Brasilien - Von Sao Luis nach Sao Paulo

Reisezeit: August - Oktober 2005  |  von Roland E.

Arraial Ajuda

Wo soll ich hin? Es regnet überall in Brasilien. Doch wenn ich schonmal hier bin, kann ich doch gleich noch Arraial Ajuda besuchen. Es soll ein wilder, junger Ferienort sein. Von Porto Seguro aus kann man mit einer Fähre über einen Fluss setzen und vom andern Ufer aus sind es noch 5 Kilometer. Arraial liegt ebenfalls auf einem hohen Hügel. Hier angekommen führt mich ein Scout in eine Pousada: Sie gehört einer resoluten italienischen Frau vom Typ des knallharten Managers, ohne aber unsymphatisch zu wirken. Ich bezahle 20 R. für ein gutes Zimmer und der Scout erhält seine Provision. Es ist ein fairer Deal. Das Zimmer ist ganz klar europäisch. An der Wand hängt eine strenge Hausordnung, wie sie sonst nur in Europa zu finden ist und ich denke, dass dies einen Brasilianer eh nie kümmern wird. Die Dusche könnte aus einem gutem europäischen Hotel stammen, es gibt sogar Warmwasser und das Beste: Die erste Toilette in Brasilien auf der ich sitze, in der ich das WC-Papier herunterspülen darf!
Ich versuche ein Mietvelo zu ergattern, aber heute ist Samstag, das Geschäft öffnet erst wieder am Montag. Dafür gibt es hier gutes Brot. Der ganze Küstenabschnitt soll im Besitz von Italienern und Portugiesen sein und ich werde aufgefordert, hier doch auch eine Pousada zu eröffnen. ich denke aber, was ist denn das für ein Leben. Den ganzen Tag rumzusitzen. Das mag ja am Anfang noch schön sein, aber irgendwann fehlt doch die Herausforderung. Auf die Pizza hier sind die Italiener besonders stolz. Ich hingegen finde sie kaum besser als die 'brasilianischen'. Der Teig erinnert mehr an einen nicht ganz durchgebackenen Kuchenboden als an eine Pizza. Arraial ist mitnichten mehr ein junger, hipper Ferienort. Längst haben teure Boutiquen, Restaurants, Hotels, Kleiderläden etc. einzug gehalten. Auf der einen Seite des Hauptplatzes ist es sehr teuer und touristisch, auf der anderen Seite billig und einheimisch.

Am Abend ist bei den Einheimischen Forro-Party. Schade, leider empfinde ich keine Freude beim tanzen, so schaue ich etwas zu.

Am Frühstückstisch gibt es nur Früchte. Einerseits herrlich, andererseits hätte ich dazu gerne Brot, weil sonst der Dünnpfiff vorprogrammiert ist. Die Chefin der Pousada sagt, dass die Brasilianer ihr manchmal wie kleine Kinder vorkommen: Sorglos und wenig diszipliniert. Ich kann mir vorstellen, dass sie als resolute Frau beim Bau der Pousada mit den brasilianischen Behörden und Firmen manchmal dem Nervenzusammenbruch nahe war. Ich erfahre endlich, warum man nicht gut schnorcheln kann. Im September ist das Wasser zu trübe. Erst ab November ist die Sicht besser! Ich geh ein bisschen an den Strand. Es ist zwar nicht sonnig, aber trocken. Als es zu regnen beginnt, will ich mein Bier bezahlen. In ganz Brasilien hatte ich noch nie soviel für ein Bier bezahlt. Ausgerechnet im 'jungen, hippen' Arraial zocken sie einen ab! Troco (Rückgeld) gibts auch nicht. Als ich reklamiere bekomme ich 2 Real statt 3.20.-. Man sagt mir, ich solle mich gedulden, er warte auf Kleingeld. Ich insistiere mehrmals und beim dritten Mal, nach etwa 10 Minuten, macht er die Kasse auf und gibt mir einen Real. Von wegenwarten auf Kleingeld, denke ich, die wollen mich einfach nur bescheissen. Ich verweise auf die 20 Cent, doch er meint, die gibts nicht, kein Münz. Überall hätte ich auf die 20 Cents verzichtet, aber hier nicht! Ich dränge, mache, tue, möchte den Boss sprechen, dann eine schriftliche Bestätigung, dass mir die Auszahlung von 20 Cents verweigert wurde, hindere ihn wo es nur geht bei der Arbeit und irgendwann macht er die Kasse auf und holt 20 Cents raus.

