Asia Express – In 6 Monaten von Delhi nach Denpasar

Reisezeit: Februar - August 2010  |  von Dirk Vorwerk

Flussdelta und Großstadtdschungel

21. Juni - 07. Juli 2010

Am 21. Juni verlassen wir Semporna in Richtung Sandakan. Auch dieser Ort schafft es nicht, das schlechte Bild von Sabahs Städten auszuradieren, das sich inzwischen in unseren Köpfen manifestiert hat. Ein kilometerlanges Band eintöniger zweigeschossiger Betonklötze, exakt rechtwinklig ausgerichtet, kein wirklich erkennbares, geschweige denn attraktives Zentrum - das ist die zweitgrößte Ansiedlung des Bundesstaates. Unser Hotel ist nett, aber mitten im Nirgendwo. Aber mitten im Nirgendwo ist in Sandakan überall...

Wir nutzen die Stadt ohnehin nur als Ausgangspunkt für unseren dreitägigen Abstecher in das Flussgebiet des 560 Kilometer langen Kinabatangan. Die Überschwemmungsebene von Sabahs zweitlängstem Fluss gilt als eines der besten Gebiete für Tierbeobachtungen in Borneo.

Die Anreise mit dem Bus ist zeitraubend, da zunächst alle Gäste eingesammelt werden. Am Fluss angekommen müssen wir noch mit dem Boot übersetzen um unsere Lodge zu erreichen. Wir beziehen unser "Luxusquartier", einen würfelförmigen Holzverschlag mit mit etwa 2,50 m Kantenlänge. Zu unserer Überraschung schließt sich sogar ein mit einem Vorhang abgetrenntes "Bad" an. Es ist Eile angesagt, denn die erste Bootssafari startet bereits wenig später. Mit dem Boot suchen wir die Ufer des milchig-braunen Kinabatangan ab. Nach kurzer Zeit entdecken wir dann auch die ersten Nasenaffen und Makaken.

Auf dem Rückweg unterstützen wir ein liegengebliebenes Boot eines anderen Resorts und schleppen es ein Stück den Fluss hinauf, bis der Bootsführer Unterstützung anfordern kann. Durch unsere Hilfsaktion ist es schon spät geworden, und so fahren wir langsam im Dunkeln in Ufernähe zu unserer Unterkunft zurück.

Plötzlich ist im Schilf ein deutliches Knacken zu hören, und schemenhaft nehmen wir Bewe-gungen wahr, die eindeutig nicht vom Wind herrühren. Eine Gruppe Elefanten hat sich zum Abendessen eingefunden. Doch wir erhaschen nur einen Blick auf ein halbes Ohr und ein Stück Rüssel, ansonsten bleiben die Tiere im Dickicht verborgen.

Nachdem wir uns gestärkt haben, wartet bereits die nächste Aktivität auf uns - die Nachtsafari. Bislang auf nächtlichen Unternehmungen nicht gerade vom Beobachterglück verwöhnt, halten sich unsere Erwartungen in Grenzen. Auch diesmal ist die Ausbeute eher gering: Ein im Nest schlafender kleiner Vogel, den niemand sicher zu bestimmen vermag, zeigt uns konsequent sein langschwänziges Hinterteil, und gegen Ende der einstündigen Tour durch Matsch und Schlamm blinzelt ein kleiner Frosch verschlafen in die Kamera.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker bereits um 5:30 Uhr. Nebelschwaden liegen über dem Fluss als wir mit dem Boot zu unserem nächsten Ausflug starten. Wir sehen Nasenaf-fen, Makaken und immer wieder Reiher am Ufer des Flusses.

Beim Frühstück stärken wir uns für die folgende Wanderung. Auf aufgeweichten Pfaden zu einem alten Flussarm. Entlang des Weges finden wir frische Elefantenspuren. Das erhöht nachhaltig die Spannung, doch unsere beiden einheimischen Führer, so scheint es, legen keinen besonders großen Wert auf ein Zusammentreffen mit der Herde. So hat das dreistündige Trekking denn mehr botanischen Anspruch.

Nach einer kurzen Verschnaufpause nach dem Mittagessen, in der ein heftiger Tropenguss auf das Dach unseres Bungalows trommelt, geht es auch schon wieder mit der nächsten Bootstour weiter.

