Mit dem Boot durch Preußens Streusandbüchse
Die Elbe -- Flacher Strom in flachem Land
Vom Mittellandkanal nach Dömitz
Hätte sie sich nur ein kleines bisschen mehr angestrengt, ein paar Mäander mehr und sie wäre länger als unser wunderbarer Rhein. Doch dazu fehlen ihr 155 km. 1.165 km benötigt sie von ihrer Quelle im Riesengebirge bis zur Mündung bei Cuxhaven in die Nordsee. 727 km davon durchfließt sie Deutschland.
Die Rothenseer Schleuse bringt uns vom Mittellandkanal über den Verbindungskanal zur Elbe bei km 333+. Sie empfängt uns mit 2 m Wasser über Normal. Ufer und Buhnen sind nicht so recht auszumachen. Ihre Beschilderung und Betonnung unterscheidet sich vom Rhein und seinen Nebenflüssen. Um ohne Pannen und Grundberührung über die Elbe zu kommen, sollte man ihre Eigenarten kennen. Die Fahrrinne mäandert in dem breiten Fluss. Wenn das Fahrwasser die Richtung ändert, stehen am rechten Ufer gelbe Kreuze und rote Vierecke und im Wasser liegen zwei rote Tonnen dicht neben einander. Auf der linken Uferseite sind ein grüner Rombus, ein gelbes Andreas-Kreuz am Ufer und zwei grüne Tonnen im Fluss. Man bleibt immer so lange auf einer Seite, bis sich das Kreuz wiederholt, dann wechselt man Richtung Kreuz der anderen Flussseite. Zusätzlich zur Betonnung im Fluss stehen auf den Buhnen Baken, die jeweils eine liegende, schwimmende Tonne neben sich haben. In unserer Flusskarte (Elbe 2 Heel-Verlag) hat Andreas Saal die Fahrrinne und die praktische Anwendung der Beschilderung gut beschrieben.
Fähren sollte man überall Wegerecht gewähren. Auf der Elbe haben sie grundsätzlich Vorfahrt. Besondere Vorsicht gilt den Gierseilfähren. Sie sind an langen Seilen im Fluss verankert und nutzen die Strömung zum Queren des Flusses. Gelbe Bojen am Seil markieren seine Lage. Diese Bojen und das Seil dürfen nicht gekreuzt werden. Man muss immer warten, bis die Fähre zurück auf ihrem festen Liegeplatz ist. Wer unsicher ist, sollte den Fährmann über Kanal 10 rufen und sich informieren.
Der Wasserstand der Elbe ist stark schwankend. Im Sommer können Niedrigwasser unter 1 m vorkommen, dann ist sie nicht mehr schiffbar. Bei Hochwasser, das wir jetzt haben, müssen die Steganlagen aus dem Fluss entfernt werden. Es ist deshalb ein reiner Glücksfall für uns, dass die Anlage in Rogätz noch im Wasser ist.
Die Elbe hat sich weit ins Schwemmland der Altmark verbreitet. Außer Enten, Gänsen, ein paar Fischreihern und ab und an einem Greifvogel gibt es nur Natur um uns.
In dem zauberhaften kleinen Ort Tangermünde finden wir zwei Steganlagen im Hafen. Der ganze mittelalterliche Ort wurde restauriert und gleicht einem Freilichtmuseum. Auch die Gastronomie ist köstlich. Wer gerne mit den Händen isst, die Knochen unter den Tisch schmeißt, nach Magd und Knappen brüllt, nach guter Speis ordentlich rülpsen und furzen kann und auch am Pranger eine gute Figur macht, der ist in der Zecherei St. Nikolai, dem über 800 Jahre alten Gemäuer der Nikolaikirche, bestens aufgehoben. Oder soll's lieber ein Kuhschwanz Bier im Schulzimmer des Exempel sein? Ein Stadtbrand? Vielleicht Güster oder Durchgelaufene Schuhsohle oder lieber Tafellappen voll Kreidestaub? Auf denn, wir haben's probiert, es schmeckt! Die zauberhafte Speisekarte im Schulheftformat mit Tangermünder Geschichten kann man auch kaufen.
Immer noch bildet die Elbe regelrechte Seen bis zu ihren Deichen. Als wir in Wittenberge in den Hafen fahren ist kaum auszumachen wo die Hafenmole beginnt und das Fahrwasser aufhört.
Hier werden wir zum ersten Mal mit der brutalen Wirklichkeit der Wende konfrontiert. Viele, sehr viele Häuser sind verfallen, stehen leer. Dazwischen wunderschön restaurierte Gebäude im Jugendstil und neue, moderne Protzbauten aus Glas und Beton für Banken und Geschäftemacher. Die Unterschiede sind erschreckend. Der Sportboothafen ist neu gebaut, wenn auch die Stege verwaist sind. Was uns bei den Preisen auch nicht verwundern kann. 1 € pro m Boot, 50 Cent für 50 l Trinkwasser, 50 Cent für 1 KW Strom, 2 € für Duschen und 2,60 € für den Müll. Ein bisschen happig für eine Stadt, welche nur wenige Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Immerhin kann sie sich rühmen, dass der berühmte Operetten-Komponist Paul Linke hier zum Musiker ausgebildet wurde. (Bis früh' um fünfe kleine Maus...)
Wir durchfahren das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Weite, Stille und so weit das Auge reicht überschwemmte Auen. Es hat sehr wenig Verkehr auf dem Fluss. Um die Berufsschiffe zu zählen, die uns bis jetzt entgegengekommen sind, brauchen wir nicht mal 2 Hände. Der Fluss strömt derzeit mit 5 bis 6 km. Trotz des hohen Wasserstandes schwimmt kein Unrat, kein Holz im Wasser. Leider verwehrt er uns auch einen Blick auf Sandbänke und sandige Ufer.
Dömitz macht große Anstrengungen für den Wassertourismus. Gleich 3 Anleger laden zum Verweilen ein. Auch ein Wohnmobilstellplatz ist vorhanden. Altstadt und Festung sind unbedingt einen Besuch wert. Dömitz als Standort für eine Radwandertour zu nehmen bietet sich an. Ganz in der Nähe ist die größte Binnenland-Düne im Elbtal. Auch ein Besuch in der Rüterberger Tongrube ist ein Naturerlebnis.
Wer einen Exkurs in die Geschichte der DDR machen will, der ist in Rüterberg richtig. Von Schnakenburg bis Lauenburg bildete die Elbe 98 km lang die Grenze zwischen Ost und West. 1967 wurde das Elbedorf Rüterberg-Broda mit einem zweiten, zusätzlichen Zaun versehen. Der Zugang zum Dorf war fortan nur durch ein von Grenzposten bewachtes Tor möglich. Nachts war das Tor verschlossen. Die im "Schutzstreifen" gelegene Gemeinde war zusätzlich mit Hunde-Laufanlagen und Signaleinrichtungen gesichert. 1981 wurde der Ortsteil Broda dem Erdboden gleich gemacht. Unmittelbar nach der Wende erklärte sich Rüterberg nach dem Vorbild der schweizerischen Urkantone zur Dorfrepublik. 1991 erhielt die Gemeinde vom Innenminister das Recht verliehen sich künftig "Rüterberger Dorfrepublik 1967-1989" zu nennen. Gut, wenn man trotzt allem seinen Humor nicht verliert.
In Dömitz muss man sich entscheiden. Weiter die Elbe abwärts Richtung Hamburg oder abbiegen in die Müritz-Elde-Wasserstraße Richtung mecklenburgische Seenplatte.
Aufbruch: | April 2008 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | September 2008 |
Polen