USA, Südstaaten

Reisezeit: August / September 2017  |  von Peter Kiefer

Schneesturm

Schneesturm

Weit fahren wir an diesem Tag nicht. Immerhin wechseln wir den Staat und kommen jetzt von Louisiana nach Florida. Pensacola ist dort unser Halt. In der Touristeninformation macht uns eine (wieder schrecklich nette) Dame den Mund wässrig, als sie uns einen Campingplatz empfiehlt, der ganz am Ende einer schmalen Landzunge liegt, direkt am Meer, am Golf von Mexiko. Zweimal muss man Wegzoll entrichten, ehe man über eine Dünenlandschaft, wo nur noch Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist, fährt und wo der Sand fast so weiß ist wie Schnee. Der Campingplatz ist gut frequentiert und hat ein so kleines Zelt wie unseres wohl noch nie gesehen. Das Meer ist ruhig, viel zu warm, um noch erfrischend zu sein, und bis weit hinaus nur ungefähr kniehoch. Haie sind daher nicht zu erwarten, dafür ziehen andere Meeresbewohner die Aufmerksamkeit auf sich, zum Beispiel riesige Krebse, die von Leuten mit Köchern ohne besondere Mühe eingefangen werden. Auch die Möwen machen Jagd. In immer sehenswerten Sturzflügen schießen sie ins Wasser. Plötzlich bemerke ich, wie mich zwei Meter entfernt zwei Stielaugen anblicken. Leider muss ich mich irgendwann bewegen und der kleine Krebs verschwindet sofort wieder in seinem kleinen Loch. Derlei Löcher sind zahlreich. Zahlreich sind auch die Vögel, die nur zu Fuß unterwegs sind, große, kleine, fußelnd, schreitend und immer genau mit dem Blick auf das Recht des Größeren, Stärkeren. Sie haben einen unbestreitbaren Unterhaltungswert, Karin sammelt währenddessen Muschelzeug und Strandgut. Unweit unserer Zeltplatznische steht ein Baum, auf dem sich, aber wir kriegen nicht raus was es für einer ist, ein Vogel niedergelassen hat. Er hat so knapp die Größe eines Seeadlers und ist mit dem Verspeisen seiner fetten Beute beschäftigt, wohl einem Fisch, den er mit seinen Krallen festhält. Mücken gibt’s natürlich auch und die verspeisen allen unseren diesbezüglichen Sprays zum Trotz uns. Die Nacht im Zelt ist vor allem der großen Hitze wegen schwer zu ertragen, ich schlafe wohl erst gegen Morgen ein. Karin will wieder weg von hier, aber dann überlegen wir und beschließen einen weiteren Tag in diesem unserem speziellen Beach Resort zu bleiben. Downtown frühstücken wir Austern und besuchen ein weiteres Museum, in dem Bilder von Robert Motherwell und Jasper Johns ausgestellt sind. Ein paar Erstklässler schwirren durch die wenigen Räume und ein Lehrer erklärt ihnen in einem, ich nenn’s mal, paramilitärischen Tonfall, was moderne Kunst ist und dass sie, verdammt nochmal, keine Grenzen von Gefühl und Ausdruck kennt. Kinder und abstrakte Malerei sind eine imposante Mischung, der Laut- und Luststärkepegel gibt Auskunft darüber. Im oberen Stockwerk ist alle Kunst aus Legosteinen: Skulpturen, Porträtbilder, und durchweg von einem einzigen Künstler. Weil so einer ja in jedem von uns steckt, liegen in einem gesonderten Saal Legosteine zum Selberbauen aus. Der Nachmittag ist wieder Strandtag. Karin steckt zusammengelesenes Treibholz schräg in den Sand, fotografiert es und nennt es – mal sehen, ob hinterher einer draufkommt – Schneesturm. Unser Abendmahl ist weniger arktisch: Käse, Salami und Rotwein.

What you get is what you see.

What you get is what you see.

© Peter Kiefer, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach Reisen in alle möglichen Teile der Welt waren ausgerechnet die USA, sieht man mal ab von New York, noch terra incognita. Wir wollten unseren "Brecht-Zyklus" schließen, nachdem wir die Städte, die in seinen Songs vorkommen, alle schon einmal gesehen hatten - bis auf (auch wenn's keine Stadt ist) Alabama. Ein amüsanter Vorwand, weiter nichts.
Details:
Aufbruch: 10.08.2017
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 01.09.2017
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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