster, das um 1230 gegründet und durch seinen Abt Albert berühmt wurde, der hier von etwa 1240-56 seine "Stader Annalen", eine bedeutende Chronik, schrieb. Nach der Reformation wurde das Kloster Armen- und Altersheim. Nach dem großen Stadtbrand wurden 1672 nur die Klostergebäude in einfachem Fachwerk als Armenhaus wiedererrichtet. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wird diese Nutzung aufgegeben, das Gebäude wird 1979/80 grundlegend restauriert und beherbergt seit 1981 die Kulturverwaltung der Stadt.
Durch schmale idyllische Gassen laufen wir zurück zum alten Hafen, wo wir das 'Baumhaus' sehen wollen.
Unter einem Baumhaus verstanden wir bislang etwa anderes. Aber nun die Erklärung:
Im Baumhaus an der Zufahrt zum Alten Hafen befand sich die Amtsstube des Baumschließers, des Hafenaufsehers oder Hafenmeisters. Er öffnete und schloß mit Hilfe eines im Wasser liegenden mächtigen Baumstammes die Zufahrt zum Hafenbecken. Außerdem hatte er darauf zu achten, daß kein Hamburger Bier oder Wein ohne Erlaubnis des Stader Rates eingeführt wurden und keine Güter ohne Genehmigung den Alten Hafen verließen. Diese wurde nur dann erteilt, wenn der erforderliche Zoll entrichtet worden war.
Das erste Baumhaus stammt aus der Zeit um 1600. Es fiel 1659 dem großen Stadtbrand zum Opfer. Der danach errichtete Neubau wurde 1773/74 durch das noch heute erhaltene zweigeschossigen Fachwerkhaus ersetzt. Bis 1947 war hier das Hafenamt untergebracht, danach diente das Gebäude ausschließlich Wohnzwecken.
1971 übernahm Hans-Jürgpn Berg das bereits auf der Abbruchliste stehende Gebäude von der Stadt Stade und restaurierte es. 1973 eröffnete er im Erdgeschoß ein Privatmuseum "Alt Stade im Baumhaus". Viele Relikte und Kuriositäten aus dem Stader Bürgertum, dem Handel und dem Handwerk des 19. und 20. Jahrhunderts sind hier aufbewahrt und können von interessierten Besuchern in Augenschein genommen werden. Nach einer weiteren Sanierung der Bausubstanz in den 1990er Jahren zeigen sich das Bauwerk und der gepflegte Ziergarten wieder in alter Schönheit.
Direkt gegenüber finden wir ein nettes Lokal, in dem es - natürlich - Fisch gibt.
Die den alten hanse-Hafen säumenden Straßeen nennen sich Wasser Ost und Wasser West. Nur die Wasser West ist von der Sonen beleuchtet. Sie hat aber auch die berühmteren Bauten.
Schwedenspeicher
Der in den Jahren 1692-1705 erbaute Proviantspeicher der schwedischen Truppen in Stade ist der einzige voll erhaltene Repräsentativbau der schwedischen Großmachtzeit. Nach langem Verfall ist der Bau mit 2 Voll- und 3 Dachgeschossen 1975-78 vollständig restauriert und zum Regionalmuseum umgebaut worden, wobei aber die tragende Holzkonstruktion erhalten geblieben ist.
Das sog. Bürgermeister-Hintze-Haus war im Kern ein Kaufmannshaus des 14./15. Jahrhunderts mit zweigeschossiger Diele, ähnlich wie Hökerstraße 26. Im Jahr 1621 ließ der damalige Eigentümer, der Bürgermeister Heino Hintze, die Fassade im Stil der Weserrenaissance ähnlich dem Bremer Gewerbehaus erneuern. 1930 mußte das gesamte Haus abgerissen werden, nur die Fassade wurde Stein für Stein rekonstruiert.
Am Wasser West 7 zieht das so genannte Kunsthaus die Blicke auf sich. Das 1667 erbaute Fachwerkhaus hat drei Geschosse mit ausgeprägten Vorkragungen und Konsolen und im 2. und 3. Geschoß geschwungene Fußstreben.
Seit dem 14. Jahrhundert gehört ein Kran zur Silhouette des Stader Fischmarktes. Er wurde öfters erneuert, 1659 von den Flammen des Stadtbrandes verschluckt, 1661 neu errichtet und 1898 abgerissen, weil nicht mehr gebraucht. Erst 1977 entstand die Hülle des Holztretkrans zur Freude aller Nostalgiker wieder. Im benachbarten Gebäude (heute eine Weinhandlung) wurden zur aktiven Kranzeit die gelöschten Waren gewogen und nach Gewicht versteuert.
Aufbruch: | 23.09.2014 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 30.09.2014 |