Asia Express – In 6 Monaten von Delhi nach Denpasar

Reisezeit: Februar - August 2010  |  von Dirk Vorwerk

Regenwald und Meeresschildkröten

1. Juni - 20. Juni 2010

Die Kosten für das Taxi vom Flughafen ins Stadtzentrum von Kota Kinabalu lassen uns nach einem besorgten Blick in unsere Geldbörse zweifeln, ob wir noch in Malaysia sind. Es ist deutlich teuer hier. Der Fahrpreis für die kurze Strecke bewegt sich beinahe auf deutschem Niveau, und die meisten Unterkünfte bieten für viel Geld vergleichsweise wenig Komfort.

Die Hauptstädte Sarawaks und Sabahs - Kuching und Kota Kinabalu - könnten verschiede-ner nicht sein. Religiöse und ethnische Unterschiede offenbaren sich dem Besucher schon nach kurzer Zeit. Chinesische Tempel sind rar in diesem Teil des Landes, hier dominieren die Moscheen, und ein hoher Anteil der Bevölkerung des Bundesstaates hat philippinische oder indonesische Wurzeln.

Am Tag nach unserer Ankunft klären wir zunächst die organisatorischen Details. Wir mar-schieren in Ermangelung öffentlicher Verkehrsmittel die schattenlose Küstenstraße entlang der Likas-Bucht zum Menara Tun Mustapha. Das mit 30 Stockwerken dritthöchste Gebäude Borneos liegt fünf Kilometer außerhalb des Stadtzentrums und ist Sitz der Sabah Foundation, die für die Verwaltung des Danum Valley zuständig ist. Einige Naturbeobach-tungen machen die schweißtreibende Strecke etwas interessanter.

Kaum haben wir das Gebäude betreten, schüttet es wie aus Eimern - egal, wir sind erst einmal im Trockenen. Noch einige Erklärungsversuche, und der Sicherheitsbeamte lässt uns nicht nur in der Lobby warten, sondern gewährt uns Zugang zu den heiligen Hallen.

Um im Danum Valley Field Centre (DVFC) Station machen zu dürfen, müssen ausländische Besucher ein wissenschaftliches Interesse sowie einen entsprechenden fachlichen Hinter-grund in einem schriftlichen Antrag inklusive Empfehlungsschreiben begründen. Eine Ablehnung dieser Bewerbung bedeutet nicht gleich das Ende aller Regenwaldträume, doch "unqualifizierte" Gäste werden zum Schnäppchenpreis - ab US$ 656 pro Person für zwei Übernachtungen - an die wundervoll touristische "Borneo Rainforest Lodge" durchgereicht, die von einem 100%igen Tochterunternehmen der Sabah Foundation betrieben wird.

Auch unser Gespräch driftet zunächst in diese Richtung. Erst als wir auf Nachfrage hin erklären, die Informationen zum Field Centre von Mattias Klum erhalten zu haben, wendet sich das Blatt: "You know Mattias?", lächelt uns unsere Bearbeiterin Rose entgegen, und eine Sekunde später beginnen wir, das Bewerbungsformular auszufüllen mit dem sie dann wenig später zu ihrem Chef verschwindet. Wir warten und mit jeder Minute schwindet ein Stückchen Hoffnung. Dann kommt Rose zurück und lächelt erneut - mit der Aufforderung, im Field Centre eine Fotopräsentation zu halten, hat ihr Vorgesetzter unseren Aufenthalt genehmigt.

Die erste Hürde ist genommen, allerdings schneller als uns lieb ist. Hatten wir ursprünglich unseren knapp einwöchigen Regenwaldtrip erst für die kommende Woche geplant, müssen wir nun bereits am Folgetag aufbrechen, weil die Unterkunft nicht anders verfügbar ist.

Das Personal in unserer Lodge ist nur ansatzweise der englischen Sprache mächtig, und selbst eine einfache Anfrage zu öffentlichen Verkehrsmitteln gerät zur unlösbaren Heraus-forderung für die Angestellten an der Rezeption. So bleibt uns nur umständliche Internetre-cherche bis spät in den Abend, um an die Informationen für unsere Weitereise zu kommen.

