Mit dem Boot durch Preußens Streusandbüchse
Die Mecklenburger Seenplatte: Die Müritz
Die Königin der Seen, die Müritz
Nur ein paar Minuten weiter, ich habe kaum meine Taue nach dem Ablegen klar und die Fender aufgeräumt, erscheint im Morgendunst der Glockenturm von Waren. Sonne und blauer Himmel spiegeln sich im Wasser der Binnenmüritz. Man hält den Atem an und staunt.
"Ich kann Ihnen auf der ganzen Gotteswelt keinen besseren Platz empfehlen, als die graue Stadt am Meer...", schwärmte Theodor Fontane als er 1896 die Stadt Waren besuchte. Heute ist die Stadt nicht mehr grau. Wie bunte Legosteine gruppieren sich die Häuser um die Kirche und den Stadthafen. Es ist ein Bild mit mediterranem Flair. Bereits jetzt, Anfang Mai, ist der Hafen knallvoll. In der Urlaubszeit ist hier kein Platz zu bekommen, erzählt der Hafenmeister, als Manfred seine 19 € hinblättert. Strom gibt's dann aus dem Automat für 50 Cent 1 KW. Sie haben schnell von uns gelernt den Kapitalismus umzusetzen! Trotz des Preises ist die Stadt einen Besuch wert. Im Mai findet die Müritzsail statt, da ist ganz Waren im Wettkampffieber, und die Stadt mit 60.000 Besuchern verstopft. Von Anfang Juli bis Anfang September wird von freitags bis sonntags im Freilichtmuseum Bürgerpark Mühlenberg die Müritz-Saga aufgeführt.
Es macht Spaß durch die Altstadt zu flanieren, in Antiquitätengeschäften zu stöbern oder einfach nur auf der Straße oder der Mole am Hafen zu sitzen und ein Eis zu schlecken.
Man könnte von hier aus auch den Nationalpark besuchen, oder das Müritzeum, das NaturErlebnisZentrum in Waren. Nachteulen werden im Casino ganz sicher noch ihren letzten Urlaubscent los.
Als wir morgens ablegen, spielt uns die Big Band der Polizei ein Ständchen. Es ist einfach immer was los auf der Uferpromenade.
Wir richten unseren Bug gen Röbel.
Eine riesige Wasserfläche liegt vor uns. Das kleine Meer. Seine besondere Form bewirkt, dass es im Grunde nur ein Ost- und Westufer an der Müritz gibt. Der größte Teil des Ostufers gehört zum Müritz Nationalpark und ist großflächig abgesperrt. Dieses Ufer ist sehr flach, teilweise kann man 250 m in den See hineingehen und hat immer noch Grund. Es hat recht viele Untiefen, gefährlich flache Stellen mit steinigem Untergrund. Navigation ist erforderlich. Und sehr viel Um- und Vorsicht, wenn man das betonnte Fahrwasser verlässt. Die Müritz heißt nicht nur so, sie hat auch die Eigenschaft eines kleinen Meeres. Durch Thermik können sich im Sommer sehr rasch Gewitter bilden. Bei Wind ist die kurze steile Welle in Nullkommanix da.
Ein Lesebuch von 1916 beschreibt es so:
"Die Sage erzählt, auf dem Raume, den jetzt die Müritz einnimmt, seien ehemals sieben Seen zu finden gewesen. Da habe ein gewaltiger Sturm eine Überschwemmung herbeigeführt, wodurch die sieben Seen zu einem einzigen großen vereint seien. Und unmöglich ist das nicht. An verschiedenen Stellen findet man unter dem flachen Wasser nicht weit vom Ufer riesige Baumleichen, gewöhnlich mit den Spitzen nach Osten liegend, und gewaltiges, viel verschlungenes Wurzelwerk: ein Beweis, dass hier einst Busch und Wald gewesen".
Und weiter:
"Ewig wirkende Kräfte mögen uns auch spürbar werden, wenn wir bei schwerem Sturm am Gestade der meeresgleichen Müritz stehen und von dem Schauspiel der heranstürmenden, heranrollenden, heranbrandenden Wogen gepackt werden. Ein Element in feindlichem Aufruhr!"
Wir haben das Glück das kleine Meer so freundlich und glatt zu erleben, dass sich die Sonne darin spiegeln kann
"Ach, nähmen S'nich aewel: Ik bün ut Raewel!", lautet ein alter Spottreim auf die kleine Stadt Röbel, die auch heute eigentlich nur ein kleines Nest mit zwei Kirchen, einer Windmühle, 23 Kneipen und 10 Hotels ist. Der Backfisch am Hafen ist lecker und direkt hinter dem Hafen ist ein kleiner Supermarkt.
Eine wundervolle Fahrt bringt uns quer über den See ins Hafendorf Marina Müritz im Claassee. Die Charter-Firma Kuhnle Tours (www.kuhnle-tours.com) mit einer Charter-Flotte von ca. 130 Booten hat hier ihren Sitz. Sie machen Bootfahrern ein interessantes Angebot. Man kann eines ihrer Hausboote kaufen. Man bezahlt das Boot, es wird auf den Eigner eingetragen, bleibt aber 9,5 Jahre in der Obhut der Firma Kuhnle. Sie kann es auf eigene Kosten verchartern und muss es instand halten. Kuhnle zahlt in dieser Zeit die Kaufsumme zu 96 % zurück. Dann kann der Eigner das Boot übernehmen, praktisch ein Bootskaufs zum Nulltarif. Statt Zinsen kann der Eigner jedes Jahr 3 Wochen in der Hauptsaison auf seinem Boot Urlaub machen, oder zweimal in Vor- oder Nachsaison. Kein schlechtes Geschäft für beide.
Auch QuickMaritim von der unser Törnführer stammt, hat seine Büros hier. Wundervolle Ferienhäuser werden zum Kauf angeboten. Derzeit werden gerade die Kapitänshäuser erstellt. Wohnen mit Blick auf den weiten See, das eigene Boot im Hafen. Herz was begehrst du mehr? (außer einem Lotto-Gewinn)
Schmal wird sie jetzt, die Müritz. Dann weitet sich vor Rechlin noch einmal ein kleiner See, die Kleine Müritz. Unter einer Brücke hindurch, schmal wie ein Tor, erreicht man den Müritzarm und den Müritzsee. Hier beginnt die Elde ihre Wanderung durch die Seen von Mecklenburg-Vorpommern, und weiter, bis sie sich in der Elbe verliert. Mit einer Steganlage vor dem winzigen Ort Buchholz endet das kleine Meer des Nordens.
Aufbruch: | April 2008 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | September 2008 |
Polen