Irland im Herbst Teil II
Nancy
Immer nach Osten
Es regnet, es schüttet, dunkle Wolken, gelegentlich ein schmaler Lichtstreif am Horizont aber immer in der falschen Richtung.
Aber es wird etwas heller Richtung Osten und am späten Nachmittag kommen wir in Nancy an, wo wir zwei Tage bleiben wollen. Wieder finden wir die Straße unserer Unterkunft bestens, denken allerdings, das Hotel liege in der „Rue Raymond Poincarré“ auf der rechten Seite, dann sind wir schon vorbei, es ist natürlich links und die „Rue Raymond Poincarré“ ist eine Einbahnstraße, die benachbarten Straßen auch und so müssen wir einige Haken schlagen, bis wir durch die richtige Toreinfahrt in einen Hinterhof kommen, wor wir das „Revotel“, den Ort unserer „reves“ (Träume) finden. Einfach aber praktisch und vor allem ruhig.
Wir sind früh genug da und machen erst einmal einen Stadtbummel. Das ist eigentlich ganz einfach, man geht die Poincarré in so etwa nordöstlicher Richtung hinauf, kommt dann in die „Rue Stanislas“ und auf den „Place Stanislas“, wo der ehemalige polnische König und spätere lothringische Großherzog gewaltige Gebäude hingebaut hat, goldglänzend alles, vor allem die Gitter und die Tore, dahinter ein Park, die Pepinerie.
Mitten auf dem Platz zeigen einige Gartenschmuck-Firmen seltsame Vorschläge zur Gartengestaltung. Na ja. Bei der Tourist-Office treffen wir eine Dame aus Karlsruhe, ein Stand der Partnerstadt, man feiert 50jähriges Partnerjubiläum, der OB sei auch gerade da gewesen.
Da wir Hunger verspüren, machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant, überall ist erst um 7 Uhr geöffnet. Nachdem wir zuerst fast gar nichts gefunden hatten, biegen wir jetzt in eine Straße voller Restaurants ein und um die Ecke ist ein kleines, nettes Restaurant „La Romarin“, wo wir ein sehr gutes Menü bekommen (ab morgen wird gespart!)
Der öde Frühstückssaal in unserem Hotel macht uns nicht sehr an aber um die Ecke ist eine Bäckerei, wo es leckere Croissants und Kaffee gibt und wo man vor allem das morgendliche Leben beobachten kann. Schüler, Studenten, Leute, die zur Arbeit gehen oder eben nur zum Bäcker. Kniehohe Stiefel und kürzeste Röckchen, graue Regenmäntel, alles ist zu sehen und gegenüber wird gebuddelt und irgend eine Leitung repariert.
Art Nouveau und Stanislas
Nancy hat nicht diese bekannten Kathedralen, wie Reims oder Rouen. Glanzpunkte sind neben dem „Stanislas“ vor allem die Jugendstil-Häuser. „Art nouveau“, wie es in Frankreich heißt. Und so wandern wir zuerst einmal in die benachbarte „Rue Foch“, wo wir die ersten Häuser finden, eine Broschüre weißt uns den Weg, genau mit Straße und Hausnummern.
Ganz im Westen, bei der Kirche „Sacre Coeur“, die wir von unserem Hotelfenster aus sehen können, ist die „Villa Majorelle“, eines der schönsten Art Nouveau – Gebäude.
Dann geht es in die „Rue Brice“ und ihre Nebenstraßen, wo wir interessante Villen finden, und von dort Richtung „Rue Pasteur“, vor allem in das „Musée de l’Ecole de Nancy“, wo wir eine Ahnung auch über die Innenausstattungen der Häuser bekommen. Manche der Möbel sind ja nicht so unser Stil, oft sehr bombastisch, handwerklich aber wohl auf höchstem Niveau. Neben Majorelle, einem Tischler, war es vor allem Gallée, ein Glaskünstler und einer der Begründer der „Ecole“. Sehr schöne Gläser und vor allem die Glasfenster begeistern uns. Interessant sind auch einige Gemälde, wo die Personen leicht ironisch wirken, nicht so heroisch wie im vorhergehenden Stil des Historizismus.
Um das Museum ist auch ein interessanter Park, der das ganze noch abrundet. Bei den Häusern muss man natürlich berücksichtigen, dass die meisten noch bewohnt sind und man natürlich die Privatsphäre der Bewohner respektieren muss, was wir natürlich immer tun (siehe De Burgh). Eines der wohl schönsten Häuser direkt neben dem Museum ist so eingezäumt, dass man nur eine Ahnung des Hauses bekommen kann.
Auf dem Weg in die Stadt zurück kommen wir noch einmal durch einen kleinen Park mit äußerst interessanten alten Bäumen.