Am nächsten Morgen gehören wir - wie schon so oft - wieder zu den frühen Vögeln und fahren bereits 6.00 Uhr mit dem Taxi zum Busbahnhof, der sich aus Gründen erhöhten Reisekomforts zehn Kilometer außerhalb der Stadt befindet. 7.30 Uhr schaukelt unser gut klimatisierter Bus Richtung Lahad Datu, vorbei am majestätischen Mount Kinabalu, dem höchsten Berg der Region. In schöner asiatischer Tradition gibt es im Fahrzeug ohrenbetäubende Beschallung - zunächst MTV-Karaoke, später ein echter C-Movie (eine Neuverfilmung von "Die Schöne und das Biest" im englischen Originalton mit malaysischen Untertiteln). Vor lauter Entertainment vergessen wir, den Berg zu fotografieren.

Gegen 15.00 Uhr erreichen wir endlich unser Tagesziel. Auch hier ist der Busbahnhof schön dezentral gelegen, die Außenstelle vom Field Centre soll sich jedoch in unmittelbarer Nähe befinden. Die Befragung Einheimischer gestaltet sich erneut schwierig, Englisch wird kaum verstanden. Ein cleverer Mitbürger, wohl der fünfte, den wir ansprechen, lässt sich von uns die Kontaktdaten geben, ruft im Büro an und lässt sich den Weg erklären - es ist exakt einmal links um die Ecke, etwa 80 Meter entfernt. Überwältigt von soviel Ortkenntnis, klären wir schnell die Einzelheiten für unsere morgige Weitereise in die Wildnis, begeben uns nahtlos ins Stadtzentrum und auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Das Angebot an Beherbergungsbetrieben ist übersichtlich, nach einer Viertelstunde sind alle Optionen geprüft.

Lahad Datu hat in etwa den Charme einer Plattenbausiedlung, die auf ihren Rückbau wartet. Damit uns wenigstens das Zimmer in angenehmer Erinnerung bleibt, scheuen wir keine Kosten, mieten uns im "ersten Haus am Platze" ein und verlassen das Hotel bis zum Check-out am nächsten Mittag nur noch einmal für einen kurzen Abstecher zur nahegelegenen Fastfood-Filiale.

Am folgenden Nachmittag beginnt unser nächstes Abenteuer mit einer zweieinhalbstündigen Minibus-Fahrt ins 75 Kilometer entfernte Danum Valley Field Centre, einer Forschungsstation im Herzen des Regenwaldes. Zunächst bietet sich jedoch das gleiche trostlose Bild wie auf der Busfahrt am Vortag: Ölpalmen, soweit das Auge reicht. Die hohe Rentabilität des Palmöls hat in den letzten Jahrzehnten zu hemmungslosen Massenabholzungen der Primär- und Sekundärwälder auf Borneo geführt, dichter Dschungel musste einer erschreckenden Monokultur weichen. Die Folgen der irreparablen Landschaftszerstörung werden heute unter anderem im DVFC untersucht. Neben einheimischen Wissenschaftlern forschen hier auch ausländische Gäste, häufig im Rahmen ihrer Master- oder Doktorarbeit.

Kurz bevor wir das Forschungszentrum erreichen, setzt der übliche Regenguss zum Spät-nachmittag ein und nimmt uns die Illusion, noch eine Nachtexkursion unternehmen zu kön-nen. Also beziehen wir unser Quartier und beobachten, mittlerweile im Halbdunkel, die Tier-welt von unserer Terrasse aus, und erste Eindruck ist vielversprechend.

Am nächsten Morgen genießen wir den Sonnenaufgang, nach dem Frühstück geht es auf den Nature Trail. Die Tierdichte - oder zumindest das, was wir davon wahrnehmen - ist nicht ganz so hoch wie erwartet, doch kurz vor Schluss treffen wir auf eine Gruppe Maronenlanguren, die sich, von uns völlig unbeeindruckt, ihrer Mittagsmahlzeit hingibt. Der Nachmittag ist, wie nahezu täglich im Regenwald, durch heftige Gewittergüsse fremdbestimmt, und so bleiben wir weitestgehend in der Nähe der Unterkunft.

Für den Sonntagmorgen buchen wir ein Fahrzeug und fahren zum Sonnenaufgang zum Be-obachtungsturm. In luftiger Höhe hat man einen wunderschönen Ausblick über die nebelver-hangenen Baumriesen im Tal.