Da flussaufwärts Elefanten gesichtet wurden, schließen wir uns der Bootskarawane an und suchen das Ufer nach den Dickhäutern ab. Zunächst sieht es jedoch mehr nach einem ornithologischen Nachmittag aus - Störche, Nashorn- und Schlangenhalsvögel kreuzen unseren Weg. Erst auf dem Rückweg, nur wenige hundert Meter von unserem Camp entfernt, futtert sich eine Familie Zwergelefanten genüsslich durch das dichte Grün - vermutlich die Herde, deren Spuren wir bereits am Morgen im Dschungel gefunden haben.

Die Pygmäen-Elefanten von Borneo gehören zu den weltweit kleinsten Elefanten, ausge-wachsene Tiere erreichen eine Schulterhöhe von gerade einmal zweieinhalb Metern. Von der nur in Sabah und im nördlichen Kalimantan vorkommenden Art existieren nach Schät-zungen des WWF vermutlich nur noch weniger als 1000-1500 Tiere, und die Art gilt als vom Aussterben bedroht.

Nach dem Dinner folgt das gleiche Programm wie am Vorabend - es geht auf zur nächtlichen Schlammschlacht. Zwei winzige Scheinvipern, ein Baumfrosch, ein schlafender Kappen-Pitta - überwältigende Beobachtungen bleiben auch diesmal aus, aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.

Im nebelverhangenen Morgengrauen startet unsere letzte Bootssafari auf den ewig schmutzig-braunen Wassern des Kinabatangan. Wir sichten auch heute die üblichen Verdächtigen: Nasenaffen suchen in den Bäumen nach Früchten, Reiher segeln im Tiefflug über das Wasser und aus den Wipfeln dringt das Geschrei der Nashornvögel zu uns.

Nach einer guten Stunde kehren wir in das Camp zurück, denn bereits 8.30 Uhr, nach einem sportlichen Frühstück, wartet der Bus, der uns zurück in die Zivilisation bringt.

Da sich die weiteren sogenannten "Wildlife"-Attraktionen Sandakans auf mehr oder weniger domestizierte Tiere in zooähnlichen Freigehegen beschränken, treten wir die Flucht nach vorn an und reisen auf bekannter Strecke zurück nach Kota Kinabalu. Die letzten 100 Kilometer werden wir von wolkenbruchartigen Regengüssen begleitet, die auch nicht nachlassen, als wir die Hauptstadt erreichen. Doch dank strategisch günstiger Überdachungen am Busbahnhof und eines cleveren Taxifahrers, der uns im Parkhaus absetzt, erreichen wir unser Hotel trockenen Fußes.

Das Wetter ist nach wie vor unbeständig und durchkreuzt unsere Pläne für weitere Naturbeobachtungen. Die der Stadt vorgelagerten Inseln des Parks sind wahrhaftig kein Ausflugsziel für einen Regentag, aktuelle Informationen zur Rafflesia-Blüte sind am Wochenende nicht erhältlich und ein wolkenverhangener Mount Kinabalu ist alles andere als ein atemberaubender Anblick. Kurzum, bei diesem Wetter gibt es nichts mehr zu tun in Kota Kinabalu, und so buchen wir kurzfristig für den kommenden Montag einen Flug nach Kuala Lumpur.

Nach sechs Wochen Aufenthalt auf Borneo reisen wir - bereits zum vierten Mal mit Air Asia - zurück auf die malaysische Halbinsel.
Bevor es wieder in die Wildnis geht, möchten wir noch ein bisschen großstädtisches Flair genießen und bleiben für eine gute Woche in Kuala Lumpur. Diesmal haben wir in Bukit Bintang Quartier bezogen, in einem farbenfrohen Hotel namens YY38. Das quirlige Viertel im Schatten der Twin Towers, wohl wegen seiner Eigenschaft, den Besuchern das Geld aus der Tasche zu ziehen, auch als "Goldenes Dreieck" bezeichnet, hat uns schon bei unserem ersten Aufenthalt gut gefallen. Hier, in der unangefochten größten Einkaufs-, Vergnügungs- und Fressmeile der Stadt, schläft die Stadt nie. Fast alle Restaurants sind 24 Stunden geöffnet und versorgen die hungrigen und durstigen Gäste rund um die Uhr mit chinesischen, indischen, malaysischen, arabischen und westlichen Spezialitäten.

