Indien/Nepal 2008
Übersinnliches Varanasi !
31.03.2008
Varanasi und Ganges auf leeren Magen geht für mich gar nicht ! Ich bin im Besitz eines am Flughafen von Delhi gekauften Sandwiches und ziehe mir selbiges um 05.45 Uhr heute morgen rein, denn Frühstück im Hotel-Restaurant bekomme ich um diese Uhrzeit noch nicht. Room-service ist aber 24 h im Dienst und so bekomme ich zu meinem zermatschten Chicken-Brötchen eine herrliche Tasse Marsala-Tee. Zufrieden begrüße ich Rahul und meinen Fahrer. Es geht wieder runter an die atemberaubend schönen Ghats in Godaulia, der Altstadt von Varanasi oder Benares, wie es früher hieß. Varanasi ist eine der ältesten, ständig bewohnten Städte der Erde und das sieht man ! Diese Stadt hat eine Ausstrahlung, die jeden in den Bann zieht.
In Scharen strömen die Menschen frühmorgens an den Ganges, um zu baden und rituelle Waschungen vorzunehmen. Komplett tauchen sie ein ins heilige, aber auch ziemlich verschmutzte Wasser. Das scheint die Leute aber nicht im mindesten zu stören.
Das muss heute morgen auch wieder sein, wenn man schon mal hier ist, muss man das beste für´s Karma rausholen !
An der Manikarnika Ghat verlassen wir das Boot und kommen direkt am Krematorium vorbei. Wie wohl viele Touristen, bin auch ich von derartigen öffentlichen Verbrennungen fasziniert. So traurig der Anlass ist, aber andererseits geht es ja direkt ins Nirwana ! Auf einer Bahre wird eine in ein orangefarbenes Tuch gehüllte Leiche an mir vorbeigetragen, die Füße ragen heraus, ist wohl ein Mann. Den Anblick finde ich aber gar nicht schockierend, so etwas ist einfach wohltuend normal hier. Circle of life, der Tod gehört dazu...
Überall auf der Straße kann man sich mit leckerem Obst versorgen - Papaya, Jackfruit, Bananen sind meine Favoriten, aber auch die mobilen Zuckerrohrsaftpressen sind immer eine Anlaufstelle für mich, so lecker !
Nach dem frühmorgendlichen Altstadtrundgang, wobei wir natürlich auch den (für Nicht-Hindus nicht zugänglichen) Goldenen Tempel so gut es geht von außen betrachten, kehre ich für eine Stunde zum frühstücken ins Hotel zurück.
Wir setzen unser Besichtigungsprogramm in und um Varanasi fort. Ich mache es kurz und lasse die Fotos sprechen.
Um meine "Die-Kuh-und-ich"-Fotosammlung zu vervollständigen werde ich zuhause auch endlich mal neben einer heimischen Schwarzbunten posieren...
Wir fahren nach Sarnath, 10 KM von Varanasi entfernt und buddhistischer Wallfahrtsort, denn hier hat Siddharta Gautama - später Buddha - seine erste Predigt gehalten. Hier setzte er im 6. Jahrhundert v. Chr. das Rad der Lehre, das Dharmachakra in Bewegung.
und stopp, anhalten, bitte ! Dieser Mann verkauft mein Lieblingsgetränk Zuckerrohrsaft, das kostet umgerechnet praktisch nichts, ist aber sehr gesund und lecker !
Die archäologische Ausgrabungsstätte, die Dhamekh-Stupa und das Museum reißen mich jetzt nicht vom Hocker.