Im Anschluss wandern wir mit einem Ranger durch den Regenwald, denn Erstbegehungen schwieriger Wege sind für Besucher nur in ortskundiger Begleitung erlaubt. Heute begegnen wir auch unseren ersten wilden Orang Utans.

Die nächsten beiden Tage führen uns auf schmalen, steilen und rutschigen Pfaden durch den einen der ältesten Regenwälder der Erde. Am letzten Abend im Danum Valley ist uns dann der Wettergott wohlgesonnen, und wir unternehmen die langerwartete Nachtwande-rung. Doch nun hat sich wohl die Tierwelt gegen uns verschworen, denn außer zwei Fisch-Uhus ist auf unserem einstündigen Marsch nicht zu sehen.

Nach fünf Tagen heißt es Abschied nehmen vom Danum Valley, und wir reisen ohne Zwischenstopp nach Semporna weiter. Hier vor der Küste gibt es einige der großartigsten Korallenriffe Südostasiens, allen voran die Insel Sipadan, die durch ihre zahlreichen Schildkröten und riesige Schwärme von Großfischen zu den zehn besten Tauchplätzen der Welt gezählt wird.

Semporna gehört nicht gerade zu den Städten, die man auf Anhieb in sein Herz schließt, aber als Ausgangspunkt für Tauchtouren führt kein Weg an diesem farblosen Küstenort vorbei. So machen wir aus der Not eine Tugend und freuen uns bereits über die kleinen Annehmlichkeiten, die hier auf uns warten - ein gut klimatisiertes, wenn auch winziges Hotelzimmer, eine heiße Dusche und, gleich gegenüber, ein für Sabahs Verhältnisse gigantischer Supermarkt.
Der erste Check der Tauchbasen ist ernüchternd, denn Sipadan ist Tauchindustrie pur. Da pro Tag nur 120 Genehmigungen für die Insel erteilt werden, ist bei den meisten Anbietern "Rudel-Tauchen" angesagt, um die wertvollen Lizenzen nicht zu verschwenden: Große Tauchgruppen, wenig Guides. Die wenigsten Tauchschulen möchten überhaupt eine Garan-tie geben, ob und wann man Sipadan betauchen kann. Die Unternehmen, die dort Tauchgänge zusichern, sind nicht unbedingt die sympathischsten der Branche, die anderen besit-zen entweder keine Berechtigung für die Insel oder bieten keinen Kameraverleih an. Da Tauchen aber irgendwie Vertrauenssache ist, fällt die Wahl schon ziemlich schwer.

So vertagen wir die Sipadan-Entscheidung noch ein wenig und buchen zunächst ein sportliches Kombi-Paket mit vier inkludierten Tauchgängen an einer der anderen Inseln des Archipels und einer Übernachtung im Stelzenbungalow. Wir starten am Sonntagmorgen nach "Singamata", einem schwimmenden Resort knapp vier Kilometer vom Festland entfernt, das als Ausgangspunkt für die Tauchausfahrten dient. Wir waren seit fast zwei Jahren nicht mehr tauchen, nun heißt es endlich mal wieder Schuppen statt Federn und Fell. Am Vormittag erleben wir vor der Insel Mabul die erste "Schildkröten-Suppe" unseres Lebens. Bei zum Teil heftiger Strömung kommen wir den gemütlichen Riesen unglaublich nah. Jetzt fehlt nur noch eine Unterwasserknipse, aber die ursprünglich zugesicherte Leihkamera war leider nicht verfügbar. Am Nachmittag gibt es dann noch einen Tauchgang am Hausriff, den vierten Unterwasserausflug streichen wir ersatzlos - soviel Hochleistungssport muss nun doch nicht sein. Wir genießen den Spätnachmittag im Resort, sehen den Fischen im Naturaquarium zu und warten auf das Abendessen, denn Tauchen macht hungrig...

Nach unserer Rückkehr auf das Festland nutzen wir eine Regenpause für einen neuerlichen Tauchbasen-Check. "Sipadan Scuba" disqualifiziert sich nach fünf Minuten endgültig durch unglaubliche Arroganz und nicht vorhandene Videoausrüstung, "Scuba Junkies" beharrt auf monatelanger Vorausbuchung, "Uncle Chang" bietet ebenfalls keinen Kameraverleih an.

