Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.
Siem Reap
Am nächsten Tag soll unsere Tour schon um 07.30 Uhr losgehen, dass heisst, dass wir früh raus müssen und das nach einer Nacht in einem völlig überhitzten Zimmer. Beim Frühstück sagt uns das Hotelpersonal, dass wir das Essen gratis bekämen, da ja unsere Klimaanlage nicht funktioniert habe. Na, das ist ja schon mal was. Doch was wir vor allem haben ist Durst! Also bestellen wir viel flüssiges zum Frühstück. Tea (sprich Tia), unser Tuk Tuk-Fahrer wartet schon, er könnte sonst noch zu spät sein. Er ist wirkliche ganz freundlich. Wie sich im Laufe des Tages herausstellt, ist er sogar gegenüber von Ankor Wat aufgewachsen und lebt auch heute noch da, er kennt also jeden Winkel und jeden Stein. Um die Schule zahlen zu können hat er als Junge Privatführungen durch die Ruinen gemacht und somit natürlich auch sein Englisch verbessern können. Er spricht wirklich sehr gut englisch und wirkt sehr schlau. Wenn er die gleichen Bildungschancen wie in der Schweiz gehabt hätte, hätte er es bestimmt weit gebracht. Aber dies wird in Kambodscha noch lange nicht der Fall sein, leider.
Wir machen heute die kleine Tour, welche uns 12 USD bei Tea kostet und 40 USD kostet der Eintritt für 2 oder 3 Tage ins Gelände vom Staat. Als Eintrittskarte bekommen wir einen richtigen Ausweis, mit modernsten Methoden erstellt und mit unserem Foto drauf!
Noch kurz ein Geschichtseinschub, damit man diese gewaltigen Ruinen besser versteht:
Zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert entfaltete sich im Königreich Kambodscha eine mächtige Kultur. Mehrere Khmer-Könige (Kambodscha war früher ein Khmer-Reich, deshalb sagt man der gesprochenen Sprache auch Khmer) liessen sich in der Umgebung des Tonle-Sap-Sees viele religiöse Baukunstwerke errichten. Nur die Tempel sind heute noch zu bewundern, da es allein den Göttern vorbehalten war, in Steinbauten zu hausen. Leider längst verfallen sind die aus Holz und Bambus errichteten Paläste und Wohngebäude. Doch nur schon die Ruinen der Tempel lassen einem aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Jayavarman II. hat mit dem Bau einer gewaltigen Tempelanlage im 8. oder frühen 9. Jahrhundert begonnen. Auf einer Gesamtfläche von mehr als 200 km² wurden nacheinander mehrere Hauptstädte und in deren Zentrum jeweils ein grosser Haupttempel errichtet. Bis heute wurden bereits mehr als 1000 Tempel und Heiligtümer unterschiedlicher Grösse entdeckt. In Angkor lebten am Höhepunkt des historischen Königreiches rund 1 Million Menschen, mehr als in jeder europäischen Stadt dieser Zeit.
Eine starke Bautätigkeit setzte sich unter Indravarman I. (Ende des 9. Jahrhunderts) ein. Ihm war bewusst dass er für die vielen Bauarbeiter auch genügend Nahrung zur Verfügung stellen musste. Er liess deshalb ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem errichten. Indravarman I. liess sogar eine natürliche Senke in einen See umwandeln, Baray von Lolei. Dieser riesige See diente der Bewässerung der Reisfelder und der Versorgung der Hauptstadt. Durch die grosse Reisproduktion war es möglich die Bevölkerung insbesondere die Armee reichlich mit Nahrung zu versorgen. Es waren nun bis zu drei Reisernten pro Jahr möglich.
Der grösste und wohl bekannteste Tempel, Angkor Wat, wurde von Suryavarman II. anfangs des 12. Jahrhunderts in 37 Jahren errichtet.
Wir entscheiden uns, nicht mit dem Touristenstrom zu gehen, und somit Angkor Wat erst am Schluss zu erkunden.
