Allein auf Tour in den ukrainischen Karpaten
Ziel Ust-Corna verfehlt, statt dessen....
Mit Gepäck gehts am nächsten Morgen weiter. Kühler ist es geworden, was ich besonders beim Bergabfahren Richtung Kolocava spüre. Aber das sind nur 12 km, dann geht es wieder bergauf ins nächste Tal nach Ust-Corna. Im Motel hörte ich widersprüchliche Angaben zu der Straße dorthin. Sie soll nahezu unpassierbar sein, nein, sagte eine andere Dame, sie sei gerade neu gemacht worden.
Also selbst ansehen!
So ein Schlagloch darf man nicht übersehen. Aber ansonsten ist die Straße in Ordnung und im Ort Kolocava selbst führt eine frisch asphaltierte Straße weiter nach Südosten. Nur der Wegweiser nach Ust-Corna fehlt. Aber das ist in der Ukraine nichts besonderes.
ich komme der Realität am Ortsrand schon näher. Ende der Asphaltstrecke, Schotter mit großen Steinen und eine Steigung, die gerade noch zu schaffen ist
....und hier sollen auch Autos fahren können ? Immerhin genieße ich hier noch eine verkehrsberuhigte Zone
Ein Trecker oder ein Geländewagen hat hier Spuren hinterlassen. da müßte man doch auch mit dem Rad noch durchkommen.
Aber nur mit Schieben!
Ein Blick auf den Tacho: 9 km habe ich schon geschafft, 12 km sind es noch bis Ust-Corna. Und Ust-Corna liegt im nächsten Tal, da müßte ich ja eigentlich schon fast auf der Paßhöhe sein. Aber hier wird selbst das Schieben zur Qual. Wäre doch nur nicht das verfluchte Gepäck !
Nein, das kann so nicht gehen! Steigung von mindestens 25 % und dann solche Steine, das kann nicht gutgehen. Also umkehren!
Schon auf den ersten Metern des Rückwegs kracht es unter dem Sattel. Das war ein Schlagloch zuviel, die unterste Feder ist gleich zweimal durchgebrochen. Sitzend kann ich nun nicht mehr fahren, im Stehen wird zu wackelig, also bergab schieben!
Auf dem Rückweg sehe ich, dass ein Geländewagen und ein Trecker sogar verschiedene Pfade gewählt haben müssen, ob sie wohl angekommen sind ? Oder waren das Anlieger ?
Auf ganz glatter Asphaltstraße und nur bergab, kann ich noch vorsichtig auf dem Sattel Platz nehmen. Ob die Rest-Federn das noch aushalten ?
Notgedrungen zurück in die Zivilisation ! Auf der Asphaltstrecke in Kolocava kann ich das Fahren im Sitzen bergab auf glatter Straße schon mal testen......
Sehr vorsichtig setze ich den Hintern auf den Sattel ab und lasse mich bergab rollen. Es geht - nur wie lange ? Nach 17 Kilometern bin ich 3 Stunden später wieder da, wo ich heute morgen schon mal war.
Inzwischen ist hier der Trödelmarkt in vollem Gange.
Unschlüssig schiebe ich das Rad erst einmal durch den Markt. Ich erstehe eine SIM-Karte für mein Handy, um innerhalb der Ukraine billiger telefonieren zu können, ein Stück geräucherten Karpatenspeck aufs trockene Brot und Weintrauben.
Und was sehe ich an einem Stand zwischen gebrauchten Werkzeugen und Schrauben ?
Einen nagelneuen Fahrradsattel mit bester Federung für 4 Euro.
Der muß gleich mit, auch, wenn ich ihn noch nicht montieren kann.
Womit sich mein Gepäck erneut vergrößert.....
Jetzt habe ich eine Picknickpause verdient und kann gelassen über den weiteren Weg nachdenken. Der kann nur talabwärts bis zur Theiß führen, dorthin sind es knapp 60 km
Der Weg führt zwangsläufig erst einmal abwärts am Fluß, wieder in einer traumhaften Landschaft. Nur der Straßenzustand entspricht nicht ganz meinen Vorstellungen, aber inzwischen bin ich abgehärtet.....
durch liebliche Dörfer. Vor allem im Dorfbereich ist die Straße deutlich besser. Am Ende dieses Dorfes gabelt sich bei einer Tankstelle die Straße, aber es gibt keinerlei Wegweiser. Da bleibt nur wieder, nach dem Weg zu fragen.
Wo gehts nach Solotvyna ? Aber wie spricht man das aus ?
Die Landschaft wird flacher, aber weiter fahre ich an einem breiten Flußbett abwärts. Da kann ich eigentlich nichts falsch machen.
