Toskana alpin: So kennt man sie weniger (Apuanische Alpen)
Im Marmordom und open house für Geschmeiß
Carrara! Eine kilometerlange Stadt, die sich vom Meer mit dem weltgrößten Umschlaghafen für Marmor bis in die Berge mit ihren Steinbrüchen zieht. Wir schrauben uns hinauf zum Steinbruch Frantiscritti, dessen Höhle Nr. 84 im Rahmen einer Tour besucht werden kann. Und die lohnt sich. Nicht nur, dass es da herinnen einfach angenehm kühl ist und wir für eine Weile den gut über 30 Grad entfliehen können. Wir lernen viel über die Geschichte des Marmors, wie er entstanden ist (aus dem Druck von Steinmassen auf ehemaliges Meer und dessen Bewohner, deren Skelette für das Kalziumkarbonat, den Hauptbestandteil von Marmor, sorgten), dass in diesem Stollen Michelangelo persönlich seinen Marmor ausgesucht hat, wie Marmor geschnitten wird (mit einem Diamantseil 5 m in der Stunde), dass noch zwei Familien in diesem Stollen arbeiten, und wir bewundern den Abschnitt, wo erstmals Sekt nach Champagnermethode hergestellt wird. 200 Euro soll die Flasche kosten, und er heißt „Straordinario“, nach dem berühmten reinweißen Marmor, von dem eine Tonne 7000 Euro wert sein kann.
Mit diesen wassergefüllten Eisenkissen wurden dem Marmor Risse zugefügt, um ihn besser aus der Wand zu lösen.
Betroffen hören wir, dass für Mussolinis größenwahnsinnigen Obelisken in Rom ein 17 m hoher Block aus diesem Stollen geholt wurde, dessen Transport allein ein halbes Jahr gedauert und viele Menschen das Leben gekostet hat. Auch Kinder.
Unbemerkt schlüpfe ich an eine Ecke, wo der ganze Marmorabfall rumliegt und stopfe mir den Rucksack mit kleinen geschliffenen Stücken voll. Herz, was begehrst Du mehr. Das Armband mit weißen und grauen Marmorperlen erstehe ich ganz legal.
Auf dem Rückweg erleben wir ein Seebad der anderen Art und weitaus interessanter als die Sonnenschirm- und Liegestuhlghettos von Forte dei Marmi: Ganz am Ende von Marina di Massa, wo fast schon der Marmorhafen von Carrara beginnt, liegt man auf Marmorblöcken (was auch sonst) mit einer beeindruckenden Industriekulisse und weiter weg den Apuanischen Alpen im Rücken. Etliche ältere Signori, braungebrannt und runzlig, aalen sich auf den Felsen und palavern ununterbrochen. Italiener eben.
Am Abend strahlt unser Haus eine merkwürdig gastfreundliche Stimmung aus: Es ist windstill, und die Schnaken schwirren auch draußen blutdurstig um uns herum. In der Küche brummt ein Neuntöter oder eine Hornisse, jedenfalls ein großes Ding. Die Hündin Lina besucht uns und kann sich gar nicht mehr trennen, und etliche der Dorfkatzen, die sich bisher vornehm zurückgehalten hatten, trauen sich immer näher an unsere Türschwelle heran. Da wir hoch und heilig versprochen hatten, sie nicht zu füttern, verjagen wir sie. Ja, die Katzen …
Es gibt eine ohne Schwanz, eine mit Gesäugetumor, und ein völlig verfilztes Exemplar, die uns natürlich leidtun. Die meisten sind allerdings jung und in gutem Zustand. Im Bad hat sich ein riesenhafter Tausendfüßler, lang wie ein Finger und fast ebenso dick, aus seinem Versteck hinter dem Schalter des Boilers hervorgewagt. Da ich ihm nicht beim Duschen begegnen will, trage ich ihn raus, wo er sich einen neuen Schlafplatz suchen muss.
Aufbruch: | 30.06.2018 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 14.07.2018 |