Zwei Schweizer in Mexiko

Reisezeit: Oktober 2007 - Juli 2009  |  von Reto Loretz

Dritter Bericht an die Sempacherwoche

Wenn die Toten lebendig werden

Mexiko ist anders. Die Leute, die Landschaften und auch die Traditionen unterscheiden sich zur Schweiz. Ihre alten Kulturen leben teilweise in der modernen Zeit weiter. Eindrücklich ist dies am 1. November, am "Dia de los Muertos". Schon Wochen vorher werden in den Geschäften und auf der Strasse Totenköpfe und Skelette aus Süssigkeiten oder Plastik angeboten. In den Bäckereien kann man Totenköpfe aus Zucker kaufen, auf denen Namen der Verstorbenen geschrieben sind. Der Tag der Toten ist kein Trauertag, sondern wird in Mexiko als ein Festtag für die Verstorbenen zelebriert. An diesem Tag besuchen die Toten die Lebenden. Die Toten wachen aus dem Jenseits über die Lebenden. Dieser Brauch beruht zwar auf der christlichen Religion, hat sich mit der Zeit aber mit den Glaubensvorstellungen der indigenen Völker (wie z.B. der Mayas) vermischt.
Wir machten uns ein eigenes Bild dieses Brauchtums und besuchten am Abend des 1. Novembers die Stadt Ocotepec. Sie ist berühmt für die traditionelle Feier des "Dia de los Muertos". In den Gassen hat es Kerzen und Blumen, die einem den Weg zu feierlich geschmückten Häusern zeigen. Es sind dies die Häuser der Toten, die im letzen Jahr verstorben sind. In den Gassen werden viele Kerzen verkauft, die man beim besuchen der Häuser den Angehörigen als Geschenk übergibt. Es sind viele Leute unterwegs um die Toten und ihre Verwandten zu besuchen. In der feierlich geschmückten Wohnstube ist ein Altar aufgebaut. Auf diesem liegt (symbolisch) der Tote aufgebahrt. Um ihn sind viele Kerzen, Blumen und all die Speisen und Getränke, die er im irdischen Leben mochte, aufgestellt. Da sind ganze Menüs mit verschiedenen Fleischarten, Suppen, Tortillas, Salsas und Früchten aufgebaut. Daneben hat es Bier, Coca Cola und natürlich ein paar Flaschen Tequila. Wir bestaunten eine Weile dieses für uns ungewohnte Bild. Danach betraten wir einen anderen Raum, wo wir verpflegt wurden. Wir wurden mit Kaffee, Punsch, Tortillas und Totenbrot verköstigt. Das Totenbrot, es schmeckt etwa wie unser Dreikönigskuchen, wird nur für diesen Anlass gebacken. Danach ging es weiter in das nächste Haus. Auch die Kirchen sind feierlich geschmückt. Wir nehmen an, dass dort die Altäre der Toten aufgebaut werden, die keine (lebenden) Verwandte mehr haben. Wir besuchten bis tief in die Nacht ein paar Hausaltäre. Eigentlich wollten wir noch auf den Friedhof. Doch der Friedhof war um diese Zeit noch "menschenleer". Denn die Verwandten besuchen ihre Verstorbenen auch auf dem Friedhof und feiern mit ihnen bis in die frühen Morgenstunden.

In unseren Augen ist dieser Brauch ein schauerlicher Anblick. Für die Mexikaner ist dies ein wichtiges und fröhliches Ritual. Sie feiern mit ihren Toten. Sie haben einen ganz anderen Zugang zum Tod als wir dies uns gewöhnt sind. Denn in Mexiko leben die Toten mit den Lebenden weiter.

© Reto Loretz, 2007
Du bist hier : Startseite Amerika Mexiko Dritter Bericht an die Sempacherwoche
Die Reise
 
Worum geht's?:
Unsere Leben in Cuernavaca, Mexiko.
Details:
Aufbruch: Oktober 2007
Dauer: 21 Monate
Heimkehr: Juli 2009
Reiseziele: Mexiko
Guatemala
Der Autor
 
Reto Loretz berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.