Gut besucht bereits in Morgenstunden, wenn die Einheimischen vor der Arbeit hier schnell eine Nudelsuppe essen, herrscht der größte Andrang in den Open Air-Restaurants jedoch am Abend, wenn malaysische Familienverbände, gestresste Büroheimkehrer und vom Sightseeing erschöpfte Pauschaltouristen wie die Heuschrecken über das Viertel herfallen. Gegen 21.00 Uhr ist nur schwerlich ein Sitzplatz zu ergattern.

Ein Tagesausflug führt uns nach Malakka. Die Fahrt mit dem Taxi in die traditionsreiche Hafenstadt 145 Kilometer südwestlich von Kuala Lumpur dauert etwa zwei Stunden. Unser Guide und Fahrer, ein junger Chinese, ist ein amüsanter Typ, mit dem es eine Menge zu lachen gibt. Die blumige Schilderung seiner Europareise - neun Länder in 14 Tagen - übertrifft jedes Klischee einer chinesischen Reisegruppe, die sich mit bunten Wiedererkennungsfähnchen bewaffnet 30 Minuten durch Heidelberg drängelt, bevor der Bus durch den Schwarzwald Richtung Schweiz davonfährt.

Malakka, bis Ende des 14. Jahrhunderts ein einfaches Fischerdorf, stieg nach der Machter-greifung durch den indonesischen Prinzen Parameswara zu einer bedeutenden Hafenstadt auf. Schnell siedelten sich Chinesen, Siamesen und Inder an, die strategisch günstige Lage der an der Handelsroute von China nach Indien für eine geschäftige Handelstätigkeit zu nutzen wussten. Das wirtschaftliche Erstarken der Stadt führte 1511 zur Besetzung durch die Portugiesen, denen 1641 die Holländer und 1795 die Briten folgten. Die wechselvolle Geschichte des Ortes spiegelt sich eindrucksvoll in der z.T. 500 Jahre alten Bausubstanz wieder - der historische Stadtkern wurde 2008 von der UNESCO in den Welterbe-Status erhoben.

Wir bummeln mehrere Stunden durch die engen Gassen der geschichtsträchtigen Altstadt, in der christliche Kirchen, indische Hindutempel, malaysische Moscheen und chinesische Gebetshäuser von ethnischer und religiöser Vielfalt zeugen. Die Architektur im Stadtkern ist ein Festival für die Sinne: Die Bauten aus holländischer Kolonialzeit zeigen sich in sattem Ziegelrot, während in den einst portugiesisch geprägten Vierteln strahlend weiße Gebäude dominieren.

Auch die Chinatown von Malakka ist außerordentlich gut erhalten. Die aufwändig gestalteten Fassaden der kleinen Häuser in der Jalan Tun Tan Cheng Lock sind liebevoll restauriert, wie auf einer Perlenkette reihen sich Antiquitätengeschäfte, Ateliers von Malern und Kunsthandwerkern, schicke Cafés sowie kleine, aber feine Pensionen aneinander. Nachdem wir in Malakkas ältestem buddhistischen Tempel das von Priestern geleitete Gebet verfolgt haben, sind wir völlig erschöpft und stärken uns in einem rappelvollen traditionellen Restaurant mit gedämpftem Huhn und Reisbällchen, der regionalen Spezialität, bevor wir in die weichen Polster des Taxis sinken und - die meiste Zeit schlafend - die Rückfahrt antreten.

Kuala Lumpur besteht, entgegen der landläufigen Meinung, nicht nur aus Wolkenkratzern, sondern besitzt auch geschichtsträchtige Stadtviertel sowie zahlreiche grüne Inseln - etliche Parks und ein Stadtwald laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein.
Wir bewegen uns auf den historischen Pfaden zwischen Chinatown und Little India und be-suchen die Masjid Jamek. Die 100 Jahre Moschee war bis zur Erbauung der Nationalmo-schee Masjid Negara im Jahre 1965 das wichtigste muslimische Gebetshaus der Stadt. Gleich gegenüber befindet sich am Merdaka Square, dem Platz der Unabhängigkeitserklä-rung, ein gut erhaltenes Ensemble aus Backsteingebäuden, das den Gerichtshof und andere Verwaltungsgebäude beherbergt. In diesem charmanten Viertel ist auch das Textilmuseum zu finde, das eine interessante Auswahl traditioneller Textilien aus allen Landesteilen vorstellt. Zwei Ecken weiter ein kultureller Quantensprung - Little India betört mit dem Duft von Räucherstäbchen, Blumenketten und Gewürzen, Frauen in bunten Saris kommen gerade vom Gebet.

