Siyabangena! - Erfahrungsberichte aus Südafrikas Mutterstadt Johannesburg
Silence and noise
Seit etwa anderthalb Wochen ist das (studentische) Leben hier auf dem Campus regelrecht ausgestorben. Was mir nicht bewusst war und was auch im Arbeitsvertrag mit dem Institut nicht erwähnt wurde, ist, dass in Südafrika vom 20.6. bis zum 9.7. Winterferien sind. Was für die Kapazität meiner sozialen Kontakte fatale Folgen hat, ist von Timon vermutlich kaltblütig als strategisches Kalkül in die Terminierung meines Aufenthalts eingeflossen - in dem Irrglauben, dies würde meinerseits zu einer gesteigerten Arbeitsproduktivität führen...
So richtig bin ich noch nicht dahinter gekommen, ob es die Regel ist - fest steht jedenfalls, dass in diesen Winterferien alle Studenten in den auf dem Campus liegenden Wohnheimen ihre Zimmer räumen und verschwinden mussten. So auch Shaatuna, die nun, nicht unbedingt freiwillig, den weiten Weg zu ihrer Familie nach Namibia auf sich nehmen musste, um dort einen Unterschlupf zu finden. Viele Studenten, so auch meine internationalen Nachbarn, haben sich entweder (wieder) auf den Heimweg gemacht oder sind auf Reisen gegangen. Gertrud ist mit ihrem Freund und ihrer Familie auf Entdeckungstour durch Südafrika und Lesotho. Die Zimmer in den Wohnheimen mussten deshalb geräumt werden, da letzten Sonntag eine Armada von Sportlern das Universitätsgelände und eben auch die Wohnheime besetzt hat, die hier in Johannesburg an irgendeiner großen Sportveranstaltung teilgenommen haben. Sportler meint Mitglieder von Sportclubs an verschiedenen Unis Südafrikas, daher alle mehr oder weniger in meinem Alter. Darunter riesige, breitschultrige Gestalten, auf deren Trainingsjacken dann erwartungsgemäß "Rugby Team" zu lesen ist. Rugby, Cricket, all die Sportarten mit englischem Ursprung genießen hier große Beliebtheit.
Im Grunde ist es nicht richtig, zu sagen, dass das Leben hier ausgestorben ist. Jeden Tag werde ich Zeuge dessen, was mir Brian von Anfang an als eines der wichtigsten Elemente der (süd-)afrikanischen Lebensart beschrieben hat - und was während des FIFA Confederation Cup, der hier am Sonntag zu Ende gegangen ist, mit dem treffenden Motto betitelt wurde: "Let's make some noise". Die schwarzen SportlerInnen ziehen jeden Morgen, jeden Abend, immer wenn sie kein Sport machen, in Gruppen über den Campus und machen lauthals auf sich aufmerksam, singen Lieder und tanzen. Immer wieder springe ich zum Fenster, um dem zuzuschauen und zuzuhören, und sauge ein bisschen von der Energie auf, die da über den Campus schnellt. Zwar genieße ich das meistens, aber es ist durchaus gewöhnungsbedürftig, wenn die Gesänge morgens um halb 7 losgehen.
Symbol des 'making noise' während des Confed Cup war die südafrikanische Trompete "Vuvuzela", die aus Blech oder Plastik hergestellt wird und knapp einen Meter lang ist. Man kann sich vorstellen, wie es sich anhört, wenn ein Drittel der im Stadion versammelten Fans ununterbrochen in ein Gerät solchen Ausmaßes bläst. Anfangs war ich nach zwanzig Minuten Spielzeit völlig am Ende mit den Nerven und habe kleine Wutanfälle bekommen. Als dann eine große Debatte ausbrach und einige Spieler und Trainer forderten, man müsse die Trompete in den Stadien verbieten, schöpfte ich ein wenig Hoffnung, dass bald wieder entspanntes Fußballgucken möglich ist. Letztlich habe ich mich doch an den Geräuschpegel gewöhnt und von denjenigen überzeugen lassen, die darauf hinwiesen, dass die Vuvuzelas zur südafrikanischen Kultur gehören und "essential for an authentic South African football experience" sind (so die South African Football Association). Check out the Vuvuzela sound:
http://www.youtube.com/watch?v=SrYb9qtO8OQ
Seit Freitag sind nun jedoch auch die SportlerInnen wieder fort, auch Brian fliegt morgen für zwei Wochen zu einer großen Konferenz in Kapstadt. Dann wird es, zumindest in der kommende Woche, tatsächlich still um den Fremdling.
Aufbruch: | 10.06.2009 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 29.08.2009 |