Allein auf Tour in den ukrainischen Karpaten

Reisezeit: August / September 2011  |  von Manfred Sürig

erst einmal bergauf

Der Kauf der Fahrkarte am nächsten Morgen klappt schon mal professionell. Ich lese die Zielstation des Zuges Volosyanka laut vor und bekomme prompt ein Ticket und fürs gleiche Geld ein weiteres fürs Fahrrad. Umgerechnet etwa € 1,30, also dürften das etwa 70 km werden.

Das Erklimmen des Zuges klappt nur dank tatkräftiger Hilfe einiger junger Leute, die auch in den Zug einsteigen.

Dann habe ich Zeit, im Zug auszuspannen. Der Blick aus dem Fenster bestätigt, dass ich es richtig gemacht habe: im malerischen Tal der/des Uz geht es ständig bergauf, mit dem Fahrrad wohl noch zu schaffen, aber so gehts schneller und bequemer!
Als dann der Zug durch mehrere streng bewachte Tunnels rollt und ich auf einer Talbrücke die Straße weit unten und weitere Bahnviadukte weit oben am Hang sehe, wird die Bahnfahrt richtig spannend.

Der Zug hält an jeder Milchkanne, die Ortsbezeichnungen kann ich ohnehin nicht entziffern. Aber die große Hitze scheint schon vorbei zu sein - oder ist es die große Höhe ?
Dann leert sich der Zug.
Endstation.
Die meisten Passgiere steigen in einen bereitstehenden andern Zug mit Ziel Lemberg um, ich stehe auf einem fast leeren Bahnhof.

Wo bin ich denn nun ?

Syanki - der Name sagt mir nichts und auf meiner Karte finde ich ihn auch nicht. Eine Dorfstraße führt einige hundert Meter weiter bergauf, dann geht es nicht mehr höher. Oben bin ich also. Nur: wohin muß ich jetzt runter ?
Immerhin bin ich hier in einem Naturpark, an den vielen bunten Tafeln kann man es erkennen. Der Park erstreckt sich rund um das Dreiländereck Polen-Ukraine-Slowakei. Die polnische und die Slowakische Karte habe ich, aber jede Karte endet an der Grenze, und auch auf der ukrainischen Tafel ist es nicht anders.

Diese Karte zeigt nur die Uzgorod-Region, die nordöstlich liegende Lemberg (L'viv-)-Region ist dargestellt wie das übrige Ausland. Also liegt der Bahnhof Syanki wohl schon auf Lemberger Gebiet. Da werde ich also erst einmal nach Süden müssen.

Diese Karte zeigt nur die Uzgorod-Region, die nordöstlich liegende Lemberg (L'viv-)-Region ist dargestellt wie das übrige Ausland. Also liegt der Bahnhof Syanki wohl schon auf Lemberger Gebiet. Da werde ich also erst einmal nach Süden müssen.

Die Dorfstraße mündet auf eine breitere Straße, die wohl eine Hauptstraße ist, aber Wegweiser suche ich vergebens.
Von einem Wachsoldaten lasse ich mir zeigen, wohin es nach Lemberg geht, dann weiß ich, dass ich in die engegengesetzte Richtung fahren muß.
Nach Südwesten geht es noch einmal etwas bergauf, dann komme ich an einen Schlagbaum.
Geht es hier etwa nach Polen ?
Mein Reisepaß wird kontrolliert, aber nicht gestempelt.

Ich frage vorsichtshalber, wohin die Straße führt und bekomme die Antwort "Uzgorod". Ab hier Uzgorod-Region, dort - der Beamte weist nach Nordosten- Lemberg-Region.
Na denn, nun weiß ich, wo ich meinen Finger auf meine Landkarte setzen muß.
Prima - ich bin wohl mit dem Zug etwas zu weit und zu hoch gefahren, jetzt geht es erst einmal bergab genau dorthin, wo ich eben noch im Zug gesessen habe.
Die Fahrt bergab erfordert höchste Konzentration, nicht wegen des Verkehrsaufkommens - das tendiert gegen Null - sondern wegen chaotischer Schlaglöcher, denen es auszuweichen gilt, manchmal bis weit auf die linke Straßenseite.

Unter dieser Straße verläuft die Bahn in einem Tunnel. Eigentlich hätte ich hier in Uzok aussteigen müssen.

Unter dieser Straße verläuft die Bahn in einem Tunnel. Eigentlich hätte ich hier in Uzok aussteigen müssen.

Von hier will ich südlich des Karpatenkamms auf Südkurs gehen, denn in meiner Karte ist eine Straße eingezeichnet, die nach Zdeneve und Volovez führt. 32 km müßten heute nachmittag noch locker zu schaffen sein.

An der Abzweigung Richtung Volovez steht dieses kleine Holzkirchlein. Auf dem Hof sitzen ein paar Einheimische beim Bier. Sie winken mich heran.

An der Abzweigung Richtung Volovez steht dieses kleine Holzkirchlein. Auf dem Hof sitzen ein paar Einheimische beim Bier. Sie winken mich heran.

Komm herein, ansehen! Sogar fotografieren darf ich. 43 Einwohner gehören zur Kirchengemeinde, alle 43 waren heute vormittag zum Gottesdienst, sagt man mir gestenreich

Komm herein, ansehen! Sogar fotografieren darf ich. 43 Einwohner gehören zur Kirchengemeinde, alle 43 waren heute vormittag zum Gottesdienst, sagt man mir gestenreich

Kindergarten oder Erlebnishotel ? Alles ist geschlossen, aber nagelneu.