Wir kehren zurück nach Varanasi und ins Hotel, ich verlustiziere mich mutterseelenallein (aber mit Sicherheit von einigen versteckten Augen beobachtet) im herrlichen Pool, schnaufe anschließend in meinem Zimmer einmal durch und packe meine Tasche gewichtssparend wieder zusammen. Alles Schwere wandert ins Handgepäck und mit viel Stopfen und Quetschen kriege ich es auch hinein. Anschließend steht Rahul mit einer Auto-Rikscha wieder parat und wir stürzen uns ins spätnachmittagliche Extrem-Getümmel Godaulias. Trotz shopping-Verbotes will ich unbedingt ein Punjabi-Dress, also so eine lockere Pluderhose + langes Hemd. "Zufällig" besitzt Rahuls älterer Bruder einen Laden für Textilien und eine Schneiderei und so landen wir selbstverständlich genau dort. Aber es ist nett ohne Ende...wie schon gewohnt, ist ab sofort Rahul wieder Herr über meine Kamera und da er begeistert fotografiert (zwar einiges böse verwackelt), kümmere ich mich nicht mehr um Fotos. Das ist sein Job. Auf der Fahrt nach Godaulia reißt der Auto-Rikscha-Fahrer sein Radio auf volle Lautstärke auf und so wird der Verkehrslärm locker vom India-Pop aus der Kiste übertönt. Mir gefällt´s !
...Mutter und jüngerem Bruder, die passende Kette zum Dress kriege ich geschenkt. (Dafür habe ich wahrscheinlich für das geschneiderte Teil an sich schon viel zuviel bezahlt - was soll´s - für mich ist´s billig)
Rahul und ich verbringen noch eine halbe Stunde in einem Internet-Cafe. Während ich mich wundere, daß er so altmodischen Kram wie Pacman spielt (allerdings aufgemotzte Variante), schreibe ich emails. Wir schauen kurz im shop seines Bruders vorbei, aber der Schneider ist noch am Nähen. Rahul meint, daß jetzt definitv der Zeitpunkt gekommen ist, um Baba zu treffen. Einen Wahrsager, eine Berühmtheit in Varanasi. Schon gestern hat er mich damit vollgelabert, aber ich wollte nicht. Jetzt ist es mir ziemlich egal, wir müssen eh eine halbe Stunde Zeit totschlagen, von mir aus kann ich die auch mit einem Wahrsager verbringen. Ich glaube durchaus, daß es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als wir Normalmenschen verstehen können, aber Wahrsagerei ? Na, ich weiß nicht...ich bin sehr skeptisch, wie immer.
Rahul bringt mich zu einem sehr kleinen Haus, Baba ist nicht da, aber jemand steht vor der Tür und telefoniert ihn per Handy herbei. Naja, wozu braucht der ein Handy ? Der müsste doch wissen, daß ich vor der Tür stehe, oder ? Wenn er denn alles weiß ??? Ich gehe schon mal rein, lasse mich auf weichen Kissen nieder und zünde mir eine Zigarette an. Mache ich extra, Fotos sind verboten, Zigaretten dann ja wahrscheinlich auch, mal sehen, wie Baba auf mein "Sakrileg" reagiert. Herein kommt ein unglaublich sympathisch aussehender Typ, überhaupt kein vergeistigter Guru (oder was ich jetzt so für abstruse Vorstellungen hatte). Sondern ein total normal aussehender Mann Mitte 50, recht beleibt und ganz cool. Setzt sich hin, bedeutet mir, daß die Zigarette ok ist, zündet sich selbst eine an, entschuldigt sich und führt noch ein Telefonat mit seinem mobile. Fragt mich, ob ich Chai möchte - nein, will ich nicht - und reicht mir ein Buch. Ich soll darin herumblättern. Es sind seine internationalen Referenzen und ich staune, echt ! Hunderte von Leuten haben da reingeschrieben, was sie mit Baba erlebt haben. Auf englisch, deutsch, französisch, italienisch, spanisch, japanisch, koreanisch und whatever lese ich ausnahmslos erstaunte und begeisterte Kommentare. Alles, was Baba über die jeweiligen Personen erzählt hat (aus deren nachprüfbarer Vergangenheit) war 100 % genau richtig ! Einige Leute sind nach 2 oder 3 Jahren wiedergekommen und haben unter deren ursprünglichen Text geschrieben, daß alles genauso eingetroffen ist, wie es Baba für deren Zukunft vorhergesagt hatte. Ich werde nachdenklich...
