Indien/Nepal 2008
von Jaipur nach Agra
28.03.2008
Heute morgen verlassen wir Jaipur und sind on the road nach Agra. Auf dem Weg liegt die Kleinstadt, in der die Familie meines Fahrers lebt. Für ihn eine perfekte Gelegenheit, seine heißgeliebten Söhne (5 und 9) kurz zu sehen, sowie seinen Unterhalt in cash bei seiner Ehefrau abzudrücken. Für mich die willkommene Gelegenheit, mal ein indisches Heim besuchen zu können. Vorausgegangen sind natürlich 1000 Fragen meinerseits zu diesem Unding mit den arrangierten Ehen in Indien. Für uns kaum vorstellbar, funktioniert das in Indien nach wie vor so: Die Eltern suchen den künftigen Ehepartner aus, es gibt ein Mitspracherecht, bzw. Vetorecht der betroffenen Parteien, aber in der Regel wird der Wahl der Eltern gefolgt. Ein gewisser Druck steckt logischerweise dahinter. Auf diesem Wege ist auch R. verheiratet worden, seine Braut hat er vor der Hochzeit kurz kennengelernt, fand sie "okay" und "ganz hübsch" und ansonsten hat er dem Urteil seiner Eltern vertraut.
Das Album mit den Hochzeitsbildern habe ich gesehen, vor lauter Zeremonie-Kram kommen die Brautleute während so einer tagelangen Hochzeitsfeier sowieso nicht zum Nachdenken oder sich-näher-kennenlernen und wenn die Hochzeitsfeier dann vorbei ist, gilt es sich zu arrangieren. Entweder es klappt, oder nicht. Hauptsache, es werden Kinder gezeugt, möglichst Söhne, denn Töchter verursachen das Problem der späteren Mitgiftzahlungen, wenn sie ins heiratsfähige Alter kommen. Ebenfalls ein Unding, denn wegen der horrenden Mitgift-Forderungen werden Mädchen in Indien abgetrieben (Geschlechtsbestimmung per Ultraschall inzwischen verboten, aber gegen Geld geht eigentlich immer alles), nach der Geburt umgebracht oder einfach nicht versorgt, um sie auf diese Art und Weise loszuwerden. Das Problem ist so massiv, daß der Anteil der männlichen Bevölkerung den der weiblichen bei weitem übersteigt. Nun, mein Fahrer ist nach wie vor verheiratet, findet seine Frau blöd, liebt aber abgöttisch seine Söhne. Sie leben daher getrennt und haben ein agreement: Er zahlt Unterhalt, kommt so oft wie möglich vorbei und sie lebt zurückgezogen, macht ihm keine Schande und zieht die Kinder groß.
Ich finde es einigermaßen merkwürdig, da jetzt reinzuschneien, den nett angebotenen Chai der Ehefrau zu trinken, im Hochzeitsalbum einer gescheiterten Ehe zu blättern und die Geldübergabe zu beobachten. Mein Fahrer macht das mit all seinen Gästen, die´s wollen, insofern kennt die Familie das Spielchen, dennoch bin ich auch froh, als wir wieder aufbrechen. Fotos mache ich hier selbstverständlich nicht, wahrscheinlich hätte es niemanden gestört, aber ich finde das jetzt echt nicht angebracht.
Wir machen uns auf in ein nahegelegenes Dorf namens Abhaneri, wo sich ein in Reiseführern meist nicht erwähntes völlig irres Monument befindet. Abhaneri step well, also ein Stufenbrunnen, das Wort hatte ich noch nie zuvor gehört ! 90KM östlich von Jaipur liegt es.
Zur Monsun-Zeit steigt das Wasser erheblich an und die Bäder der Maharadschas füllen sich. Denn es ist auch ein Palast. Und ein Heiligtum - Fotografieren eigentlich verboten, aber wenn 50 Rupees den Besitzer wechseln...
Vor lauter Staunen habe ich mal wieder nicht gut zugehört: Es ist hier wohl mal ein Teil eines Hollywood-Films gedreht worden mit ???Jennifer Lopez??? Hab´s versucht, später zu googlen, aber nicht rausgekriegt. Vielleicht verwechselt man in Indien ja auch J.Lo mit J.Irgenwas...keine Ahnung.
