Sommer in Kairo
Frischfleisch für die Parlamentarier
18.6.2008
Gestern und vorgestern hatten eine Koryphäe aus den Tiefen des Islamic and Middle Eastern Law (IMEL), sowie ein arabisch-kanadischer E-Publisher mit unschlagbarem Humor bei uns interessante guest lectures gehalten. Ansonsten war der Wochenbeginn eher unspektakulär gewesen, weshalb er in meiner Berichterstattung keinen Niederschlag gefunden hat.
Wer einen Blick aufs heutige Programm warf, musste wohl erst einmal leer schlucken: Nonstop Programm von 10 bis 19 Uhr. Zuerst eine weitere IMEl guest lecture, dann Besammlung und gemeinsamer Weg zum ägyptischen Parlamentsgebäude, wo eine 2stündige Diskussion mit Parlamentsmitgliedern und dem uns bereits bekannten schweizerischen Botschafter folgen sollte. Anschliessend ein Besuch des Parlamentsmuseums, kurzes Live-Mitverfolgen einer Parlamentssitzung und anschliessend - weil Uni halt doch das Schönste ist - normstundenplankonform 2 Lektionen Comparative Private Law. Da schlägt jedes fleissige Studentenherz höher!
Die guest lecture war wirklich spannend - es ging um das islamische Recht, das in Konflikte mit der westlichen Welt gerät, und um progressive Reformgedanken. Professor Hanafi (von unserer Professorin Büchler wie ein Gott verehrt) führte uns in einer charismatisch-sympathischen Weise durch seinen Monolog. Allerdings gelang es ihm nicht, von einem objektivierten Standpunkt aus zu sprechen. Ich traue mich fast nicht, einen solch anerkannten und geschätzten Gelehrten zu kritisieren, aber meiner Meinung nach haben ihm sein soziales Umfeld, die arabische Gedankenwelt und vor allem die islamische Rechtsstruktur eine Art Brille aufgesetzt, durch die er die ganze Welt betrachtet. Es war fast, als rechtfertige er die islamische Kultur aus ihrer Geschichte heraus vor der westlichen Welt, was meiner Ansicht nach nicht das Ziel sein kann (aber was weiss ich denn schon von der grossen weiten Welt und ihren irren Zusammenhängen?).
Anschliessend gab es ein Foto für Foluke, 2.v.l., die gestern ihre Graduation vom LLM Programm gefeiert hatte.
Danach versammelten wir uns - nachdem zwei Jungs aus unserer Gruppe aus dem steckengebliebenen Lift befreit worden waren - vor dem Gebäude und zottelten los in Richtung Parlamentsgebäude. Unterwegs hielten wir kurz an einer Kebab-Bude; ich bin ja mal gespannt, wie das Essen dort uns bekommen wird... Zusammen mit einer weiteren Law Summer School aus Iowa betraten wir das Areal und wurden in ein grosses Sitzungszimmer geführt. Es dauerte eine Weile, bis die beiden Parlamentsmitglieder und unser Botschafter, der uns diese Ehre erst ermöglicht hatte, bei uns eintrafen. Von den folgenden zwei Stunden habe ich leider nicht so viel mitgekriegt wie ich gerne hätte - die guest lecture war ziemlich konzentrationsintensiv gewesen und ich konnte meine Augen nur mit Mühe offenhalten. Der schweizerische Botschafter linste sogar ein paarmal zu mir herüber und ich hoffte inständig, dass er mein kurzes Wegnicken nicht bemerkt hatte. Die Fragerunde eröffnete die Direktorin der amerikanischen LSS: "Wie wird die amerikanische Präsidentenwahl eigentlich hier wahrgenommen?" Sowas! Und uns wirft man Eurozentrismus vor!
Das Parlamentsmuseum glich einer polierten und glänzenden Rumpelkammer voller Fotos und Büchern mit nichtssagenden Gesichtern und Titeln. Wir alle liefen mit fragenden Gesichtern umher und wurden teilweise von übereifrigen Parlamentariern bedrängt - Rafaela und Evelyn wurden sogar nach ihren Telefonnummern gefragt und flüchteten sich in die Obhut von Professor Weber. Die Sitzung, der wir danach kurz beiwohnten, verlief völlig chaotisch. Glücklicherweise hatte der Vorsitzende am grossen Pult das lauteste Mikrofon von allen, sonst hätten die parlamentarischen Schreihälse wohl auch das letzte Bisschen Reihenfolge aufgegeben. Ihre Voten brachten sie wild gestikulierend und eindringlicher Mimik vor - was von ihren Gegnern aber nur mit höhnischen Sprüchen und Zwischenrufen quittiert wurde.
Am Abend nach der Uni gingen Dimitria, Rafaela, Irene und ich nochmals zum Khan el Khalili, wow ir endlich bis zum Umfallen shoppen konnten. Leider hatten wir irgendwann nur noch knapp Geld für ein Taxi und mussten die Übung vorzeitig (um ca. 10 Uhr abends) abbrechen. Wir kamen natürlich gerade rechtzeitig zur Rush Hour Kairos und waren eine geschlagene Stunde später erst in Zamalek.
Morgen früh geht's für 3 Tage nach Alexandria. Wir freuen uns riesig, da unser Programm sich anscheinend in engen Grenzen hält und wir endlich einmal etwas auf eigene Faust losziehen können. Wenn ich zurück in Kairo bin, gibt es wieder neue Kapitel.
Aufbruch: | 06.06.2008 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 16.07.2008 |