Indienreise von Mon und Olaf
Varkala
Mo, 21.11.- So, 27.11.
Wir schaffen es nicht, die ganzen Luecken im Reisebericht aufzuholen, bevor wir jeweils wieder mindestens zwei andere Orte und x neue Erlebnisse mehr hinter uns haben...
Hm. Weiss gar nicht, wo anfangen. Ich fuehle mich schlecht. Nicht dass ich krank waere, aber der Ort und unsere momentane Art des Reisens machen es aus. Wir sind in Varkala am Strand. Dem wohl touristischsten Ort ueberhaupt auf unserer bisherigen Reise. Eigentlich ist es wunderschoen hier: ein einladender Strand zum Baden, im Hintergrund die roten Klippen, eine riesige Auswahl von Restaurants mit dem leckersten Essen von indisch bis westlich und das Shoppingparadies schlechthin hinsichtlich Kleider, Schmuck und Souvenirs von A bis Z.
Eigentlich sollte ich es geniessen hier. Wir haben eine wunderschoene Unterkunft: sauberes, grosses und pinkfarbenes Zimmer mit Balkon&Haengesessel in einem herzigen Guesthouse mit Palmengarten und tropischen Topfpflanzen, 3 Minuten zu den Klippen, 5 Minuten zum Strand. Ich kann morgens nur aus dem Bett und die Treppe runter rollen und befinde mich im Fruehstuecksparadies fuer Westler: Kaffee in allen Sorten und Groessen (RICHTIGER Kaffee!), Muesli, Cornflakes, Toast, Brot, Croissants, Fruchtsalat mit Joghurt, Milch- und Fruchtshakes in unendlichen Variationen... die Menueliste ist endlos. Und die Sachen toenen nicht nur fein und westlich, sie schmecken auch so!
Restaurant reiht sich an Restaurant - eines einladender als das andere; mit Korbstuehlen, Kissen, Dachterrassen mit Meersicht,... Sie heissen Juice Shack, Little Tibet, Cafe del Mar oder Coffee Tempel und haben den Standard wie in Europa. Zum Ferien machen ist das der Hammer hier. Man kann faul am Strand liegen, die Ananasverkaeuferin heranwinken, wenn man Lust auf Fruechte hat und im Bikini baden, ohne schraeg angeschaut zu werden, da die Leute am Strand (North Cliff) zu 99% westliche Touristen sind. Man kann stundenlang shoppen, fuer einen Bruchteil des Geldes, das man Zuhause zahlen muesste und man lernt Leute kennen. Vorallem Westler.
Alles extrem angenehm. Aber... das ist nicht Indien hier. Und wir sind auch nicht in den Ferien, sondern am Reisen. Sollten wir da nicht eher Tempel oder Teeplantagen besichtigen, Einheimischen beim Alltagsleben zuschauen und in einfachen Unterkuenften (am besten bei einer indischen Familie) wohnen? Es ist lange her, dass wir ein wirklich einfaches Zimmer mit Plumpsklo am Boden bewohnt haben, uns nur mit Sandalen ins Badezimmer getraut haben oder uns wie Ausserirdische zwischen all den Indern gefuehlt haben.
Es ist nicht das, was ich unter Reisen und andere Kulturen kennenlernen verstehe. Ich fuehle mich schlecht, weil ich das Geld habe, mir alles zu leisten, worauf ich Lust habe: Sachen, die soviel kosten wie ein (armer) Einheimischer am Tag verdient. Zum Beispiel einen Kaffee oder Fruit Shake, zum Preis eines ganzen Menues, das man in einer Strassenkueche bekommen wuerde. Ich fuehle mich schlecht, wenn ich die ganzen Verkaeufer abwimmeln muss, wenn ich bei einem etwas kaufe und beim anderen nicht. Wenn ich einem Bettler nichts gebe oder zuwenig, aber zuvor oder danach gerade fuer mich etwas gekauft habe. Ich fuehle mich schlecht, wenn ich kein Trinkgeld gebe. Wenn ich das Kleidungsstueck heruntergehandelt habe und der Verkaufer es mir zwar verkauft (das bedeutet immer, dass er sicher was dran verdient), aber beim Verlassen des Ladens ein gequaeltes Gesicht macht. Wenn ich den Nachbarshop ignoriere und weglaufe, ohne mindestens einen Blick hineinzuwerfen.
Es ist so schwierig. Und so anstrengend....
Unser Tagesablauf hier in Varkala sieht etwa so aus:
Aufwachen wenns hell wird (ca halb sieben). Wenn wir Glueck haben und uns keine Geraeusche wecken, schlafen wir auch eine oder zwei Stunden laenger.