Gegen 17 Uhr endet meine Straße an einer Hauptstraße mit viel Verkehr. Das kann nur die Europastraße von Uzgorod nach Tschernowitz sein. Als erstes fahre ich auf eine Fahrradwerkstatt zu. Wie gerufen!
Niemand ist da, aber das Werkzeug liegt offen auf der Bank. Also auf zur Tat und den neuen Sattel montieren. Keine 5 Minuten, und ich bin fertig. Welch ein völlig neues Fahrgefühl.
Erst jetzt bemerke ich, dass mich der Meister vom Fenster aus beobachtet hat. Er freut sich mit mir und wünscht mir gute Reise.
Bezahlung ? Weshalb denn, da hast es doch selbst gemacht!
Hinter der Brücke über den Fluß, der mich heute den ganzen Tag begleitet hat, sehe ich ein Hotel. Eigentlich will ich nur mal fragen, wie das Preisniveau hier ist, aber es gefällt mir so gut, dass ich hierbleibe. Für umgerechnet € 22,50 mit Frühstück sehr ordentlich.
Bis Solotvyna, so sehe ich an einem der seltenen Wegweiser, sind es noch 26 km, da werde ich morgen ja locker mein Ziel erreichen.
Die schönen Hotelzimmer haben nur einen Nachteil: Man findet nirgends eine Befestigungsmöglichkeit für die Wäscheleine. Aber Kleiderbügel sind Mangelware, um die Wäsche zum Trocknen aufzuhängen.
Nun bin ich im Flachland. Hier führt die Europastraße durch eine Hochwassersperre der Theiß, die weitab fließt, aber doch wohl mal gefährlich über die Ufer tritt.
Hier könnte ich nach Ust-Corna abbiegen. Aber das schenke ich mir. Es wären über 100 km Umweg von Kolocava aus. Und dieser Weg hier wäre nur wieder eine Sackgasse ins Tal hinauf.
Das ist der Fluß, der aus dem Ust-Corna-Tal kommt. Zurück ins Gebirge? Nein, heute nicht. Ich will ja wissen, ob man in Solotvyna über die Theißbrücke nach Sighetu-Marmathiei kommt. Das war doch der Zweck meiner Reise.
Am Ortsrand von Solotvyna komme ich durch eine Allee gesäumt mit Villen, die auf Wohlstand schließen lassen. Aber alles noch Baustellen, aber nirgendwo Baukräne oder Aktivitäten. Selbst die kunstvollen Einzäunungen aus Nirosta sind schon fertig, die Gärten voller Unkraut, alles unbewohnt.
Beim Frühstück an einer Bushaltestelle werde ich angesprochen. Endlich jemand vom Bau!
Er war lange Zeit Bauführer in Portugal bei einer deutschen Baufirma. Sehr gute Bezahlung und 8-Stunden-Tag, aber dann von portugiesischer Firma übernommen, Lohndumping.
Nein, das hat er nicht mitgemacht und ist in die Ukraine zurückgekehrt. Diese Häuser hier hat er alle gebaut, nur mit Schubkarre ohne Baugerüst, früher hier viele Leute, heute er allein, als Wache. Bis die Bauherren wieder Geld haben.
Er wohne dort hinten, in dem einzigen Haus, wo man Gardinen hinter den Fenstern sieht. Er wünscht mir "allezeit Gute Fahrt" und läßt sich gern mit mir ablichten.
Nach langem Weg ein Ortsschild nicht nur mit kyrillischer Schrift, nein gleich in drei Sprachen: Ukrainisch, rumänisch und ungarisch. Solotvyna hat etwas mit Salz zu tun, früher wurde diese Stadt durch ihre Salzbergwerke reich, heute ist nichts mehr davon übrig, nicht einmal eine Düngemittelfabrik ist geblieben.
Die Frage ist beantwortet: Als EU-Bürger kommt man hier 24 Stunden am Tag in beiden Richtungen über die Grenze. Nur LKWs trägt die Brücke nicht.
Das hätte der ADAC eigentlich wissen müssen....
In allen mir zugänglichen Karten war dieser Grenzübergang nicht angegeben. Auch das rumänische Fremdenverkehrsamt hatte meine diesbezügliche Frage nicht beantwortet, desgleichen Michelin, der ACE und ein Bekannter, dessen Cousine in Sighetu-Marmathiei wohnt.
Habe ich mit meiner Reise doch eine große Wissenslücke schließen können und noch so viel Spaß dabei gehabt!
Aufbruch: | 27.08.2011 |
Dauer: | 16 Tage |
Heimkehr: | 11.09.2011 |
Rumänien
Slowakei