Marokko - Erinnerungen nach dreißig Jahren
Im Minikleid
Von Rabat und Casablanca haben wir nicht viel gesehen, zumindest nicht auf dem Hinweg. Umso mehr dann von Marrakesch. Es war eine unglaubliche Stadt, damals in den 60er Jahren, als es noch keinen Massenstrom von Touristen gab und nur ein paar abenteuerselige Hippies unterwegs waren, die sich im Café Sportif trafen und, genau wie ich, zumeist in der Jugendherberge wohnten. Dort ging es nämlich ausgesprochen locker zu. Zum Beispiel existierte nicht einmal eine Trennung von Jungs und Mädchen. Mich verwunderte auch, dass die Frau des Herbergsvaters nur in einem leichten Kleid herumlief, nicht anders als sie es bei uns getan hätte. Wenn sie freilich ausging, legte sie züchtig ihre Tüllgardine an.
In Marrakesch schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Hätte es keine Stromdrähte gegeben, würde man kaum Anzeichen dafür entdeckt haben, dass man wirklich im 20. Jahrhundert war. Mir kam es so vor, als sei ich in ein Kinostück geraten. Ich sah die Kunststücke der Akrobaten auf dem Platz der Gaukler, wie sie menschliche Pyramiden bildeten, die Jongleure, die Tanzbären, die Schlangenbeschwörer, die Märchenerzähler, die, bevor sie zu erzählen anfingen, einen tiefen Zug aus einer Wasserpfeife nahmen und dann, während sie langsam den Rauch ausbliesen, ihre Geschichten vortrugen. Selbst Gewürzhändler schienen sich als Künstler zu betrachten; sie mischten vor den Augen der Umstehenden in Windeseile aus zahlreichen Gewürzhäufchen eine Melange und verkauften sie dann.
Ich habe mich damals wenig für Museen und Bauwerke interessiert. Selbst in Granada habe ich versäumt die Alhambra zu besuchen. Auch hier in Marrakesch war es vor allem das bunte Treiben in den engen Souks, das mich anzog. Ich kaufte mir ein Minikleid, ein weißes mit vielen Stickereien, von dem ich hoffte, dass es als ein etwas zu lang geratenes Hemd durchgehen würde.
Aufbruch: | Juli 1969 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | August 1969 |
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