Indienreise von Mon und Olaf
Von Gokarna nach Madikeri
Olaf
4.11.11
Das Zugreisen in Indien ist mehrheitlich recht angehm und unterhaltsam - wenn man denn a) weiss, wie das Zugsystem funktioniert und b) Wochen im Voraus den Sitz gebucht hat. Beides hat fuer uns jedoch nicht geklappt. Wir haben zwar eine ungefaehre Ahnung, wie das System mit Waiting List, confirmed Waiting List und Tiktal funktioniert, aber wir sind bei weitem noch keine Experten. Sitze fuer den Zug von Gokarna nach Mangalore zu bekommen, ist eigentlich nicht schwierig, wenn man 2-3 Wochen im Paradies abhaengen will. Wir hatten jedoch nach 5 Tagen schon genug und mussten uns somit mit einem Local Train ohne Sitzreservierung begnuegen. Wir kriegten jedoch den Horror, wenn wir an den Local Train von Mumbai nach Matheran dachten: Sardinenbuechsenfeeling und kein WC fuer 4-5 Stunden, uaaaaahhhh! Bus waere eine Option gewesen, aber in der Nacht fahren, 2 Stunden laenger unterwegs sein als mit dem Zug und dazu noch 5-10 mal mehr zahlen? No thanks, maybe later...
Was noch dazukommt: Abgesehen von den Express Zuegen ist es recht schwierig, herauszubekommen, wann ein Zug abfahert, vorallem dann, wenn man nicht gerade auf dem Bahnhof ist. Jeder, den man fragt, hat eine andere Ansicht, wann der Zug abfahert: Rikschafahrer: 3:30 pm, Travel Agent: 4:30 pm, Bedienung: 5 pm, Cleartrip Website: 4:50 pm.
Also haben wir uns auf den Travel Agent verlassen und sind eine Stunde frueher zum Bahnhof gefahren. Der Zug fuhr dann tatsaechlich mit nur 7 Minuten Verspaetung (4:57 pm) ab. Das Abteil war zwar recht voll (besonders mit besoffenen Indien-Studenten), aber ein freundlicher Inder hat uns sofort Platz an unserer Seite frei gemacht. Nichts gegen Inder, aber eine besoffene Herde von Teenies ist auch in der Schweiz Grund zur Beunruhigung und da bin ich froh, wenn ich einen muskelbepackten Inder neben uns habe . Der Inder namens Saji war ein geselliger Seemann auf Heimaturlaub und ich habe volle 4 Stunden mit ihm ueber Gott und die Welt (bzw. Meere, Fische, Unwetter, Touristen, Orte, Politik, Handy) geredet. So ging die Zeit sehr schnell im Flug vorbei und wir kamen in Mangalore, einer eher unlustigen Grossstadt an.
Ein Hotel hatten wir uns schon vorher ausgesucht und es war toll, mal wieder ein Zimmer mit sauberen Bettlaken und frischen Tuechern zu haben. Im angeschlossenen Restaurant konnten wir dann noch zu Abend essen und wir waren froh, dass es gleich daneben war. Ansonsten haetten wohl meine Zehen amputiert werden muessen oder ich haette eine schwere Lungenentzuendung davongetragen: Die AC war vermutlich auf -20 Grad eingestellt. Also ist Mon schnell rueber und hat uns ein paar warme Kleider geholt (ich haette sogar meine Wollmuetze ertragen). Das Essen war fein, nur der Salat haette wohl ein bisschen mehr Zuneigung gebraucht: Rueben und Randen in dicke Scheiben geschnitten und keine Sauce dazu; sieht wohl eher nach Rohkost aus, oder? Das Restaurant bestand zuerst aus uns zwei und einem Dutzend Kellner, bis dann noch eine Gruppe Inder reinkam, die aus einer indischen Version des "Godfather" Films stammen konnten. Das Schild an der Tuere wurde von "Open" auf "Close" gedreht und wir beide wurden regelrecht dazu gedraengt, zu zahlen und zu gehen. Mmmh, schraeg, oder?