Baba beendet sein Telefonat und bittet mich, in eben dieses Buch meinen Namen, mein Geburtsdatum und meinen Geburtsort hineinzuschreiben. Außerdem meine Geburtszeit, so ich sie denn wüsste und meine email-Adresse. Mit Geburtszeit kann ich nicht dienen und was die email-Adresse soll, weiß ich absolut nicht, aber ich schreibe sie hin. Dann verlangt er meine linke Hand zu sehen. Ich strecke sie ihm hin. Er reibt eine Weile an einem Fleck herum, wahrscheinlich, um festzustellen, ob das Dreck ist oder ein Leberfleck, oder so. Direkt neben dem Schmutzfleck befindet sich nämlich ein kleines Muttermal. Dann trägt er in einen aufgemalten Stern verschiedene aus einem dicken, zerfledderten Buch abgelesene Zahlen ein. Und schon geht es los, ohne jegliches Zögern erzählt er mir die wesentlichen Ereignisse meines bisherigen Lebens, meine derzeitigen Lebensumstände inklusive Beruf, Familie, Gefühlsleben, Probleme, Vorlieben, Hobbies, Sehnsüchte und Geheimnisse. Es stimmt ohne Ausnahme a l l e s bis ins letzte Detail !!!!! Der Typ weiß Dinge, die ich noch nie irgendjemandem erzählt habe...ich bin beeindruckt, aber mir wird auch etwas unbehaglich. Wie genau ich meine Zukunft wissen will, entscheide ich selbst: Ich will nur in groben Zügen das Wesentliche wissen - ich mein´ja nur, ansonsten wird das Leben ja langweilig, wenn man alles schon vorher weiß ! Denn eines steht fest: Ich glaube ihm auf´s Wort ! Ich erfahre einige sehr interessante Dinge, die mir aber nicht unwahrscheinlich erscheinen, immerhin kenne ich mich gut genug, um zu wissen, daß derartiges bei mir durchaus möglich ist ! Es gipfelt in der Aussage, daß ich 83 Jahre alt werde. OK, das ist doch ein schönes Alter und noch weit weg, damit kann ich gut leben ! Wie gut, werde ich bereits morgen erleben... Die Tipps, wie ich mein Karma positiv beeinflussen kann, sind etwas merkwürdig: Niemals mehr schwarz tragen, stattdessen rot und gelb (steht mir eigentlich gar nicht), dienstags und freitags kein Fleisch essen, immer Tiere füttern und gut auf meine Mutter acht geben...
Meine Sitzung ist beendet, Rahul holt mich ab und fragt mich Löcher in den Bauch, aber ich bin sprachlos und auch ein bißchen ängstlich. Außerdem ziemlich aufgewühlt, das war ´ne Menge Stoff zum Nachdenken !!! Scharlatanerie, Betrug, Verarsche ??? Nein, ich denke nicht.
Ich "verarbeite" bei einem Gin Soda das Erlebte an der Bar, schicke eine lange SMS nach Hause und als ich kurz vor die Tür zum Rauchen trete, stehe ich direkt vor Rahul und seinem Bruder. Häää ??? Zufall ? Nö, den braucht´s wohl hier nicht, das geht hier alles übersinnlich-kosmisch-direkt, davon bin ich jetzt überzeugt, denn gerade hatte ich nachgerechnet, daß die abgemachte Abholzeit morgen früh für die Fahrt zum Airport wohl etwas knapp sein könnte, denn wir hatten nicht berücksichtigt, daß ich ja einen international flight haben würde und somit 2 und nicht nur 1 Stunde vor Abflug da sein müsse. Genau das ist Rahul ebenfalls kurz zuvor eingefallen und deswegen steht er jetzt hier, um mir mitzuteilen, daß wir 1 Stunde früher losfahren.
Wie praktisch, eigentlich braucht niemand in Varanasi ein mobile phone, das geht doch einfach so per Gedankenübertragung oder was läuft hier eigentlich ab ???
Aufbruch: | 21.03.2008 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 06.04.2008 |
Nepal