Zum Jahreswechsel nach Südindien
Tirumala
Es geht hoch nach Tirumala, man ist da so eine Stunde unterwegs. Die Busse fahren in Tirupati ab bevor alle Sitzplätze belegt sind, so daß es kein Gedränge gibt. Auf dem Hinweg müssen an einer Kontrollstation alle aussteigen und das Gepäck wird wie am Flughafen (oberflächlich) kontrolliert, dient wohl eher zur Beruhigung.
Tirumala selber liegt oben in einer Ebene, die bergige Landschaft bekam ich nur auf der Fahrt zu sehen. Im Buch „Palast der Götter(1992)“ heißt es: „Die meisten der bis heute erhaltenen Tempelanlagen sind nicht als Mittelpunkte von Ortschaften entstanden, wie die christlichen Kirchen um die herum sich die Menschen ansiedelten, sondern wurden an heiligen Plätzen errichtet, die als Pilgerorte Bedeutung hatten. Oft lagen sie in landschaftlich besonders reizvoller Umgebung, denn man glaubte, daß dort glücksbringende Kräfte wohnen, von denen segensreiche Wirkung ausgeht.“
Der Haupttempel in Tirumala ist Sri Venkateswara geweiht, eine Inkarnation Vishnus. Im Innern befindet sich eine steinerne Statue dieses Gottes, die laut Legende sich selber erschaffen hat. Sie ist auch Ziel der Tempelbegehung, weil Ihr Anblick sündenvergebende Wirkung haben soll. Ausführliches hierzu findet man auf der Tirumala-Homepage
Wenn ich ergänzend hierzu nochmals aus „Palast der Götter“ zitieren darf:
„Hatte man ursprünglich nur Symbole benutzt, um die Götter zu kennzeichnen, und Opfer darzubringen, um die Verbindung zu ihnen herzustellen, entwickelte sich nun das Bedürfnis nach einem persönlichen Gott, und man entdeckte die Möglichkeit der Personifikation. Sie wurde zu einem der wichtigsten und phantasievollsten Elemente der indischen Religionen und mit nicht zu übertreffenden Konsequenz in der Kunst angewandt. Die Darstellung der Götter in Menschengestalt und ihre Ausstattung mit eigenen, charakteristischen Attributen eröffneten unbegrenzte Möglichkeiten, ihr Wesen, ihre Kraft und ihre Fähigkeiten auszudrücken. Jetzt wurde die persönliche Begegnung zwischen dem Gläubigen und seinem Gott möglich ohne die Vermittlung eines Bramahnen, der allein die komplizierten Opferrituale zum Herbeirufen der Götter beherrschte. Der Gläubige konnte das Bildnis seines Gottes betrachten, sich in sein Wesen versenken und ihn persönlich durch bestimmte Handlungen, z.B. das Niederlegen von Blumen oder das Sprechen von Gebeten, verehren.“
George Harrison hat meiner Meinung nach in seinem Lied My Sweet Lord diese Suche nach Gottesnähe für den Westen ganz gut aufbereitet
Ich hatte mir die Tempelbegehung mit allem was dazugehört vorgenommen, d.h. Schuhe abgeben, Fotoapparat abgeben, den Kopf rasieren lassen … letzteres ist eine Besonderheit dieser Pilgerstätte, es heisst hier kommen eine Tonne Haare am Tag zusammen, auch einige Frauen lassen sich die Haare schneiden. Die Rasur mit einem scharfen Messer ging flotter als gedacht, ich verzichte aber mal auf ein Foto, wenngleich ich mich hier durch diese Frisur den Indern gegenüber weniger fremd fühle.