Der Samstagabend ist regenfrei, und so heißt es "KL by Night" - eine Fototour durch die nächtliche Stadt. Aufgrund der Wetterlage lässt sich ein Streifzug durch die erleuchtete Stadt derzeit nur ein oder zwei Mal pro Woche realisieren. Bis 22.00 Uhr sind die Einkaufszentren der Metropole geöffnet, noch länger pulsiert das Leben in der Stadt. Auch der Platz vor den Petronas Towers ist da keine Ausnahme, er ist jetzt stärker bevölkert als in der restlichen Zeit des Tages. Anderthalb Stunden fangen wir das Lichtspiel der hell erleuchteten Zwillingstürme ein und die (selbsternannten) besten Taxifahrer der Stadt posieren für ein Foto.

Auch wir erleben hier natürlich die Fußball-WM, wenngleich etwas dezenter als zuhause. Deutsche Touristen sind hier unterrepräsentiert, die Übermacht von Engländern und Australiern - die derzeit auf deutsche Ballkunst nicht wirklich gut zu sprechen sind - ist im Gegen-zug erdrückend. Und das malaysische Publikum identifiziert sich mit südamerikanischem Fußball. Die Atmosphäre nach der frühen Führung gegen Argentinien sprach nicht gerade für Public Viewing... Also Hotelfernseher und Bild online.

Zu Beginn der neuen Woche heißt unser Ziel Bukit Nanas, die höchste Erhebung im Zentrum Kuala Lumpurs. Hier findet sich, bereits seit 1906 unter Schutz gestellt, das letzte Stück tropischen Regenwaldes, von dem einst das gesamte heutige Stadtgebiet bedeckt war. In diesem Dschungel im Herzen der Millionenstadt leben noch Langschwanzmakaken, Silberlanguren, Pythons, Warane, Hörnchen, Vögel und eine Vielzahl an Insekten. Neben der Anwesenheit von Makaken können wir vor allem eine nicht gefährdete Population von Millionen von Moskitos bestätigen - es scheint uns, als seien hier mehr von den lästigen kleinen Plagegeistern beheimatet als im gesamten Regenwald Borneos. Wir schwitzen uns die schmalen Pfade entlang, die sich auf mehreren Rundwegen steil bergauf und bergab winden - der Seilbahnservice zu dem mit Baumriesen bestandenen Gipfel wurde leider vor einigen Jahren eingestellt. Nach zwei Stunden geben wir ungleichen Kampf gegen die nervigen Stechinsekten verloren und verlassen den Wald, denn unsere ansehnliche Kollektion von Mückenschutzmitteln aus drei Ländern steht - wie sollte es anders sein - im Hotel.

Weiter geht es nach Chinatown. Das an sich charmante Viertel ist zwar mückenfrei, seine geschäftstüchtigen Händler zeigen allerdings eine ähnliche Intensität wie die Moskitos, wenn es darum geht, Unmengen gefälschter Markenartikel an den zahlungskräftigen Käufer zu bringen.

Es ist bereits später Nachmittag und wir entschließen uns zu einem Abstecher in die Food Republic, einem der größten Essensparadiese der Stadt, bevor es uns nach mehr als acht Stunden in unser Hotel zurückzieht.

Unsere Zeit in Kuala Lumpur neigt sich dem Ende, und wir kaufen für den 7. Juli Bustickets für die fünfstündige Fahrt nach Singapur.

30 Stunden und ein Halbfinalspiel später verlassen wir den Stadtstaat zwischen Malaysia und Indonesien für ein neues Kapitel unserer Reise.

© Dirk Vorwerk, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Der Wunsch etwas in dieser Art zu tun war schon lange da. Im letzten Jahr wurde aus diesem Wunsch dann ein Entschluss und nach langer Überlegung haben wir uns für eine Tour durch Asien entschieden. Seit dem 23. Februar sind wir nun auf unserer Reise die uns in 6 Monaten durch Indien, Malaysia und Indonesien führen soll.
Details:
Aufbruch: 23.02.2010
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 26.08.2010
Reiseziele: Indien
Malaysia
Australien
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Dirk Vorwerk berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.