KAMBODSCHA SOLO
Highway To Hell - RN 5 Richtung Thailand
Auf der RN 5, 21.11.2004
Dass ich nicht vorgewarnt gewesen wäre, kann ich ja nicht behaupten. Jeder, der die Strecke Siem Reap zur thailändischen Grenze oder in umgekehrter Richtung mit dem Bus zurücklegt, weiß von Schreckensstories zu berichten. Aber man hofft doch irgendwie, dass diese übertrieben sind, dass irgendwelche Heinzelmännchen mittlerweile die Straße asphaltiert hätten oder dass man selbst einfach etwas mehr Glück hat als die anderen.
Glück habe ich nicht an diesem Tage, im Gegenteil. Ich werde dem schrottreifesten Bus zugeteilt, der bereits ziemlich überladen ist, so dass ich nur einen rostigen Klappsitz bekomme, der meinem Rücken keinerlei Halt bietet und ich meine Beine ständig anwinkeln muss. Mit dem Bus bleiben wir insgesamt achtmal liegen, haben Probleme erst mit dem Auspuff, dann mit dem Getriebe, der Batterie, schließlich quasi mit allem, was sich in oder an einem solchen Bus befindet. Die Straße, immerhin die Route National Nr. 5, allerdings auch die einzige Straße weit und breit, spottet jeder Beschreibung. Auf den ersten Kilometern hinter Siem Reap noch asphaltiert, wenn auch mit riesigen Schlaglöchern und Huckeln, so dass man im Bus wie auf einem Pferd ständig nach oben und unten wippt bzw. nach rechts oder links, wenn der Busfahrer im letzten Moment allzu tiefen Löchern oder dem Gegenverkehr ausweicht, geht sie in eine schlimme Stein- und Staubpiste über, auf dem sich die abenteuerlichsten Fahrzeuge tummeln. Dazu wackelige Brücken, die mir jedes Mal vor dem Überqueren ein Stoßgebet abringen, am Wegesrand Armut pur, armselige Holzhütten, verlumpte Gestalten und alle hundert Meter in den Reisfeldern Warnschilder vor Landminen. Die Gegend war ein bevorzugtes Rückzugsgebiet der Roten Khmer.
Danger - Landmines
"Pigman"
Vor jeder Brücke gibt es lange Staus, einen hat ein Taxifahrer, etwa acht Fahrzeuge vor uns, offensichtlich zu spät bemerkt und fährt auf einen Laster. Wir bleiben einige Zeit im Bus. Als abzusehen ist, dass nichts mehr vorwärts geht, steigen wir aus und gehen zum Unfallort. Man hat eine noch im Auto sitzende Japanerin die sofort tot war, bereits mit einer Decke verhüllt, eine andere wird gerade vom Vordersitz gehoben, sie lebt noch, aber ihr Gesicht ist arg vermatscht, ein roter Klumpen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit diesen Verletzungen durchkommt. In Ermangelung eines Krankenwagens wird sie in ein Privatauto gelegt und fort gefahren. Das erinnert mich daran, wo die wirklichen Gefahren bei Reisen in solche Dritte-Welt-Länder lauern, keine einheimischen Spitzbuben, die einem Böses wollen, sondern der alltägliche Straßenverkehr. Eigentlich erstaunlich, dass nicht noch mehr passiert bei dem Wahnsinn, der sich hier täglich abspielt.
Stau nach Unfall mit Toten
Es scheint fast, als ob sich Kambodscha von seiner schlechtesten Seite präsentieren möchte, um mir den Abschied leicht zu machen. Das gelingt aber nicht.
Ich bin heilfroh, dass wir mit unserem Schrottgefährt überhaupt die Grenze erreichen. Die Grenzformalitäten sind zwar problemlos, dauern aber ihre Zeit, besonders auf thailändischer Seite. Aber heute ist einer jener Tage, an denen ich mich wie ein Opferlamm fühle, dass auf dem Weg zur Schlachtbank ist und alles mit Gleichmut erträgt.
Bye bye Cambodia
Für die 100 Km von Siem Reap zur Grenze haben wir über acht Stunden benötigt, die Strecke bis Bangkok legt mein Toyota-Kleinbus fast in Überschallgeschwindigkeit zurück. Gut, dass es schon dunkel ist, ich hinten sitze und meistens vor mich hin döse. Mit mir im Auto sind Russen und Polen, die sich einen Tagestrip zu einem der riesigen Spielcasinos im Niemandsland zwischen der thailändischen und der kambodschanischen Grenze gegönnt haben und nun ziemlich angetrunken wirken.
Wenn ich einmal aus dem Fenster schaue, sehe ich eine andere Welt. Breite Straßen mit Autobahncharakter, schicke Geschäfte und Kaufhäuser, amerikanische Fastfood Läden. Willkommen zurück in der Zivilisation.
Aufbruch: | 06.11.2004 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 24.11.2004 |
Cu Chi
Kambodscha