Mit dem Boot durch Preußens Streusandbüchse
Von Berlin zur Oder
Altes Eisen - Der Finow-Kanal
In Ostdeutschland zu schippern und den Finow-Kanal nicht zu erkunden, das wäre wahrhaftig ein Sakrileg.
Schon der Name klingt ungewöhnlich und macht neugierig. Immerhin ist der Finow-Kanal die älteste noch zu befahrende Wasserstrasse Deutschlands. Als der Kanal 1620 fertig gestellt wurde, war er ein Prototyp der Wasserbaukunst.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Kanal vollständig zerstört und erst in den Jahren 1743 bis 1746 entstand die Wasserstrasse neu. 1815 wurden auf Grund des hohen Verkehrsaufkommens die Schleusen umgebaut. In diesem Zug entstand das Finow-Maß der Frachtschiffe - 40,2 m lang und 4,60 m breit -. Die Schleusen wurden so gebaut, dass darin zwei Finow-Maß-Kähne nebeneinander Platz hatten.
32 km und 12 Schleusen liegen vor uns. Wir schleusen abwärts, obwohl im § 23.05 der Binnenschifffahrtstraßenordnung die Fließrichtung der Havel-Oder-Wasserstraße und des Finow-Kanals als Bergfahrt festgelegt ist.
Wir beginnen unseren Törn in die Vergangenheit von handbetriebenen Schleusen und altem Eisen am Abzweig des Oder-Havel-Kanals. Altes Eisen? Das Tal der Finow wurde lange Zeit das Märkische Wuppertal genannt. Zeugen alter Industriearchitektur säumen noch heute den Kanal. Der ist mittlerweile fest in der Hand der Wassersportler.
Andrea Hummel, die Schleusenwärterin der Schleuse Ruhlsdorf erwartet uns schon mit geöffneten Schleusentoren. Ein wenig pustet sie beim Drehen der Tore unter ihrer Schwimmweste und den Stahlkappenschuhen. "Alles Vorschrift!", lacht sie. Es könnte ihr ja die Kurbel auf die Zehen fallen. 3,80 m ist die niedrigste Brücke und wir haben immer 40 bis 50 cm Wasser unter Belugas Kiel, der 1,30 m tief eintaucht.
Wir wollen uns viel Zeit lassen in diesem wunderschönen Kanal, doch man macht es uns schwer. Der Anleger "Maritim Marienwerder" entpuppt sich als winziger Steiger eines Ruderbootsverleihs, wenn er das denn überhaupt ist, doch einen anderen können wir nicht ausmachen. Also legen wir uns auf den Steiger der Fahrgastschifffahrt. So viele Ausflugsboote werden heute hoffentlich nicht mehr kommen. Die Schleusen haben um 17 Uhr Feierabend.
Zaghaft wagt sich die Sonne hervor, als wir am nächsten Tag weiterschippern. Es ist eine wunderschöne, geruhsame Fahrt durch dichten Wald mit uralten Bäumen, deren Äste manchmal weit in die Fahrrinne hineinragen. Seerosen und gelbe Teichrosen säumen die Ufer.
Für hiesige Begriffe hat es unheimlich viel Verkehr. Wir schleusen mit einem Segler und einem kleinen Motorboot. Obwohl jeder Schleusenwärter uns weitermeldet, sind die Schleusen meist geschlossen, und wir haben Wartezeiten. Nicht tragisch, wir haben Zeit, nur anlegen an den winzigen Schwimmstegen ist für uns fast nicht machbar.
Auch der Wasserwanderrastplatz in Finowfurt bleibt uns verwehrt. Die Einfahrt in den Stichkanal zur ehemaligen Mühle ist unheimlich schmal, das versuchen wir lieber erst gar nicht.
Am Messingwerkhafen treffen wir wirklich auf altes Eisen. Die Einfahrt zum großen Hafenbecken wird von der wunderschön geschwungenen Teufelsbrücke überspannt. Sie verband bis 1895 in Berlin die Ufer der Spree. Theodor Fontane soll auf ihr seiner Liebsten die Ehe versprochen haben.