In der Pousada versuchen mich die Italiener zu einer Frau zu überreden. Ich soll mir eine aussuchen und ihr nur Komplimente machen. Kein Geschwätz, das mögen sie nicht, sie wollen nur Komplimente hören und schicken mich auf die Jagd. Aber mir steht der Sinn nicht nach einer Brasilianerin. Irgendwie dreht es sich ja doch immer nur ums Geld, zudem kann ich mich als Gringo den Frauen sowieso nicht entziehen und so geschieht es auch heute. Celiny quatscht mich an, sie kann Englisch und Französisch und war schon in der Schweiz. Sie hat unglaublich weisse Zähne, lacht ständig, ist hübsch und symphatisch. Nebenbei kommt sie aus Salvador. Also entscheide ich mich wieder für die Variante "Bier zu zweit statt Bier allein". Sie spielt ihre Rolle perfekt und "zieht ihre Schlinge immer fester um mich". Häufiger werden die Berührungen und bald gibts sie mir einen Kuss auf die Backe. Und sie schlägt mir vor, an einem anderen Ort zu gehen, wo das Bier billiger ist. Alles gut, denke ich, aber Unheil naht. Zwei ältere, ausgewanderte Italiener nähern sich. Celiny haucht mir ins Ohr, dass sie hofft, bei dem einen Arbeit zu finden um ihre Ferien finanzieren zu können. Die Italiener setzen sich hin und ich biete ihnen wie landesüblich mein Bier an, was der eine auch gleich nutzt um es mir wegzutringen. Noch ein paar Flaschen werden bestellt. Ich werde aus dem Gespräch ausgeklinkt und komplett ignoriert. Froh bin ich, als Celiny sagt, wir sollen aufbrechen. Ich bezahle mein Bier und das "Game" beginnt. "Per Zufall" laufen wir an einem Mototaxi vorbei. Er ruft etwas zu uns und Celiny sagt, dass sie ihm 8 Real schulde und ob ich es ihr nicht vorschiessen könne. Ihre Freundin würde nachher kommen und diese hat einen Schlüssel zu einem Haus und dort ist ihr Geld. Und schon sitz ich in der Falle. Das Geld werd ich nie mehr sehen und der Mototaxifahrer und Celiny werden sich wohl die Beute teilen. Jetzt müssen wir aber durchs Dorf laufen um ihre Freundin zu suchen, doch in Wirklichkeit gehen direkt auf eine Bar zu. Celiny möchte hier ein Bier trinken, ich aber teste umd gebe vor, noch etwas warten zu wollen und somit verliere ich für Celiny den Nutzen. Aber wie wird sie mich los? Sie sagt, dass ihre Freundin vielleicht an einem anderen Ort ist und sie nimmt jetzt das Mototaxi um sie dort zu suchen und ich darf nochmals 8 Real bezahlen. Dann setze ich mich in eine Bar, zu den auch anwesenden Italienern mag ich nicht setzen. Celiny kommt zurück, ignoriert mich und setzt sich zu den Italienern. Ich setz mich dazu, doch mir wird kein Bier angeboten und die Italiener würdigen mich keines Blickes. Ihre Arroganz kotzt mich an, gerade macht sich der eine über sämtliche Völker Europas lustig. Sein Humor ist weder witzig noch sonstwie lustig, eher bösartig, aber Celiny prustet sich jedesmal vor Lachen. Ich kann sie durchaus verstehen: Die Italiener finanzieren ihr den Ausgang. Ich geh spazieren und lande auf einer Forro-Party, diesmal im reichen Teil. Doch ich bin verwirrt. Ich möchte in die Pousada nachdenken gehen. Auf dem Rückweg lauf ich Celiny und den Italienern über den Weg. Der Abschied ist kühl, ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen. Sie entschuldigt sich für alles und ich frage mich, was sie mit 'alles' meint. Die Italiener ignorieren mich. Es ist schon eigenartig. Ich wusste ja bereits im voraus, wie die Geschichte enden wird, trotzdem bin ich enttäuscht. Es ist dieses 'fallengelassen' werden, was mich beschäftigt und ich stelle mir die Frage, ob sie mich vielleicht doch ein bisschen gern gehabt hat oder ob sie tatsächlich so eiskalt ist und den ganzen Zirkus nur des Geldes wegen veranstaltet hat.

© Roland E., 2006
Du bist hier : Startseite Amerika Brasilien Arraial Ajuda
Die Reise
 
Worum geht's?:
Leider ohne Fotos - Ich 'verlor' meine Digicam...:(
Details:
Aufbruch: August 2005
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: Oktober 2005
Reiseziele: Brasilien
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.