USA, Südstaaten
Eine zitronengelbe Mamba
Eine zitronengelbe Mamba
Karins Wunsch an einer Swamp Tour teilzunehmen (meiner eher nicht) und Alligatoren und Schlangen zu besuchen, erfüllt sich nicht. Ein Boot mit Touristen war gerade zurückgekommen, doch der Tourleiter daraufhin rasch hinter einem eisernen Tor verschwunden. Unser Rufen hat genauso wenig Erfolg wie der Versuch uns mit ihm telefonisch in Verbindung zu setzen. Kurz darauf New Orleans. Wir finden ein Hotel im French Quarter, das man preiswert nennen könnte, käme nicht noch eine Parkgebühr von 35$ pro Nacht hinzu. In diesem französisch genannten Viertel könnte man tatsächlich kurz vergessen, wo man unterwegs ist: kreolische Fassaden, spanische Innenhöfe und vor allem Häuser, die Wand an Wand ein paar enge Straßen säumen. Die Bourbon Street, berühmt und ein bisschen berüchtigt aus ähnlichen Gründen vielleicht wie die Hamburger Reeperbahn, liegt gleich um die Ecke. Karin fühlt sich von dem lautstarken Touristenrummel abgestoßen, ich betrachte es als Jahrmarkt und denke: Mensch, sind wir auch mal hier gelandet. Aus jeder Kneipe, und es scheinen unzählige zu sein, tönt (dröhnt) Musik. Türsteher versuchen einen mit halbwahren Versprechungen ins Innere zu locken. Sieben Dollar kostet das Bier aus einem Plastikbecher, dazu gibt es in unserem Fall eine Live-Band, die mit Jazzklassikern die gute Laune kitzelt. Der korpulente Tubaspieler erzählt uns in einer Pause, dass er als Kind mit seiner Familie, Papa Soldat, in Stuttgart gelebt hat. Weil ich meinen kleinen Rucksack in dieser Kneipe vergessen habe, kehren wir rasch wieder dorthin zurück. Der Barkeeper hat ihn inzwischen fürsorglich in Verwahrung genommen. Wir wandern zum Mississippiufer, wo die Klänge einer Jazzband von einem historischen Schaufelraddampfer zu uns herüberwehen, rolling tourism. Wir sitzen auf einer Bank und ich werde das Opfer eines jungen Schwarzen, der mir – sein Charme ist unbestritten – eine Schuhbehandlung aufnötigt, indem er meine Sandalen mehr schlecht als recht mit einer Creme einreibt und uns dabei zusätzlich eine rührselige Geschichte über sein Leben auftischt. Drei Dollar ist mir das Ganze am Ende wert (und ich bin großzügig), er wollte zehn. Der Tag klingt in einem irischen Billardpub aus. Sie haben da sogar Pilsener Urquell aus dem Fass. Karin hat Zahnschmerzen und wird schon in der folgenden Nacht davon geplagt. Aber wie das so ist, man redet sich selbst gut zu, will es nicht recht wahrhaben und so fahren wir mit der rumpligen historischen Straßenbahn vorbei an wunderschönen Stadtvillen zum Zoo. Ob wir hier mal einen Alligator zu Gesicht bekommen? Fehlanzeige. Und warum auch? Man braucht sich in Louisisna doch lediglich in sumpfigen Gräben neben der Landstraße umzusehen. (Haben wir getan, wenngleich ohne Erfolg und irgendwie auch zu unserem Glück.) Das Zoogelände ist weitläufig, Raubtiere aus der Savanne kommen nicht vor. Sehenswert ist das Reptilien- und Schlangenhaus. Eine zitronengelbe Mamba, noch fast im Babyalter, kommt mir zu meinem Entsetzen sehr schnuckelig vor. Wer freilich Zahnschmerzen hat, für den tritt alles andere schnell in den Hintergrund. Karin hat welche, unverändert. Wir verlassen den Zoo etwas vorzeitig und fragen den Mann an der Kasse nach einer Zahnarztadresse. Auch da wieder: große Hilfsbereitschaft. Er sucht gleich mehrere Adressen zusammen und ruft uns ein Taxi. Die Behandlung dauert dann eine halbe Stunde und besteht im Wesentlichen aus einer Röntgenaufnahme, deren Resultat einigermaßen katastrophal ausfällt, und einem Rezept für Medikamente, die die Entzündung abbauen und den Schmerz für die Zeit, die wir noch unterwegs sind, neutralisieren sollen. Ansonsten müssten, was jetzt sicher nicht förderlich wäre, zwei Zähne gezogen werden. Kostet auch so 100$ plus sixtysomething für die Pillen. Der chemistry shop liegt zehn Fußminuten entfernt und begleitet von einigem Papierkram händigen sie uns die nötigen Döschen aus. Die Wohngegend, die wir auf dem Weg zurück zur Straßenbahn passieren, hat ein bisschen was Filmreifes, Häuser im neoklassischen Stil, eins neben dem anderen, jedes ein wenig verschachtelt, mit breiten Veranden und kleinen Gärten ringsum. Hier lässt es sich bestimmt wunderschön leben, wohl auch, weil bei aller Wohlhabenheit das Gefühl von „unsere Straße“ nicht verloren geht. Den Abend verbringen wir in einer Jazzkneipe, namens Fritzels. Sie hat, wie man heraushört, einen deutschen Ursprung. Die Wände sind mit Bildern und Plakaten verkleidet. Eines davon zeigt das bekannte Uncle-Sam-Motiv mit dem dicken, auf den Betrachter gerichteten Zeigefinger und der Text lautet I Want You For Bundeswehr. Die äußerst muntere Band veranstaltet eine Art Wunschkonzert, durchweg Jazznummern im melodisch-rhythmischen New-Orleans-Stil, und ich merke, dass meine Mundwinkel dauernd gespreizt bleiben. Neben uns am Tisch sitzt ein Mann, mit dem wir ins Gespräch kommen. Er trägt Shorts, ein langes weißes Hemd und ein Monokel. Er schwärmt noch vom Konzert am Vorabend und nennt uns die wichtigsten Restaurants in der Stadt. Ich kann dir auch ein Jackett dafür ausleihen, bietet er mir an. Den Absacker trinken wir dann wieder in der Billardbar, wo zwei Leute erscheinen, die sich gerade hierher geflüchtet haben. Draußen hat nämlich eine Schießerei stattgefunden. Als wir einige Zeit später in unser Hotel zurückkehren, ist alles wieder ruhig und friedlich. Und das war’s dann praktisch schon mit New Orleans, einem echten Südstaatenjuwel, urban und vielgestaltig.
Aufbruch: | 10.08.2017 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 01.09.2017 |