Wir werden überwältigt von riesigen Anlagen mit wunderschönen Steinhauerarbeiten, die man einfach gesehen haben muss, um sich ein Bild davon machen zu können.
Bei der Besichtigung eines Tempels wird Rolf plötzlich von einem "Polizisten" angequatscht. Da er eine Uniform trägt, hört ihm Rolf geduldig zu. Auf einmal zückt der Polizist eine Polizeimarke hervor und fragt, ob er diese kaufen möchte. Rolf schaut völlig verdutzt drein, jetzt will der auch noch seine Polizeimarke verkaufen??? Rolf lehnt dankend ab, er möchte nicht plötzlich Probleme bekommen, wenn er damit umherläuft. Schon hat der "Polizist" (wenn es überhaupt einer war) sein nächstes Opfer gefunden.
Wir haben so viele Fotos bis Mittag gemacht, dass wir Tea bitten müssen, uns zum Hotel zurück zu fahren, um dort unsere Fotos auf unser Massenspeicher-Gerät zu laden. Somit können wir ja dann auch gleich in der Stadt unser Mittagessen einnehmen.
Während Tea und ich auf Rolf warten, welcher die Fotos transferieren geht, frage ich Tea ein wenig nach seinen Leben.
Er ist eben genau gegenüber Angkot Wat aufgewachsen. Als dann die Tempelanlagen immer mehr touristisch besucht wurden, wuchs Siem Reap zu einer Stadt an. Nun wollte man auch die Leute aus dem Tempelgebiet weg haben, es war immer noch das zu Hause von vielen Kambodschanern, denn da hatten sie den Schutz der Bäume gegen Hitze. Viele Bewohner konnten sich natürlich den Umzug in die Stadt nicht leisten. Somit hat dann die Stadt für die arme Bevölkerung eine Ausnahme gemacht. Diese dürfen nun noch immer im Gebiet der Tempelanlagen wohnen. Tea verspricht mir, sein Haus zu zeigen, wenn wir am Nachmittag wir losziehen. Natürlich frage ich ihn auch nach Pol Pot. Er antwortet erst nach einer Weile und seine Miene trägt traurige Züge. Er meinte dann, dass Pol Pot gar nicht so schlimm gewesen sei, die Khmer Rouge seien die schlimmen gewesen. Bei mir taucht ein Fragezeichen auf, Pol Pot hat ja doch die Khmer Rouge angeführt!? Aber vielleicht ist dies, was ihnen hier nun erzählt wird. Ich sage mir dann, dass es vielleicht besser ist, wenn sie gar nicht alles so genau wissen, es ist einfach zu schrecklich.
Bei der Frage nach Minen meint Tea, dass man die Minen in dieser Region vor ca. 3 Jahren nun vollständig (hoffentlich) entfernt habe. Bis dahin hatten sie aber noch viele Minenopfer. Er hat wegen einer Mine seinen grossen Bruder verloren, welcher bloss auf dem Reisfeld arbeiten gehen wollte.
Er der Stadt wollen wir einmal ein richtiges Khmer-Essen probieren. Wir sind sehr überrascht, es schmeckt wirklich gut. Nach dem vietnamesischen Essen, das man nach Weile gesehen hat, weil alles immer heiss angebraten war. Doch das Khmer Essen hat sehr starke Ähnlichkeit mit dem Thailändischen, das heisst viel mit Currysauce und gut gewürzt.
Nach dem Essen organisieren wir noch einen Abholdienst für das englische Pärchen Jackie und Rich am Abend. Ein Freund von Tea soll an der Bushaltestelle ein Schild mit den Namen der beiden aufhalten und darunter schreiben: "Gruss Rolf".
Am Nachmittag ging's weiter mit unserer Erkundungstour. Als erstes zeigte uns Tea noch sein Haus. Wir waren schon ein wenig geschockt, als wir sein Heim sahen. Es war eine kleine Strohhütte, ohne Wasser und ohne Strom. Seine Frau, welche in 2 Wochen ihr erstes Kind kriegt, steht am Strassenrand und verkauft Früchte, welche sie am frühen Morgen auf dem Markt kauft. Auf die Frage, warum Tea seine Frau hoch schwanger noch arbeiten lasse, meint er: er habe ihr schon gesagt, dass sie zu Hause bleiben solle, aber sie meinte dazu nur, dass es ihr zu Hause zu langweilig sei. Wir entscheiden uns, am Abend eine süsse Ananas bei ihr zu kaufen.