Sich unter dem Mueckennetz hervorgraben, ins Bad taumeln und waschen. Morgengymnastik zwischen Bett und Wand. Unter die kalte Dusche. Anziehen, Instantkaffee einpacken (vorsorglich, falls man das falsche Restaurant erwischt), 100 Meter nach vorne wandern zu den Klippen bzw. zu den Beizen. Eine auswaehlen (schwierig, es hat viel zu viele ansprechende). Kaffee bestellen und mit der Essensbestellung besser noch warten (geht sonst laenger, da die Bedienung A) in Varkala ziemlich langsam ist und B) das Getraenk oft zusammen mit dem Essen geliefert wird - also nicht unbedingt sofort als Erstes.
Kaffee trinken und versuchen, die Muedigkeit abzuschuetteln (wir sind oft muede; entweder von der Hitze, vom Sich-wenig-bewegen (Fitnessverlust) oder weil das Reisen anstrengend ist?...)
Nach dem Fruehstueck herumschlendern bzw. shoppen. Irgendwann vor Erschoepfung (psychisch, siehe unten) und vor Hitze aufgeben, zum Guesthouse zuruecktaumeln und nochmals unter die Dusche stellen. Dann ins naechste Restaurant sinken, nochmals Kaffee bestellen oder fresh Fruit Juice. Spaeter nochmals hinlegen oder sich zum Strand schleppen, eine halbe Stunde im Wasser planschen, unter den Wellen durch tauchen oder sich mitreissen lassen (eher schlechte Idee > fuehlt sich an wie in der Waeschetrommel (1x 360 Grad um die eigene Achse und mit Bodenkontakt, wenn man nicht aufpasst)).
Einen Sonnenschirm mieten (sehr teuer) oder sich braten lassen. Nochmals baden. Doesen. Baden. Krebse beobachten oder ein paar Meter dem Strand entlang laufen.
Spaeter wieder ein Restaurant und etwas feines zu essen auswaehlen (schwierig, Menukarten viel zu lang). Danch Internetcafe suchen, darauf hoffen, dass kein Stromausfall ist oder (sehr viel wahrscheinlicher) im Restaurant sitzen bleiben und nochmals was bestellen). Immer wieder Getraenke einkaufen. Einen Strandspaziergang machen und den Indern bei ihren allabendlichen Ritualen zuschauen (Priester sprechen Gebete fuer die Toten der Angehoerigen, oder so aehnlich). Im Dunkeln zuruecklaufen, unterwegs nochmals Wasser einkaufen und Standardantworten geben ("Switzerland, 10 months in india, varkala 1 week, india very nice"). Nochmals unter die kalte Dusche, mit Moskitospray einsprayen und lange Kleider (viel zu heiss) anziehen. Restaurant fuers Abendessen aussuchen. Fisch auswaehlen (vor dem Restaurant, auf dem Schautisch, auf Eis ausgestellt). Ziemlich lange aufs Essen warten. Geniessen. Spaeter (meistens zu spaet, trotz guten Vorsaetzen) ins Bett fallen, in unserem pinkfarbenen Zimmer unseres Guesthouses "Sky Land"...
Shoppingerlebnis in Varkala, auf den Klippen
Varkala ist (waere) das absolute Einkaufsparadies. Aber es ist seeehr anstrengend: Nach spaetestens 3 Metern steht der naechste Laden. Entscheiden: anschauen oder weiterlaufen? Sich in die Drachenhoehle begeben oder nicht? Entlang der ganzen Shops toent es so: "Hellooooo, good mooooorning, ma'm, how are youu??"(Laecheln (freundlich-froehlich oder ernst-gequaelt)) "Have a look at my shop, pleeeeaaase, more T-Shirt inside, many colours, many different design! Please look inside!" Oder: " Hellooooo! Remember meee?! You coming yesterday, promised to look in my shop! Now look pleaaase!" ...und wenn man sich dann in den Laden reinwagt: "Only a small buisness for me! Very good price! Special price for you! Morning price! For good luck! Normally i sell this for xy (hoher Preis) Rupies, but you are my first customer! I will give you this for only (!) xy Rupies (immer noch zu hoch). Um den Preis handeln oder sich unter schlechtem Gewissen wieder aus dem Laden zwaengen, Spiessrutenlauf weiter fuehren. Standartantworten geben: Nach der ersten Aufforderung: "No thanks (&Laecheln), "mabe / mabe later" nach der zweiten Aufforderung und "we really don't need" nach der x-ten (und versuchen, immer noch zu laecheln).
Zum Glueck gehts uebermorgen nach Rajasthan. Da wirds anders. Naemlich noch anstrengender
Aufbruch: | 10.10.2011 |
Dauer: | 11 Wochen |
Heimkehr: | 26.12.2011 |