Toskana alpin: So kennt man sie weniger (Apuanische Alpen)
Ein minder kritischer Fall
Eigentlich wollten wir ja noch einen echten Markt mit Lebensmitteln besuchen und wollen das in Savigny tun. Doch ich habe mich im Tag geirrt, und heute ist nur Markt in Forte dei Marmi. Dafür der Größte der Region, wie uns versprochen wird. Also gut. Die Parkplatzsuche ist wie immer lästig, doch irgendwann ist das Auto geparkt und der Markt gefunden. Es gibt NUR Klamotten, aber selbst der Ramsch ist, verglichen mit Massa, teuer, und das Schöne noch mehr. Eklig sind die vielen Stände mit Pelzwaren – gefärbt, geschoren, zusammengenäht, die Tiere zuvor gequält.
Es fällt mir leicht, den Geldbeutel zu zu lassen. Bis ich auf einen kleinen, unscheinbaren Stand treffe – eine Tierschutzorganisation. Zwei Damen mit Hündchen informieren mich in gebrochenem Englisch, dass sie sich um Streunerhunde aus dem italienischen Süden kümmern und sie kastrieren lassen. Da spende ich doch gerne und bekomme ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Nessun gesto gentile per quanto piccolo è mai sprecato“ - keine freundliche Geste, und sei sie auch noch so klein, ist vergebens.
Ab Savazza laufe ich wieder hoch, diesmal den weiteren Weg über Guatemala ohne Mizzi, und freue ich mich auf ein Lesestündchen im alten Steinbruch.
Kein Urlaub ohne Krankenhaus
Leider gibt es ein anderes Programm. Urban klagt über eine Ausweitung der Rötung seines Zeckenbisses, den er sich zuhause eingefangen hatte. Damit er nicht noch mehr Horrorberichte aus dem Internet liest, schlage ich einen Besuch in Sawatzki beim primo soccorso in der Ambulanz vor, in der Hoffnung, nach überschaubarer Wartezeit ein wenig schlauer zu sein. Weit gefehlt. 80 Kurven tiefer gibt man sich mit touristischen Bagatellen nicht ab (wahrscheinlich eher mit von Marmorblöcken zerquetschten Beinen oder durch die Diamentkette durchtrennten Glieder, wir wissen es nicht), und schickt uns nach Lido di Camaiore ins Krankenhaus.
Auf dem Weg zur Ambulanz, die wir erst suchen müssen, kommen wir an grusligen und reichlich indiskreten Schildern wie "Anlieferung für künstliche Ernährung" oder "Totensaal" vorbei, und laufen durch OP-Bereiche. An der ambulanten Aufnahme für Kinder melden wir uns und werden belehrt, dass Urban ja kein Bambino ist, bekommen aber den Weg gezeigt.
Dann gibt es einiges auszufüllen, das Englisch ist mies von allen, doch ein Mädchen kümmert sich um uns und fragt alle 10 Minuten, ob wir schon aufgerufen wurden. Abwechselnd muss Urban nochmal seinen Ausweis und die Krankenkarte vorzeigen. Das System ist undurchschaubar; es gibt Nummern und Namen, die aufgerufen und in die rote (für die schweren Fälle), die gelbe, grüne und blaue Tür gebeten werden, und die Zeit vergeht.
Dann bekommt Urban ein Bändchen mit der Nummer 719 verpasst, und wir warten gespannt, bis wir hoffentlich settecentodicianove verstehen. Doch er wird persönlich abgeholt und wir dürfen die grüne Tür, die für die minder kritischen Fälle, passieren. Dort liegen Menschen auf Bahren, bekommen Infusionen, Bettpfannen oder Spritzen. Alles auf Marmorboden. Da es sprachlich nicht rund läuft, müssen sich drei Ärzte mit uns beschäftigen, aber irgendwie geht es. Ein gut aussehender Arzt im blauen Hemd schlägt zwei Antibiotika vor und rät uns, mit Urbans Hausarzt zu telefonieren, weil der Verdacht besteht, dass er eins nicht verträgt. Keine schlechte Idee. Dann passiert erst einmal wieder nichts. Bettpfannen werden getragen, Spritzen gesetzt, Dinge am Computer eingetragen. Endlich kommt eine gut aussehende Schwester mit einer Eulentätowierung am Unterarm und gibt Urban eine Tetanusspritze. Weiterhin warten wir auf das Rezept.
Bei der nächsten Runde wird in der Zeckenwunde gebohrt und diese gesäubert. Inzwischen bin ich SEHR ungeduldig, denn heute ist das Spiel der Kroaten gegen England. Endlichendlich bekommen wir das begehrte Rezept und können gehen, fahren durch die Ebene, 80 Kurven hoch, duschen, fahren wieder ein Stockwerk runter nach Gustav und werfen uns vor den Fernseher.
Und tatsächlich kegeln die Kroaten die Engländer raus, diesmal ohne Elfmeterschießen, was unsere Zeche schlank hält, und sind im Finale.
Aufbruch: | 30.06.2018 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 14.07.2018 |