Glück und Glas
Everest-Basecamp
Tag 61 bis 72: Wandern bis zum Umfallen
Tag 1: Nach 24 Stunden Erholung in Katmandu und der Verabschiedung von Christiane und Sabine breche ich am frühen Morgen zum Flughafen auf, um den Flieger nach Lukla zu nehmen. In Lukla ist der Ausgangspunkt für die Wanderung zum Everest-Basecamp. Bereits der Flug ist ein Erlebnis. Der Miniflieger mit Propeller, in den grad mal 16 Passagiere reinpassen, macht keinen besonders zuverlässigen Eindruck. Das Metallstück, das beim Beladen abfällt, wird einfach in den Frachtraum geschmissen. Bevor der Flieger abhebt verteilt eine Stewardess Wattebäuschchen, die man sich zum Schutz gegen die lauten Propellergeräusche in die Ohren stopfen soll. Und schließlich rumpelt die Maschine los und, oh Wunder, sie schafft es tatsächlich abzuheben.
Der Flug ist einfach unglaublich. Ich sehe die majestätischen Eisgipfel des Himalaja und die tief eingeschnittenen Täler mit ihren winzigen Dörfern in einem Meer aus Reisterrassen. Genau so spektakulär wie der Ausblick ist auch die Landung. In einer halsbrecherischen Kurve fliegen wir zwischen zwei Bergen hindurch und steuern geradewegs auf einen dritten Berg zu. Es kracht plötzlich gewaltig als wir mitten im Berghang auf einer steil ansteigenden Betonplattform aufsetzen und dann mit quietschenden Bremsen erst bergauf und dann um die Kurve brettern. Willkommen in Lukla (2860 Meter hoch)! Mit meinem Gepäck steuere ich die nächste Bäckerei an und warte dort bei einem Kaffee auf Bhakta Sherpa, dem Bergführer, der mir den Weg zum Everest Base-Camp zeigen wird. Bereits nach fünf Minuten trifft Bhakta ein und wir verstehen und auf Anhieb super. Bhakta ist 27 Jahre alt und arbeitet seitdem er 14 Jahre alt ist in der Everest-Region. Zunächst war er Träger aber mittlerweile ist er Berg- und Kletterführer für die kleinen Gipfel des Himalaja (alles unter 7000 Meter). Er ist verheiratet, hat zwei Kinder im Grundschulalter und sein Hobby ist Laufen. Stolz erzählt er mir, dass er jedes Jahr am Everest-Marathon teilnehmen würde. Diese Freizeitgestaltung hätte mir gleich eine Warnung sein sollen, denn mit dem Wissen, dass ich bereits von der Annapurna-Runde akklimatisiert bin, sprintet Bhaktar los und wir rennen in 6,5 Stunden gleich zwei Tagesetappen den Berg hinauf und hinunter bis nach Namche Bazar (3440 Meter hoch).
Der Flughafen von Lukla. Hinten links führt die Landebahn den Berg hinab.
Unser Flieger - alles andere als vertrauenserweckend.
Auf dem Weg nach Namche Bazar. An der Brücke hägen Gebetsfahnen.
Im Mai ist Frühling in Nepal und ganze Wälder voll Rhododendron blühen.
Namche Bazar, die Hauptstadt der Sherpas, ist unser erstes Ziel.
Tag 1-7: Aufstieg
Nach einem Akklimatisierungstag in Namche, an dem wir sieben Stunden zu dem kleinen Kloster in Thame wandern, setzen wir den Aufstieg fort. In Tengboche (3867 Meter hoch), dem nächsten Ort, in dem wir übernachten, erwartet uns zum ersten Mal ein atemberaubender Ausblick auf die Gipfel des Everest und Lhotse. Da wir mal wieder mehr gejoggt als gewandert sind, sind wir die ersten Wanderer des Tages, die ihre Unterkunft beziehen. Auch wenn ich vor Erschöpfung fast umfalle, stellt sich die Taktik "Rennen statt Wandern" als vorteilhaft heraus, da ich täglich jeweils das schönste Zimmer bekomme - ich habe ja die freie Wahl. Im Kloster von Tengboche nehmen wir am Nachmittagsgebet der Mönche teil. Die nächste Tagesetappe führt uns nach Dingboche (4400 Meter hoch), wo wir einen weiteren Akklimatisierungstag einlegen. Üblicherweise geht man an den Akklimatisierungstagen für paar Stunden in Gebiete, die 200 bis 400 Meter höher liegen und übernachtet dann wieder am Ausgangpunkt, um so der Höhenkrankheit vorzubeugen. Üblicherweise...! Bhakta jedoch setzt sein ehrgeiziges Trainingsprogramm für den Everest-Marathon fort und so klettern wir in fünf Stunden auf den Gipfel des Chukung Ri (5546 Meter hoch), von wo aus wir einen tollen Ausblick auf die Südwand des Lhotse haben. Bei diesem Aufstieg merke ich jedoch zum ersten mal die Auswirkungen der Höhe auf die Kondition. Alle 100 Meter muss ich erschöpft Pause machen um nach Luft zu ringen.