Kindergarten oder Erlebnishotel ? Alles ist geschlossen, aber nagelneu.

Ein großer Vorwegweiser zeigt die Abzweigung nach Volovez an. Also links ab in die nächste Straße.

so sieht die Straße nach 200 Metern aus. Immerhin keinerlei Verkehr!

so sieht die Straße nach 200 Metern aus. Immerhin keinerlei Verkehr!

So wenig Verkehr, dass sie allmählich zuzuwachsen droht. Oder bin ich nicht mehr richtig ?

So wenig Verkehr, dass sie allmählich zuzuwachsen droht. Oder bin ich nicht mehr richtig ?

Ich muß zugeben, dass ich mal eine Abkürzung gewählt habe, weil eine Wanderwegmarkierung dort zu sehen war und es dort weniger steil bergauf ging. Irgendwohin muß ja auch dieser Weg führen.

Ich muß zugeben, dass ich mal eine Abkürzung gewählt habe, weil eine Wanderwegmarkierung dort zu sehen war und es dort weniger steil bergauf ging. Irgendwohin muß ja auch dieser Weg führen.

Jetzt hilft nur noch schieben, um auf die Straße zurückzukommen. Ein Bauer zeigte mir, wo es lang geht: steil bergauf, das geht selbst beim Schieben an die Substanz !

Jetzt hilft nur noch schieben, um auf die Straße zurückzukommen. Ein Bauer zeigte mir, wo es lang geht: steil bergauf, das geht selbst beim Schieben an die Substanz !

Endlich habe ich die Straße wieder, sogar der Berg liegt hinter mir, aber das Bergabrollen ist höchst riskant, wenn man immer wieder über faustgroße Steine fahren muß, also auch bergab nur Schrittempo

Endlich habe ich die Straße wieder, sogar der Berg liegt hinter mir, aber das Bergabrollen ist höchst riskant, wenn man immer wieder über faustgroße Steine fahren muß, also auch bergab nur Schrittempo

es geht wieder der Zivilisation entgegen! Die Straße ist asphaltiert, Streckenweise sogar ohne Schlaglöcher !

es geht wieder der Zivilisation entgegen! Die Straße ist asphaltiert, Streckenweise sogar ohne Schlaglöcher !

Schlappe 12 Kilometer bin ich in fast zwei Stunden vorangekommen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Aber nachdem ich mich nun ab und zu bis zu 200 Meter abrollen lassen kann, ohne Schlaglöchern ausweichen zu müssen, habe ich auch einen Blick für die wunderschöne Landschaft übrig. Dabei kann ich es auch nicht lassen, auf den Tacho zu schielen: bis zu 28 km/h ohne treten zu müssen, da kann man zufrieden sein.
Das Tempo kann ich sogar steigern, als ich durch einen Kurort komme, Zdeneve. Was ist schöner, die schöne neue Straße oder die Aussicht, hier überall Hotels zu finden ?
Ich verfalle dem Temporausch, denn es geht sanft im Tal der Latorica abwärts, da komme ich bald an eine Brücke, auf der ich im Jahr 2004 schon einmal gewesen bin.

Die Latorica.Sie fließt aus den Karpaten zunächst parallel zur Theiß in die Slowakei und bildet dort eine Sumpflandschaft, in der es zur Schneeschmelze zu Hochwasserstaus kommt. Das formt dort eine pußtaähnliche Landschaft, die einmalig ist. Hier ist sie ein Bergbach, von denen ich noch viele kennenlernen werde

Die Latorica.Sie fließt aus den Karpaten zunächst parallel zur Theiß in die Slowakei und bildet dort eine Sumpflandschaft, in der es zur Schneeschmelze zu Hochwasserstaus kommt. Das formt dort eine pußtaähnliche Landschaft, die einmalig ist. Hier ist sie ein Bergbach, von denen ich noch viele kennenlernen werde

Das Wetter könnte schöner nicht sein.
In einem Straßendorf Pidpolossja finde ich eine Unterkunft mit Wohnraum, Bad und Schlafzimmer für umgerechnet 12,60 €, da könnte ich mir ein warmes Abendessen gönnen.
Doch heute ist Sonntag, das Restaurant ist zu, ich wäre auch der einzige Gast. Aber die Zimmerfrau zeigt mir ein" Magazin", wo ich hinter einem Wohnhaus in einem kleinen Tante-Emma-Laden mir alles Notwendige fürs Abendbrot einkaufen kann.

Klare Sicht, blauer Himmel, geringe Luftfeuchtigkeit: Wetter und Stimmung sind kaum noch steigerungsfähig!

Klare Sicht, blauer Himmel, geringe Luftfeuchtigkeit: Wetter und Stimmung sind kaum noch steigerungsfähig!

© Manfred Sürig, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwischen Sighetu Marmathiei/Rumänien und Solotvyna/Ukraine führt eine von der EU gesponserte Brücke über die Theiß, die dort die EU-Außen-Grenze bildet. Ursprünglich (1994) für die Entwicklung des kleinen Grenzverkehrs gebaut, wollte ich wissen, ob man als EU-Bürger dort heute auch rüberkommt. Niemand konnte mir im voraus dazu etwas sagen. Bleibt also nur, selbst hinzufahren....
Details:
Aufbruch: 27.08.2011
Dauer: 16 Tage
Heimkehr: 11.09.2011
Reiseziele: Ukraine
Rumänien
Slowakei
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.