Irgendwann finde ich die Antragsstelle für den abgekürzten Weg ins Tempelinnere, der sogenannte quick Darshan. Dazu braucht man den Reisepass, muss was ausfüllen und bezahlt 300Rs. Die anderen Antragssteller in dieser Warteschlange waren meist Inder die im Ausland leben. Wir rückten langsam vor und irgendwann sollten wir in die 3 parallel verlaufenden jeweils durch hohe Gitter getrennten Gänge münden. Da kam jedoch wiederholt Protestgeschrei auf, und natürlich als ich an der Reihe war „einzumünden“ konnten wir die Schiebetür nicht mehr offenhalten, da waren zuviele die die Tür wieder zuschoben.
Also wieder warten, bis sich die Tür durch einen Tempelbediensteten öffnete. Irgendwie hatten die ein System Leute einzuschleußen. Ich wurde nun aus allen vier Himmelsrichtungen gedrückt, vor allem von hinten, es ging mit mir Richtung Mittelgang, da hatte ich keine Wahl. Ich wunderte mich noch, dass man hier den Gang wechseln konnte. Ich darf sagen, dass ich mich seit meiner Geburt nicht mehr so beengt gefühlt hatte. Vor mir waren ein paar kleinere Inderinnen, die mit lautem Geschrei einen Befreiungsversuch starteten, half aber nicht viel. Ein Glück dass diese Enge nur so 2 Minuten anhielt, im etwa einen Meter breiten Hauptgang entlud sich der Druck. Es ging aber nur langsam vorwärts durch diverse Serpentinen. Irgendwann ging es nicht mehr weiter, wir standen so etwa 45 min, für die meisten kein Platz sich auf den Boden hinzusitzen. Wie weit noch? 500Meter wurde mir gesagt. Das ist also die Abkürzung.
Immerhin funktionierte die Luftzirkulation gut. Als wir uns wieder in Bewegung setzen konnten war es glücklicherweise doch nicht mehr so weit. Wegen der hohen Gitter gibt es da kein Zurück und kein Raus nur ein Vorwärts, nicht Jedermanns Geschmack. Sah auch Eltern mit Kind! Insgesamt war ich da mehr als 2 Stunden in diesem vergitterten Gang.
Da kam dann Freude auf als ich Lord Sri Venkateswara ansichtig wurde.
Im weitläufigem Tempelvorplatz sieht man recht häufig diese Frisur, manchmal sogar bei allen Familienmitgliedern.
Jeden Abend gegen 17:00 beginnt eine längere Zeremonie. Zu Beginn wiegen Priester eine an Seilen aufgehängte goldene Statue Sri Venkateswara's hin und her während dessen die Zuschauermenge zunimmt
….die nach einem längeren Rundgang, der von vielen „Govinda“-Rufen begleitet ist, wieder am Tempelvorplatz angekommt. Die vergoldete Statue wird in einen anderen Raum als zuvor geführt.
und später am Abend noch was frisch aus der Pfanne bevor es mit dem Bus wieder zurück nach Tirupati geht
Etwas oberhalb des großen Tempelvorhofes traten Musikgruppen auf, die so alle 1-2 Stunden wechselten. Eine Art Chanting, ein Vorsänger singt, dem antwortet dann die Gruppe. Die Vorsänger wechseln jeweils. Meist gesellen sich so 10-20 Zuhörer dazu.
Eine Bühne am großen Tempelplatz. Jeden Abend nach der Umzugsprozession trat hier eine andere, immer recht farbenprächtig gekleidete Truppe auf.
Bei Youtube habe ich hierzu ein paar Szenen abgestellt. Vielleicht kann ich das später zu Hause noch frisieren.
Das Busfahren bereitet mir tatsächlich inzwischen Rückenschmerzen. Versuche möglichst weit vorne zu sitzen, wenn der Fahrer abbremst weil ein speedbreaker kommt verkrampfe ich schon vorab - das reicht erstmal mit dem Busfahren. Gegenüber dem Bahnhof von Tirupati gibt es ein Reservierungsbüro, habe mir dort ein Zugticket für den Madras-Express gekauft. 3,5 Stunden bis Chennai.
Aufbruch: | 13.12.2017 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 08.02.2018 |