Siyabangena! - Erfahrungsberichte aus Südafrikas Mutterstadt Johannesburg
Church soccer
Eigentlich hatte ich mir am Tag meiner Neugeburt als Christ geschworen, nie wieder einen Fuß in die Kirche zu setzen. Schon als ich den Entschluss fasste, war mir klar, dass ich in zwei Wochen wieder anders denken würde. Berücksichtigt man die Tatsache, dass ich seit meiner Ankunft in Jozi wie ein Durchschnittsamerikaner lebe, der etwa 79 Schritte am Tag macht und sonst nur rumsitzt und ich deswegen seit zwei Wochen verzweifelt nach Bewegungsmöglichkeiten suche, erscheint der erneute Gang in die Kirche in einem anderen Licht. Meine brothers haben für heute geplant, Fußball zu spielen. Ich wüsste nicht, was mir zu diesem Zeitpunkt gelegener käme. Treffpunkt: Kirche. Nachdem wir dort zunächst in Säcke gepackte, ausrangierte Kleider sortieren (aufgrund meiner Hautfarbe und meiner Herkunft werde ich von einem der Jungs für den gehalten, der die Kleidersendung arrangiert hat), geht es, mit typisch afrikanischer Verspätung von mehr als einer Stunde, los Richtung Fußballplatz. Nach langem hin und her, bei dem niemand so richtig Bescheid weiß, stellt sich dieser als Schmalstreifen am Rande eines hügeligen Parks heraus. Im Park, der nicht größer als ein Hektar ist, liegen überall verstreut auf dem Bauch liegende und von ein oder mehreren Flaschen begleitete Leute rum, die offenbar schlafen. In der Nachbarschaft wird irgendetwas verbrannt, der Rauch, der direkt über das Fußballfeld zieht, riecht nach den Haaren eines gestressten und ungesund ernährten Hundes.
Trotz der widrigen Umstände kommen meine Compagnons und ich auf unsere Kosten. Ich genieße es in vollen Zügen, mal wieder Auslauf zu bekommen. Aufgeteilt in vier Teams à 7 oder 8 Spieler, was eigentlich zu viel für den kleinen Platz ist, gibt es zwei Spiele pro Mannschaft. Wir sind mindestens 35 Leute, darunter erwartungsgemäß nur ein Weißer. Nachdem das anfangs ein seltsames Gefühl war, habe ich mich inzwischen ganz daran gewöhnt, oft genieße ich das Gefühl, dass die Hautfarbe - sowohl von meiner Seite als auch von Seiten der anderen - überhaupt keine Rolle spielt und ich mich in keiner Weise zurückhalte, eingeschüchtert fühle bzw. anders verhalte als sonst. Dass ich defensives Mittelfeld auf dem linken Flügel spiele, trägt verstärkend dazu bei, dass ich mich wie Matthew Booth fühle, dem einzigen Weißen in der südafrikanischen Fußball-Nationalmannschaft. Bekommt er den Ball, geht ein "Booooooooth!" durch das Stadion, heute höre ich jedes Mal von allen Seiten ein schnelles "Tim-ooo!", sobald ich den Ball kriege. Ich weiß nicht, woher es kommt, aber ich fühle mich immer wieder besonders unter den schwarzen Menschen hier, ohne dass ich zuvor ein Wort mit ihnen gesprochen habe, unglaublich wohl und gut aufgehoben. Es klingt skurril, aber manchmal ist es wie eine "imaginäre Brüder- bzw. Schwesternschaft", die ich wahrnehme. Ob es nur an der Hautfarbe liegt? Zumindest habe ich eine solche Verbindung zu den auch sehr hilfsbereiten, gastfreundlichen und warmherzigen Australiern nicht gespürt. Es muss noch etwas anderes sein, was bei mir wie ein Magnet, wie ein Zauber wirkt. Insofern würde die Hautfarbe dann - zumindest von meiner Seite - doch wieder eine Rolle spielen.
Am Abend besuchen Brian und ich noch Bev in ihrer gated community, sie ist am Dienstag wegen irgendwelcher Verwachsungen im Bauch operiert worden und fühlt sich, als sei sie einmal in der Mitte durchgeschnitten worden. Bei unserer Ankunft bin ich etwas überrascht - ich bekomme ihre eigentlichen Haare zu Gesicht. Auch ihre Freundin Lucy trug bei unserem ersten Treffen offenbar eine Perücke. Brian klärt mich später auf, dass es bei vielen afrikanischen Frauen hier üblich sei, im Winter eine Perücke zu tragen und ihr Haar so vor irgendwelchen Witterungsbedingungen (vielleicht zu wenig Luftfeuchtigkeit?) zu schützen - eigenartige Gewohnheiten entdeckt man hier...
Aufbruch: | 10.06.2009 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 29.08.2009 |