Iran - mit dem Fahrrad im Orient
Querbeet Richtung Norden
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich meine ursprünglichen Pläne gleich in den ersten Tagen über den Haufen geworfen habe? Eigentlich wollte ich von Shiraz nach Bam fahren, um mir dort die alte Lehmfestung anzusehen, die sich allerdings nach einem schweren Erdbeben vor gut zehn Jahren noch immer im Wiederaufbau befindet. Außerdem hatte Nik mir davon abgeraten, weil die Gegend von Schmugglern in Richtung Pakistan unsicher gemacht wird und schießlich hatte ich von meinen ersten Wüstenerfahrungen noch genug - und nach Bam wäre es endlos durch die Wüste Lut gegangen - und es ist mir selbst hier noch immer viel zu heiß. Also neuer Plan: Durch die Berge immer Richtung Norden bis ans Kaspische Meer.
Und damit kommen neue Herausforderungen auf mich zu. Da sind zum einen die Berge, zum anderen die Temperaturen. Immerhin habe ich es weitgehend geschafft, die Hauptstraßen hinter mir zu lassen, dafür geht es nur noch rauf und runter - gefühlt wesentlich mehr als rauf als runter. Und das alles bei mindestens 30 Grad - Schatten gibt es nicht, sofern ich den nicht selbst auf das Termometer am Lenker werfe. In der Sonne sind es dann auch schon mal gern 40 Grad. Und dabei sind die vier heißen Monate doch vorbei...
Meine Tagesetappen werden kürzer, dafür nimmt die Zahl der Höhenmeter zu. Ich bin froh, wenn 80km im Schnitt schaffe und komme dabei immer locker auf 1000 - 1500 Höhenmeter, mit Steigungen von bis zu 14% - kein Spaß bei der Wärme. Ich käme gut mit der halben Gradzahl und kurzer Hose klar - beides gibt es hier aber nicht!
Es gibt auch richtige Berge, nicht nur Hügel. Der höchste Gipfel der Bergkette im Hintergrund ist über 4400m hoch!
Die Landschaft wirkt jetzt im Herbst ziemlich verbrannt. Aber wo immer es Wasser gibt, wird Landwirtschaft betrieben und so ändert sich das Landschaftsbild immer wieder. Vor ein paar Tagen bin ich durch eine Gegend mit ausgedehnten Steineichenwäldern. Da lag am Straßenrand für meine Begriffe ein riesiges überfahrenes Wildschwein - auch nicht gerade beruhigend, wenn man hier nachts sein Zelt aufschlägt... Aber bisher war alles gut. Nur einmal hörte ich in der Ferne eine Fuchs oder ähnliches heulen und vom Eindruck direkt neben meinem Zelt anwortete eine ganze Familie - Gänsehaut!
Fladenbrot und Reis sind hier Grundnahrungsmittel, deswegen auch die ausgedehnten Reisfelder (ich kann bald keinen Geflügelkebab mit Reis mehr sehen
Hier auf dem Land geht es ohnehin teilweise noch sehr archaisch zu. Wenn man die modernen Großstädte gesehen hat, fühlt man sich hier in ein anderes Land und in eine andere Zeit versetzt. Es sind sehr viele Wanderhirten und auch Nomaden unterwegs - auch Bilder, die vor Jahrhunderten ganz ähnlich ausgesehen haben müssen.
Immer wieder und überall sind Schafherden unterwegs, sowohl auf den kahlen Hügeln wie auch auf den abgeernteten Feldern
Nicht geändert hat sich die Freundlichkeit der Menschen. An einem Tag fragte ich zweimal nach Wasser und bekam beide Male eine Einladung zum Essen (Was gab's? Natürlich Reis mit Huhn!) Und hier ist gerade Erntezeit für alles gleichzeitig. Zwei Tage fuhr ich durch eine Gegend mit Apfelplantagen. Ergebnis: Von vorbeifahrenden Menschen hatte ich innerhalb dieser beiden Tage ca. 12 Äpfel zugesteckt bekommen. Sonst werden mir auch mal Granatäpfel, Brot, Sonnenblumenkerne oder anderes einfach so geschenkt. Was anfangs noch ganz nett war, geht mit der Zeit doch ganz schön auf die Nerven, nämlich dass so viele meinen, freundlich zu einem sein zu müssen, was sich meistens in elendem Gehupe oder irgendwelchen aufmunternden Worten äußert, die einem aus dem fahrenden Auto zugebrüllt werden.
Tagesausbeute in einer Apfelgegend - die Menschen müssen offenbar glauben, dass die Früchte viel Radfahrenergie enthalten
Inzwischen bin ich nach meinem Bogen in den Süden wieder etwa auf Höhe von Isfahan angekommen, fahre aber westlich an der Stadt vorbei. Schwierig ist es mit Unterkünften, weswegen ich meistens möglichst versteckt in der Natur zelte. Einziges Problem ist dabei immer nur das Wasser. Nachmittags rechtzeitig ca. 8 Liter bunkern, das reicht für die Nacht und die erste Etappe am nächsten Tag. Alle paar Tage muss es dann aber doch mal eines der wenigen Hotels in der Gegend sein, um den Staub und das Salz von der Haut und aus der Kleidung zu bekommen. So auch heute, da ich in einem schicken Hotel sitze und das WLAN für diesen Bericht nutze.
Alles ist knochentrocken und rundherum nur verdorrte Disteln - und dann sprießen überall diese Aaronstabgewächse
Aufbruch: | 19.09.2015 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 10.11.2015 |