Sommer in Kairo
Auf dem Dach von Sinai
27.6.08
Mit der Nachtruhe war es leider um ca. 6 Uhr früh schon wieder vorbei - ein Schwarm Fliegen hatte uns entdeckt und liess sich partout nicht davon abbringen, uns auf die Nasen zu sitzen und kitzelnd auf unseren Beinen umherzuwandern. Etwas missmutig standen wir auf. Schlagartig war die Müdigkeit wie weggeblasen, als wir die Landschaft um uns herum sahen: Türkisblaues, völlig wellenloses Meer. Weisser Sand. Rötliche Felsen, die die kleine Bucht wie ein schützender Wall umgaben. Kleine Hütten aus Bambus. Und wir mitten im Paradies!
Nach einem ausgiebigen Frühstück bliesen wir das Trampolin auf uns nahmen es mit ins Meer. Leider war es nicht gerade für das Gewicht eines Erwachsenen gemacht - wir überliessen es nach ein paar peinlichen Kletterversuchen einigen Kindern, die nebenan plantschten. Als wir uns am Nachmittag erneut danach erkundigten, war das grelle Ding allerdings bereits verschwunden; wir vermuteten, dass es vom Wind abgetrieben worden war. Am Nachmittag hatten sich die Fliegen zum Glück verzogen und wir holten im Schatten des Beduinenzelts ein paar Stunden Schlaf nach. Danach packten wir unsere Sachen zusammen (es dauerte ewig, den ganzen Sand rauszukriegen) und machten uns auf nach St. Catherine, wo Jasmin und ich den Rest der LSSC-Gruppe treffen sollten. Unterwegs kamen wir an wunderschönen Canyonlandschaften vorbei. Etwas spät trafen wir wie vereinbart im Hotel ein, in dem unsere Mitstudenten bereits zu Abend assen. Die beiden Amrs luden uns ab und fuhren ins nicht weit entfernte Dorf.
Jasmin und ich gingen an diesem Abend brav um 9 Uhr 30 ins Bett - natürlich nicht ganz ohne Grund: Um 1 Uhr schrillte uns der Wecker bereits wieder aus dem Schlaf. Mit ganz kleinen Augen zogen wir uns an und wankten nach draussen, wo der Bus bereits abfahrtbereit stand und uns zum Mount Sinai bringen sollte. Es handelt sich hierbei um den Berg, den Moses einst bestiegen haben soll und an dessen Fuss sich der berühmte brennende Dornbusch befindet.
Schlaftrunken marschierten wir los, hinaus in die Dunkelheit. Die beiden Amrs hatten verschlafen und stolperten mit ungefähr 15 Minuten Rückstand hinter der Gruppe her, bis sie uns schliesslich einholten. Der steinige Weg führte zuerst gemächlich über eine Ebene, bevor er immer steiler anstieg. Im Licht einiger Taschenlampen stolperten wir aufwärts. Plötzlich lag ein unangenehmer Geruch in der Luft, und um uns herum ertönten merkwürdige Grunzlaute. Irgendwann wurden wir von allen Seiten bedrängt: "Kamel?" "Want a Kamel?" "Kamel ride?" Offenbar ist Mount Sinai für Kameltreiber ein Riesengeschäft - Hunderte von ihnen lauern am Wegrand auf die keuchenden Touristen und bieten ihnen für unverschämte Summen (naja, 80 EGP) einen Transport an. Professor Schnyder und Dimitria liessen sich denn auch tatsächlich überreden und bestiegen jeweils eines dieser muffigen, ununterbrochen kauenden, langwimprigen und anatomisch ziemlich merkwürdigen Tiere.
Mühsam kämpften wir uns voran. Langsam wurde der Himmel etwas heller, sodass wir auch ohne Taschenlampen ungefähr sahen, wo wir hintraten. Irgendwann hörte der breite Weg auf und an seiner Stelle lagen hohe, ungleiche Steinblöcke vor unseren Füssen. Die Oberschenkel fingen an zu brennen, als wir uns Hang für Hang nach oben arbeiteten. (Ein Hinweis für Kenner: Man fühlte sich so ungefähr wie Frodo und Sam, die sich die Bergflanken Mordors hoch kämpfen.) Nach jeder Flanke keimte in uns die Hoffnung auf, das möge die letzte gewesen sein, doch sobald wir um die nächste Biegung kamen, folgte angesichts eines weiteren Hanges sogleich die Enttäuschung. Keuchend, schweissnass und körperlich völlig geschafft erreichten wir nach fast vier Stunden schliesslich den Gipfel. Aufmerksame (oder einfach gewiefte) Einheimische boten uns gegen Bezahlung Decken und Matratzen an. Die Stoffe dünsteten einen modrigen Feuchtegeruch aus, doch der kalte Wind, der um die Spitze des Berges pfiff und in unsere nassgeschwitzten Kleider fuhr, zeigte uns, dass dies bei weitem das kleinere Übel war. Eingemummt sassen wir auf einer Steinplatte und warteten auf den Sonnenaufgang.
Nachdem das Spektakel vorüber war, machten wir uns zusammen mit Horden anderer Touristen an den Abstieg. Wir schluckten mehrmals leer, als uns die vielen älteren Menschen auffielen, die mit Krücken und Stöcken auf zittrigen Beinen den Berg hinunterstiegen. Offenbar war es für sie ein sehr wichtiges Ereignis, wahrscheinlich religiöser Art, diesen Berg zu besteigen. Konditionell waren die schätzungsweise 60jährigen Leute echt gut drauf, sicherlich besser als wir mit unseren ca. 20 Jahren. Meine Hochachtung!
Wieder am Fuss des Berges angelangt, verabschiedeten sich Amr und Amr; Jasmin und ich fuhren mit den anderen Studenten zurück nach St. Catherine. Nach dem Checkout fuhr der Car zum Aquasun Camp am Roten Meer, gleich neben Basata. Wir kühlten unsere geschundenen Füsse im Wasser und assen danach zu Mittag. Anschliessend verbrachten wir einen ruhigen Abend am Strand und genossen das faule Nichtstun...
Aufbruch: | 06.06.2008 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 16.07.2008 |