Zum Schluss werden wir bei "Borneo Global Backpackers" fündig - für den 20. Juni wird uns ein Sipadan-Trip mit drei Tauchgängen ab Semporna angeboten. Das Personal ist freundlich und hilfsbereit, die Leihausrüstung, die wir vor Ort besichtigen können, macht einen soliden Eindruck. Jetzt müssen wir nur noch die Wartezeit überbrücken.

Wir verbringen die folgenden zwei Nächte erneut in "Singamata" und tauchen, was das Zeug hält, diesmal in Maiga und Sibuan. Wir haben auch eine Leihkamera bekommen - nagelneu wartet sie auf ihren Jungferntauchgang. Als wir uns mit der Funktionsweise vertraut gemacht haben, stellen wir fest, dass das Gehäuse undicht ist. Wir riskieren einen zweiten Tauchgang, dann geben wir auf. Ersatzweise erhalten wir ein anderes Gerät. Als wir wissen, wie es bedient wird, ist der Akku leer und kein Ladegerät vorhanden...
Für den nächsten Tag leiht uns unsere philippinische Divemasterin Santi ihre Kamera, so dass wir wenigstens noch ein bisschen knipsen können. Das ständige Wechseln ist jedoch nicht gerade eine Garantie für erstklassige Aufnahmen.

Endlich ist Sonntag, Zeit für unseren langersehnten Ausflug nach Sipadan. Die kleine Insel, ein malaysischer Außenposten in der Celebes-See, wird in Deutschland nach wie vor weni-ger mit Weltklassetauchplätzen, sondern eher mit dem Schicksal der Göttinger Familie Wallert in Verbindung gebracht, die hier vor zehn Jahren von philippinischen Rebellen entführt und mehrere Monate gefangen gehalten wurde. Die luxuriösen Bungalowanlagen, die sich damals noch auf Sipadan befanden, mussten 2004 auf Anweisung der Regierung entfernt werden - nicht wegen des terroristischen Übergriffes, sondern aus Gründen des Naturschutzes. Seit dem vergangenen Jahr besitzt das Gebiet endlich Nationalparkstatus.

Wir starten entspannt in den Tag. Den Kampf mit der Zusammenstellung der Leihausrüstung haben wir bereits am Vorabend ausgefochten, denn es gibt nichts Schlimmeres, als sich unter Zeitdruck zu nachtschlafender Stunde probeweise in enges Neopren zu zwängen.

Nach etwa 45minütiger Fahrt mit dem Speedboot erreichen wir die Insel, die Taucherträume wahr werden lässt. Unsere hochgesteckten Erwartungen werden nicht enttäuscht. An den einzigartigen, außerordentlich gut erhaltenen Riffen herrscht wahrhaftig Großfischalarm, und das bei ausgezeichneten Sichtweiten. Darüber hinaus ist die Tour ausgezeichnet organisiert. Wir tauchen in kleiner Gruppe und unser Tauchguide - ein Einheimischer mit dem typisch malaysischen Namen Roland und dem Aussehen George Foreman - ist ein aufmerksamer Begleiter mit geschultem Blick.

Wir besuchen drei verschiedene Tauchplätze, jeweils benannt nach ihren Attraktionen: Turtle Patch, Coral Garden und Barrakuda Point. Als wir am Nachmittag den Rückweg antreten, wissen wir, warum Sipadan zu den absolut besten Unterwasserplätzen unseres Planeten zählt.

Wir hätten gern noch weitere Tauchgänge an den traumhaften Riffen im Land der Seenoma-den unternommen, doch wir müssen weiterziehen, denn die Zeit vergeht wie im Flug. Mittlerweile sind fast zwei Drittel unserer Reise vorüber, und im Herzen Sabahs wartet bereits ein weiteres Dschungel-Abenteuer auf uns, das Kinabatangan Wildlife Sanctuary.

© Dirk Vorwerk, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Der Wunsch etwas in dieser Art zu tun war schon lange da. Im letzten Jahr wurde aus diesem Wunsch dann ein Entschluss und nach langer Überlegung haben wir uns für eine Tour durch Asien entschieden. Seit dem 23. Februar sind wir nun auf unserer Reise die uns in 6 Monaten durch Indien, Malaysia und Indonesien führen soll.
Details:
Aufbruch: 23.02.2010
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 26.08.2010
Reiseziele: Indien
Malaysia
Australien
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Dirk Vorwerk berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.