Wir haben übrigens in Nancy die besondere Fähigkeit entwickelt, Straßen (fast) immer in die falsche Richtung zu begehen. Unseren kleinen Kompass, den wir für die Irland-Wanderungen gekauft haben und nie gebraucht haben, hätten wir hier eher gebrauchen können. So gehen wir falsch, als wir wieder in die Innenstadt gelangen wollen, wo noch einige bewundernswerte Häuser sind, so vor allem das Gebäude der Industrie- und Handelskammer in der anderen „Rue Poincarée“, der „Rue Henri Poincarée“. Henri war Mathematiker und Physiker („Poincarée-Vermutung“, was das ist, weiß natürlich jeder) und Cousin von Raymond Poincarée, der Staatspräsident von Frankreich war. Da beide aus Nancy stammen, wurden sie natürlich mit wichtigen Straßen geehrt.
Das Gebäude der Industrie- Und Handelskammer, hat besonders schöne Glasfenster und nicht weit davon ist die „Brasserie Excelsior“ mit vergoldetem Innenraum, ebenfalls interessanten Glasfenstern, langen Spiegeln und gewaltigen Lampen, fast ein Museum der „Belle epoque“.
Natürlich haben wir jetzt ein Bier verdient und so lassen wir uns auf den Sesseln des Excelsior nieder und trinken aus würdigen Gläsern je einen „Grimhofen“.
In einem kleinen Lokal in der Innenstadt, nahe des Postamts am Place Maginot, essen wir ein „Menue du jour“, einfach aber ganz hervorragend und nicht teuer und sehr freundliche junge Leute, die uns hier bedienen.
Dann wandeln wir noch einmal über den abendlichen „Stanislas“ und gehen dann gemütlich zurück zu unserem Revotel, dem Hotel der Träume.
Wieder frühstücken wir in der „Boulangerie Schindler“, wo man uns schon kennt. Dann packen wir den Rest zusammen und fahren nach 5 ereignisreichen Wochen zurück ins Badische, freuen und auf unsere Familie, vor allem auf die beiden Enkel und werden von unserem Sohn mit einem tollen Menü überrascht....
Zum Schluss:
Irland stand schon lange auf unserer Wunschliste, jetzt als Rentner hatten wir genügend Zeit. Unsere Strategie (siehe auch vorherige Berichte Neuseeland, Korsika, Kalabrien+Basilikata) ist es, in typischen Regionen für ca. 1 Woche ein Ferienhaus zu buchen (Ingrids Spezialität) und dann per Auto / öffentliche Verkehrsmittel / zu Fuß / per Rad die Gegend zu erkunden. Schweren Herzens lassen wir dann oft "Musts" aus, wenn sie einfach nur schwer zu erreichen sind. Wir wollen keine "Sehenswürdigkeiten abhaken", wenn das einach zu viel Stress mit sich bringt. Und: Man findet oft in der Umgebung Dinge, die die meisten Reiseführer gar nicht kennen und die oft sensationell sind (Crohy Head und die Maghery-Beach in Donegal z.B.). Ferner lieben wir es, langsam unsere Ziele zu erreichen und auch noch etwas auf der Strecke zu erleben.
Geholfen haben uns bei Irland der umfangreiche (manchmal etwas schludrige) Reiseführer Irland von Ralph R. Braun und der vis-a-vis Reiseführer Irland (sehr übersichtlich, eher konventionell). Wandertips geben die Wanderführer aus dem Bruckmann-Verlag oder dem Dumont-Verlag. Bei den Nationalparks gibt es meistens gute Tips und auch Karten, auch weiß man da über Wegbeschaffenheit usw. Bescheid. Auch wenn die Berge "nur" 700 m hoch sind (aber meist direkt von Meereshöhe aus) sind sie oft nur schwer zu begehen (nass, keine Wege), also nicht mit dem Schwarzwald verwechseln (auch wenn dort die Berge höher sind).
Gelesen haben wir vieles, empfehlenswert die Tagebücher von Böll (wenn auch aus den 60ern) und Ralph Giordano sowie der Irland - Ratgeber von Ralf Sotschick (heißen die eigentlich alle Ralf/Ralph ??). Ferner empfehlenswert: Hugo Hamilton, ein Deutsch-Ire (diverse Bücher). Und: sinnvoll ist es, einen Vogelführer + Fernglas mitzunehmen!
Linksverkehr ist natürlich gewöhnungsbedürftig, manchmal muss man sich schon sehr konzentrieren. Bei den sehr engen Straßen ist man mit einem kontinentalen Auto ohne mitschauenden und mitdenkenden Beifahrer oft "aufgeschmissen", denn bei Linkskurven sieht man als Links-Sitzender gar nichts. Wir hatten früher in England und vor 3 Jahren in Neuseeland schon "trainiert", dort allerdings mit einem Wagen mit Rechtssteuerung. Noch eine Empfehlung: Bei einem Leihwagen möglichst Automatik nehmen, mit der linken Hand zu schalten liegt nicht jedem...
Unser Fazit: Eine der tollsten Reisen, die wir je gemacht haben (aber das sagen wir fast immer...).
Aufbruch: | 01.09.2015 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 04.10.2015 |
Frankreich