USA, Südstaaten

Reisezeit: August / September 2017  |  von Peter Kiefer

Das Böse ist überall

Das Böse ist überall

Am Morgen steht gegenüber dem Hotel ein Streifenwagen neben einem angerosteten Pickup. An diesem lehnt leicht verrenkt mit auf dem Rücken gefesselten Händen ein Mann, den das Leben sichtlich gebeutelt hat. Zwei Polizisten haben sich um ihn herum postiert, einer nimmt ein Protokoll auf. Die Provinz tritt wieder stärker in den Vordergrund, die bunt überzeichneten Einkaufsmeilen an den Ausfallstraßen, die sich nahtlos mit den wenig urbanen Shotgun-Häusern abwechseln. Sylacauga ist ein kleiner Lichtblick. Durch Zufall geraten wir dort in ein Footballstadion. Auf dem Spielfeld toben zwei Schülermannschaften. Das Spiel ist in seiner Endphase, fünf reine Spielminuten dauern mit den üblichen Unterbrechungen zwanzig. Touch Downs gibt es reihenweise und die dreizehn-, vierzehnjährigen Cheerleader sorgen vor den Zuschauertribünen für die nötige Stimmung. Der Alabama State Park nahe Guntersville breitet sich um einen langgestreckten See aus, der den Namen dieses Ortes trägt. Im Ranking der amerikanischen Parks steht dieser an der beachtlichen fünften Stelle. Wir schlagen unser Zelt ganz am Ende des ebenfalls langgestreckten Campingplatzes auf, direkt am Wasser. Rehe und Graugänse sammeln sich hier und man lauscht dem sanften Plätschern des Sees. Im Hintergrund ist der Wald, vor uns geht jetzt im Postkartenformat die knallrote Sonne unter, die sich im See spiegelt. Was soll man mehr sagen? Auch den folgenden Tag bleiben wir hier. Da ist Sonntag, die Ferien sind zu Ende und die meisten Leute reisen ab. Außer ein paar Anglern erscheint heute niemand mehr in unserer Nähe. Mit zwei von ihnen kommen wir ins Gespräch, einem jungen Ehepaar, das im nahegelegenen Birmingham lebt. Sie erzählen, dass sie noch nie außerhalb von Alabama gewesen sind. Der Frau, petite, quirlig, mit großen bunten Tatoos, ist nicht einmal der Name Germany bekannt. Als wir ihnen kleine Anekdoten aus der großen weiten Welt erzählen, geraten sie vollends ins Staunen. Der Sonnenuntergang fällt an diesem Abend gänzlich aus, der Himmel hat sich bewölkt und das Böse ist immer und überall. Der Tag endet nämlich, wie er begonnen hatte, mit dem Aufkreuzen eines Streifenwagens. Letzterer hält nur ein paar Schritte von unserem Zelt entfernt, als hätte er es auf uns abgesehen. Doch etwas anderes liegt im Fokus, ein Boot auf dem See, das nun per Lautsprecherdurchsage aufgefordert wird, schleunigst an unserer Uferseite anzulegen. Doch die Anweisung geht offenbar ins Leere. Es ist längst dunkel, als ich mich nach einem Gang zum Waschhaus auf dem Rückweg verirre und in die falsche Richtung laufe. Aber wie kann das sein? Es muss doch … Nein, muss es nicht, sagt mir eine freundliche Dame, die ich frage. Zufällig kennt sie mich sogar, weil sie an der Rezeption des Campingplatzes beschäftigt ist. Mit einem Golfcart bringt sie mich sogar den langen Weg zu unserem Zelt zurück.

Häuser auf Tour

Häuser auf Tour

© Peter Kiefer, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach Reisen in alle möglichen Teile der Welt waren ausgerechnet die USA, sieht man mal ab von New York, noch terra incognita. Wir wollten unseren "Brecht-Zyklus" schließen, nachdem wir die Städte, die in seinen Songs vorkommen, alle schon einmal gesehen hatten - bis auf (auch wenn's keine Stadt ist) Alabama. Ein amüsanter Vorwand, weiter nichts.
Details:
Aufbruch: 10.08.2017
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 01.09.2017
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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