Einige Tempelanlagen kann man auch besteigen, da ist keine Absperrung. Doch die Treppenstufen sind extrem schmal und steil. Einige sind schon so weit abgewetzt, dass sie kaum mehr existieren. Und so geht es dann fast senkrecht einige Meter in die Höhe. Ich musste dann noch einigen Metern passen. Das war mir dann doch zu hoch und beim Gedanken, das alles wieder runter zu müssen, liess mich umkehren. Rolf hat's geschafft!
Am späten Nachmittag wagen wir uns dann nach Angkor Wat. Da bleibt einem einfach nur noch der Mund offen stehen! Alles ist so riesig und mit so vielen lieblichen Details. Wahnsinn!!! Auch da kann man im Innenhof der Anlage noch einen Turm besteigen. Ich verzichte hier schon von Anfang an, Rolf wagt sich zum Abenteuer. Ganz hinten entdecke ich dann sogar eine Treppe, so ein Geländer angebracht wurde und die Stufen verkleinert. Rolf wollte dann auch da runter, aber dafür musste er eine geschlagene Stunde anstehen.
Für den Sonnenuntergang machen wir uns zum Haupttor auf. Wir haben uns entschlossen, nicht wie alle Touristen zu diesem berühmten Platz für den Sonnenuntergang zu gehen, weil man einer unter tausenden ist. Die Sonne ist von unserem Platz aus zwar dann bald mal hinter den Bäumen verschwunden, aber es war trotzdem wunderschön. Wir haben da einer kambodschanischen Familie zugeschaut, wie sie mit Angkor Wat im Hintergrund professionelle Fotos von einem Fotografen machen liessen. Jedes Familienmitglied hat sich in seine besten Kleider geworfen, auch die Oma. Zuvor wurde jeder noch frisiert.
Nach einigen Fotos kamen sie plötzlich auf uns zu und versuchten uns mit den Händen irgendetwas zu sagen. Zuerst glaubte ich, dass sie gerne unseren Platz haben würden, um ein Foto zu machen. Aber plötzlich formierte sich die ganze Familie neben uns auf und der Fotograf stellte sich vor uns auf. Somit wurden wir auf einem Foto einer kambodschanischer Familie verewigt, ohne diese jemals zuvor gesehen zu haben! Nun wurde ich an der Hand genommen und neben eine junge hübsche Frau der Familie gestellt. Also noch ein Foto, diesmal wieder mit dem Tempel im Hintergrund. Ich habe mir dann so vorgestellt, wie ich nun irgendwo in einem kambodschanischen Haus in einem Bilderrahmen hänge und alle Gäste diese Europäerin anstarren!!
Kurz nachdem wir das Hotel erreicht haben, kommen auch schon Jackie und Rick mit dem Tuk Tuk angebraust. Sie waren heil froh, dass wir ihnen diesen Abholdienst organisiert haben, denn auch sie wurden von tausenden von Fahrern belagert und am Ärmel gezerrt. Zusammen haben wir uns dann vom Hotel in die Stadt fahren lassen (das Hotel bietet diesen Dienst sogar gratis an), um dort indisch zu essen.
Rolf und Rich haben dann zurück im Hotel noch weiter ein paar Biers getrunken. Dabei wurden sie von einem etwas verwirrten Menschen belagert, der sagte, er wolle englisch lernen. In seinem gebrochenen englisch hat er ihnen erklärt, dass er in der "Secret Police" arbeite. Wer's glaubt wird selig. Um 02.00 Uhr haben sich dann aber auch die zwei aufs Ohr gehauen.
Aufbruch: | 22.10.2006 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 11.01.2007 |
Vietnam
Kambodscha
Neuseeland