Dass es im Tal der Finow einmal hoch herging, bezeugen die Namen der Schleusen - Hegermühle, Wolfswinkel, Drahthammer und Kupferhammer. Sie bringen uns von leerstehenden Fabrikgebäuden zu ehemaligen Verladestellen und immer wieder zu endlosen Schloten, die wie Soldaten über das Tal wachen. Wahrzeichen einer Zeit als der Kanal noch die Lebensader der Region war.
Die Hubbrücke Eisenspalterei hebt nur alle 2 Stunden. Wir verpassen sie gerade um 10 Minuten. Hier ist aber ein Anleger, der einem die Wartezeit angenehmer macht. Kochen, essen und ein kleines Nickerchen, bevor es weitergeht.
An die ca. 60 m lange beleuchtete Kaimauer des Finowkanal-Parks passen schon einige Boote. Leider hat man, statt einiger ordentlicher Poller auf die Mauer, dicke Dalben davor gestellt. Für kleine Boote dürfte das ein Problem sein. Wir passen gerade so dazwischen. Der Namensteil "Park" lässt hoffen, doch er bezieht sich wohl nur auf den Parkplatz oberhalb. Strom und Wasser kommen aus dem Münzapparat, liegen ist kostenlos. Eine gute Gelegenheit die kleine Stadt Eberswalde kennenzulernen. Oberhalb des Anliegers ist ein Restaurant, das wirklich empfehlenswert ist. Wir sind selten jemals so freundlich und zuvorkommend irgendwo bedient worden. Ein kleiner Aperitif und ein Entrée vor dem Essen, ein Schnaps oder ein Espresso anschließend, das geht aufs Haus, selbst wenn man nur die Pizza für 2,50 € bestellt. Das teuerste Gericht auf der Karte ist ein 260 g Rinderfilet für 11,50 €. Das "Lido Latino" ist ein echter Geheimtipp.
Sehenswert in Eberswalde ist das Gebäude der ehemaligen Adler-Apotheke in der heute ein Museum und die Touristen-Info untergebracht sind. Die Kirche Maria-Magdalena mit der Glocke "Barbara" davor, ist ein interessanter neugotischer Bau aus Backstein. Mit Fahrrad oder Bus leicht zu erreichen ist ein Zoo. Apropos Bus. In Eberswalde fährt noch ein Obus. Ein Oberleitungsbus. Unhörbar rollt er auf seinen dicken Pneus durch die Stadt. Mit der Bahn kommt man zum Kloster Chorin und ins Biosphärenreservat Schorfheide.
Ober- und unterhalb der Schleuse Eberswalde ist je ein Anleger ohne Versorgung, aber man ist sehr viel näher an der Stadt. Im Schleusenvorhafen liegt der letzte noch fahrende Finow-Maß-Kahn, die 1906 gebaute Anneliese. Sie hat keinen eigenen Antrieb und wird von einem Bugsierboot geschoben. Manchmal wird sie zur Attraktion der Touris auch von einem Pferd getreidelt. In Eberswalde endet das ehemalige Industriegebiet. Was folgt ist eine Niederung aus nassen Wiesen, Bruchwald und Schilffeldern. Streckenweise ist der Kanal höher als das Land, dann wieder hat er das gleiche Niveau. Das Wasser ist sumpfig schwarz und sehr stark verkrautet.
Drei weitere Schleusen, alle neu, aber im alten Stil hergerichtet, bringen uns in den Oder-Havel-Kanal. Hier muss man sich entscheiden, scharf nach links Richtung Hebewerk, oder weiter Richtung Oder, Polen und Ostsee.
Egal wie man sich entscheidet, das Hebewerk darf man nicht verpassen. Das Schiffshebewerk Niederfinow war, als es 1934 fertig gestellt wurde, eine sensationelle technische Meisterleistung. Mit einer Hubhöhe von 36 m galt es damals als eines der größten der Welt. Das Hebewerk ersetzt die 4 stufige Schleusentreppe, die heute verfallen daneben zu sehen ist.
Der Finow-Kanal wird von der "Kommunalen Arbeitsgemeinschaft (KAG) Region Finowkanal" mit Unterstützung des WSA Eberswalde unterhalten.
Helft mit diese traditionelle Wasserstraße zu unterhalten. Fahrt einfach mal hin.
Aufbruch: | April 2008 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | September 2008 |
Polen