5.11.11
Am nachsten Tag sind wir zum Busbahnof gefahren und haben ungefaehr ein Dutzend Leute genervt mit den Fragen: "Bus to Madikeri?", "When does it leave?", "AC-Volvo Bus?", "Do we have to reserve a seat?", "How much does it costs?", "How long?". So geht das in Indien: Man nehme mindestens 6 Inder (am besten offiziell Aussehende), fragt mehrmals und nimmt diejenigen Antworten, welche am meisten gesagt wurden. Der
Bus fuhr dann auch puenktlich ab (12.05) und wir konnten uns noch Sitze ergattern. Neben den furchtbaren Strassenverhaeltnissen schien der Bus selber ein Problem zu haben: Nach 2 Stunden RuettelSchuettel sind wir in eine Werkstatt gefahren und dort wurde am Bus herumgewerkelt, ohne dass uns was gesagt wurde ode rein Inder nachgefragt haette. Anscheinend gehoert das zum Busalltag dazu. Interessanterweise waren auch Frauen am reparieren von Busen beteiligt, fuer mich eher ueberraschend im Maenner dominierenden Indien. Der Aufenthalt in der Werkstatt gab mir trotzdem nicht gerade Vertrauen ins indische Bussystem. Ich hoffte nur, dass es nicht die Bremsen waren. Nach einer halben Stunde Herumgebastel gings dann wieder weiter, nur um nach weiteren 2 Stunden irgendwo wieder anzuhalten. Alle mussten mitsamt Gepaeck aussteigen. Der Bus konnte die Steigung anscheinend nicht mehr schaffen und so musste ein Ersatzbus ran. "5 Minutes" sagte mir der Busfahrer. Wobei 5 Minuten in indischen Verhaeltnissen echt alles heissen kann: 5 Minuten, 15 Minuten oder 1 Stunde. Die beiden Busfahrer haben dann angefangen, alles auszuladen: Wolldecken, Wasser, sogar das Mangalore-Madikeri Schild. Dann kam der Ersatzbus in Form des "Madikeri-Mangalore" Buses. Ist eigentlich noch sinnvoll, dass die Passagiere in Richtung Mangalore mit uns Passagieren Richtung Madikeri einfach die Plaetze tauschten. Wieso aber auch die Busdecken und das Wasser ausgetauscht werden musste? Vielleicht waren ja die Fahrer fuer jede Decke selbst verantwortlich...
Uff, nach 7.5 Stunden Busfahren (statt 3 Stunden) war ich dann echt froh, aus dem Bus zu torkeln. Ich vermute stark, dass wir mit einem lokalen Bus (ohne AC, ohne gemuetliche Sitze, ohne Bolywoodfilme) definitiv eher in Madikeri angekommen waeren. Busse und Rikschas hatten uns dauern ueberholt und ich waere nicht ueberrascht gewesen, wenn uns ein Fahrradfahrer winkend ueberholt haette (in Indien gibts nur Eingaengervelos, aber dafuer wunderschoene, Marke Atlas!). Aber es hatte sich gelohnt, nach Madikeri zu "bummeln". Es ist ein huebsches Oertchen und die Temperatur war viel angenehmer als an der Kueste: endlich kein Schwitzen im Stehen mehr.
Den ersten Abend hatten wir dann im EastEnd Hotel uebernachtet, wo man das Gefuehl hatte, in der Kolonialzeit zu leben. Verzweigte Flure, ueberall Nischen mit bequemen Sofas, alten Photos und antiker Moebel. So hohe Waende, dass wir sogar Badmington im Zimmer spielen konnten. Als uns der Page das Zimmer zeigte, ist er durch einen Raum gelaufen und ich fragte mich noch, wieso 2 Bette in der Halle standen, bis ich bemerkt hatte, dass wir schon in unserem Zimmer standen und er uns noch das Bad zeigen wollte. Ganz witzig: Grosses Zimmer, so um die 25 m2, mindestens 5 Meter hohe Waende mitsamt Kamin, ein kleiner Vorraum und ein Badezimmer, dass so gross war wie unsere frueheren Hotelzimmer. Man kam sich wie ein Landlord vor .
6.11.11 - 8.11.11
Am naechsten Tag sind wir in das Rainforrest Retreat gefahren, welches von zwei Biologen gefuhert wird, die versuchen, eine nachhaltige Landwirtschaft zu fuehren und auch Schulungen anbieten. Das war mal wieder was anderes: im Regenwald uebernachten und dazu noch in einem sher huebschen Haeusschen! Ueberall Gerauesche von Voegel, Froeschen und sonstigem Getier. Und immer lauter werdende Geraesche (sicher bis 80 dB) von Zikaden (???), die urploetzlich aufhoerten. Unsere einzigen Nachbaren waren ein deutsches Ehepaar, dass sich gerade von ihrer Mangalore-Madikeri Reise erholen musste. Sie waren zwar weniger lang unterwegs als wir, hatten dafuer aber keine gepolsterten, AC gekeuhlten Sitze. War sicherlich auch nicht lustig...
Die zwei Tage im Regenwald gingen auch wie im Fluge vorbei: schoene Spaziergaenge durch den Regenwald, feines Essen vom Buffet, kuehle Naechte, nette Unterhaltung unserer Gastgeber, endlich mal wieder Unterhaltung in deutscher Sprache...war echt schoen.
Aufbruch: | 10.10.2011 |
Dauer: | 11 Wochen |
Heimkehr: | 26.12.2011 |