Weiter geht´s nach Agra. Wie üblich drehe ich road-movies.
Was man so unterwegs sieht ? Pilger zu Fuß unterwegs zu einem 400 KM entfernten Ziel, Kamele, Kühe, Ziegen, LKW, überladene Traktoren, Busse, Unfälle und Rotlichtviertel ! Wir durchqueren einen solchen truck-stop und red-light-district. In meinen Augen ist das ein Dorf, mein Fahrer informiert mich, daß wir ein Rotlichtviertel durchqueren. Das interessiert mich jetzt aber brennend ! R. fährt langsamer und ich habe mal wieder viele Fragen ! Die Hütten direkt an der Straße sind erbärmlich und ich frage mich, was da wohl abgeht (naja, was wohl...) ! Ich erkundige mich nach den Preisen und erfahre, daß eine ganze Nacht wohl ca. 2000 Rupien kostet, etwa 30 EUR.
Wir erreichen kurz vor Agra Fatehpur Sikri, eine wunderschöne alte Stadt/Fort, die aber aus ungeklärten Gründen (wahrscheinlich wegen Wassermangels) aufgegeben wurde, und zwar schon 1600, nur 15 Jahre nach Fertigstellung durch den Mogul-Kaiser Akbar. Es ranken sich viele Legenden um diese Stätte: Akbar soll 3 Ehefrauen gehabt haben, eine Muslimin, eine Hindu und eine Christin. Allen dreien sind typische Paläste mit entsprechenden Stilelementen gewidmet. Die Hindu-Frau hat Akbar einen Sohn geboren, daher ist ihr Palast der größte und schönste.
Während ich durch die riesige Anlage laufe, tobt ein Sandsturm und ich bin mehr damit beschäftigt, mich und meine Kameras vor dem Sand zu schützen, als den Erklärungen meines Guides zuzuhören. Mal wieder die perfekte Ausrede für´s Ignorieren von Geschichtsdaten...
Man muss sich so eine bescheuerte Plastikkappe aufsetzen, um ins Innere des Heiligtums zu kommen. Man kann auch ein Stück Stoff kaufen und ein paar Blumen, alles wird auf eimen Sarkophag verteilt. Akbar ??? (Wieder mal nicht aufgepasst...) 3 Rot-gelbe Fäden kann man dann an diesem Fenster zusammenknoten und sollte sich dabei etwas wünschen. 3 Wünsche werden erfüllt, wobei einer nicht für einen selbst sein darf ! OK, ich glaube ja gerne alles und wünsche und knote !
Wir trudeln in Agra ein und suchen mit vereinten Kräften mein Hotel. Auf dem Weg zu selbigem kommen wir an Mc Donald´s vorbei und ich frohlocke ! Das Hotel ist nett, hat sogar ein Dreh-Restaurant auf dem Dach, aber das werde ich heute nicht ausprobieren, denn R. hat andere Pläne: Abendessen zusammen mit seinem besten Freund, von dem er mir schon viel erzählt hat und der 5 Jahre illegal in London gelebt hat. Good-bye, Mc D. ! Es wird ein witziger Abend. Wir suchen ein Restaurant auf, in dem ein indischer Zauberer sein Unwesen treibt und werden sofort in seinen Bann gezogen, jedenfalls ich. Die anderen beiden dürften das ja kennen...Aber seine Tricks kennen sie auch nicht. Wir probieren, grübeln, denken und lachen uns halb tot. Es ist sehr nett ! Nebenbei esse ich afghanisch, was ich zugegebenermaßen lieber mag, als indisch. Die stories aus dem Leben eines Illegalen in London finde ich zum Totlachen, auch wenn es bestimmt für ihn nicht immer so lustig war. Es wird nicht sooo spät, die Zaubertricks haben wir entlarvt und R. und sein Freund wollen noch einen Männerabend verbringen, da störe ich nur. Und bin auch froh, in meinem Zimmer schlafen gehen zu können.
Aufbruch: | 21.03.2008 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 06.04.2008 |
Nepal