In Lobuche (4930 Meter hoch), dem Ziel unserer nächsten Tagesetappe, übernachten wir mehr schlecht als recht - so langsam wird die Luft immer dünner und die Träume immer lustiger - bevor es am folgenden Tag weiter zum Everest Basecamp (5450 Meter hoch) geht. Auch wenn viele Reiseführer das Basecamp als unspektakulär und als "die höchste Müllhalde das Welt" beschreiben bin ich total beeindruckt. Durch zahlreiche Aufräumaktionen der letzten Jahre ist es dort sauberer als in den vorangegangenen Orten und die Atmosphäre ist toll. Überall stehen Zeltgruppen von nationalen und internationalen Expeditionen. Wir trinken einen Kaffee im kanadischen Küchenzelt, da Bhakta dort Freunde hat. Dort treffe ich Christine, eine Bobfahrerin aus Kanada, die mir erzählt, dass ihre beiden Freunde noch am selben Tag auf den Gipfel des Everest steigen würden. Per Telefon hören wir uns von den beiden die derzeitige Lage im Camp 4 an. Außerdem werden die letzten Neuigkeiten besprochen, z.B. dass der ehemalige nepalesische Premierminister zwei Tage zuvor bei dem Versuch den Everest zu besteigen verstorben sei.
Eine Stupa auf dem Weg von Namche nach Tengboche.
Das Kloster von Tengboche
Mein Zimmer in Tengboche
Der Blick von Tengboche auf den Everest
Auf dem Weg nach Dingboche
Ein Yak vor dem Islandpeak
Bhakta und ich auf dem Weg zum Chukung Ri
Angekommen auf dem Chukung Ri
Der Weg zum Everest Basecamp
Endlich angekommen...
Tag 7 bis 11: Abstieg
Noch am frühen Nachmittag steigen wir herab nach Gorak Shep (5170 Meter hoch), wo wir übernachten um am darauffolgenden Tag zum Sonnenaufgang den Gipfel des Kalla Pattar (5540 Meter hoch) herauf zu klettern. Da Übernachtungen auf über 5000 Metern äußerst ungemütlich sind, bin ich morgens um 4 Uhr völlig übermüdet und am Ende meiner Kräfte, obwohl der Aufstieg zum Gipfel noch nicht einmal begonnen hat. Nach zweieinhalb Stunden endlich auf dem Gipfel angekommen, knipse ich nur ein paar schnelle Fotos und beschließe dann mit Bhaktar so schnell wie möglich abzusteigen. Ich habe die Nase voll von der dünnen Luft, mir tut der Kopf weh und ich will einfach nur noch runter um mal wieder zu duschen und auszuschlafen. So schaffen wir es noch am selben Tag bis nach Pangboche (3980 Meter hoch) und gehen die nächsten beiden Tage direkt weiter über Namche nach Lukla, von wo aus mich der Flieger zurück nach Katmandu bringt. Dort angekommen genieße ich die Rückkehr in die Zivilisation und verbringe viel Zeit damit, Pizza, Gummibärchen und Burger zu futtern.
Sonnenaufgang am Kalla Pattar
Auf dem Rückweg
ohne Worte
Wieso muss ich bei diesem Bild an Luise denken?
Fazit: Im Vergleich zur Annapurnarunde waren die Rahmenbedingungen (Unterkünfte, Internetcafes, Restaurants) für den Everest-Basecamp-Treck wesentlich kommerzieller. Außerdem ist die Landschaften, die man bei der Annapurnarunde durchwandert abwechslungsreicher und die Dörfer ursprünglicher. Dafür wird im Everestgebiet keine Straße entlang der Wanderwege gebaut und man befindet sich wirklich inmitten der höchsten Berge der Welt - das ist schon etwas sehr beeindruckendes. Was beide Wanderungen gemeinsam haben: man trifft ganz tolle und interessante Leute, mit denen man die Abende in der Essenshalle vor dem Ofen verbringt, in dem Yakdung verbrannt wird. So lausche ich abendlich den Geschichten von Roland, der mit Reinhold Meissner bei der Erstbesteigung der Südwand des Lhotse scheiterte, von Heiko, der als Einziger von vier Autoinsassen einen Bombenanschlag in Afghanistan überlebt hat, von Tilo, dem Chef des Hilton in Buenos Aires, der über die Hygienestandards der Unterkünfte nur den Kopf schütteln konnte und von Suki aus Japan, die ihren 18-Kilo-Rucksack voll mit Misosuppe bis zum Basecamp heraufschleppt, da sie dort ihren Mann, der von einer Lhotse-Expedition zurück kommt, überraschen und in Empfang nehmen will. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Nepal ist ein unvergessliches Erlebnis!
Aufbruch: | 07.03.2011 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 15.10.2011 |
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